Momentaufnahme: Februar 2016

Momentaufnahme: Februar 2016

Herr Silencer im Februar 2016
Maybe I am flying solo, but I am flying free, defying Gravity.

Wetter: Nass und kalt. Bis Monatsmitte sowas wie Plusgrade, dann Temperatursturz auf -3 Grad und nochmal verhaltenen Schneefall. ——————————————————————————————————————————————————-
Lesen:

Stephen King 11/22/63 [Kindle]
Ein alter Mann erzählt dem Englischlehrer Jake Epping eine unglaubliche Geschichte: Im Keller seines Restaurants befindet sich ein Loch in der Zeit, das ins Jahr 1958 führt. Jake probiert es aus und stellt fest, dass das der Wahrheit entspricht. Dann wird er vom Restaurantbetreiber auf eine Mission geschickt: Er soll 5 Jahre in der Vergangenheit ausharren und dann, am 22. November 1963, das Attentat auf Kennedy verhindern und so den Lauf Welt zum Besseren ändern. Soweit der Plan. Aber die Vergangenheit wehrt sich gegen Veränderungen. Mit allen Mitteln.

Das erste Mal richtig gepackt hat mich King mit “IT”. Das Buch konnte ich 1989 nicht mehr aus der Hand legen. Spätere Werke kamen nie gegen die erzählerische Wucht dieser Geschichte an. Bis jetzt. “Der Anschlag”, wie 11.3.63 auf Deutsch heisst, ist wieder genauso detailverliebt, lesbar und spannend wie “ES”. Außerdem ist es eine schöne Parabel über die Konsequenzen des eigenen Handelns, denn auch wenn Jake stets die Welt zum Guten ändern will, meistens geht doch was nicht so wie geplant. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen, trotzdem dauerte es ein wenig bis ich durch war: Auf Papier hat das Werk fast 1.200 Seiten.

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Hören:

Wicked [Musicalsoundtrack]
Wer ist eigentlich die böse Hexe des Ostens? In “Der Zauberer von Oz” hat sie nur einen kurzen Auftritt und schmilzt, als sie von Dorothy mit Wasser überschüttet wird. “Wicked” zeigt nun die wahre Geschichte: Die junge Elphaba wird von allen gehänselt, weil ihre Haut grün ist. Dabei ist sie eine überaus intelligente ud begabte, junge Frau, die ihren eigenen Kopf hat und ihre Meinung vertritt. Anders als die hübsche, aber oberflächliche Glinda. Als in Oz Diskriminierung und Faschismus Einzug halten, tritt Elphaba für Minderheiten ein – und wird dadurch als “böse” Hexe gebrandmarkt.

Die Geschichte ist toll und spielt sich quasi in den Lücken des Films. Der Soundtrack ist leider nichts besonderes, die meisten Lieder sind aus dem Standard-Musical-Baukasten zusammengepfriemelt. Lediglich “Defying Gravity”, das Lied zu einer Schlüsselszene, sticht heraus und bleibt im Gedächtnis.

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Sehen:

Harry Potter I-VII [Bluray]
Junge geht auf Zauberschule und macht da alles mögliche, aber nicht lernen.

Ich mag die Harry Potter-Bücher sehr, war aber nie ein Fan der Filme. Ich habe die im Kino gesehen, begeistert haben sie mich aber nicht. Vermutlich auch deshalb, weil zu viel Zeit zwischen den einzelnen Filmen lag. Back-to-Back und in Ruhe zu Hause angeschaut habe ich erst gemerkt, wieviel Liebe zum Detail da drin steckt und wie umwerfend gut die Schauspieler sind. Lediglich Rupert Grint als Ron Weasly ist ein Ausfall, der Rest ist einfach nur beeindruckend. Faszinierend: Tricktechnisch steckt viel mehr traditionelle Arbeit mit Modellen und Prothesen in den Filmen, als man zunächst glaubt. Was auch gut ist, denn bis Teil 6 ist ausnahmslos jedes CGI-Element Murks. Inhaltlich unterscheiden sich die Werke stark. Während “Der Gefangene von Askaban” eine Achterbahnfahrt ohne Pause ist, schnarcht “Der Halbblutprinz” in viel zu langsamer Inszenierung vor sich hin. So ist das halt, wenn immer unterschiedliche Regisseure an einer Serie arbeiten.

Alles steht Kopf [PSN]
Jeder Mensch hat eine Emotionszentrale im Kopf. Dort stehen an einem großen Schaltpult vier Figuren: Freude, Kummer, Angst, Wut und Ekel steuern uns durchs Leben. So ist das auch bei der jungen Riley. In deren Emotionszentrale geht aber einiges durcheinander, als sie mit ihren Eltern umziehen muss. Und dann verlaufen sich auch noch die hyperaktive Freude und die lethargische Kummer im Langzeitgedächtnis und lassen Riley allein mit Ekel und Wut zurück.

Normalerweile spiele ich immer mit dem Handy rum, wenn im Heimkino ein Film läuft. Bei diesem nicht. Guckt man hier 5 Sekunden nicht hin, verpasst man eine tolle Idee oder einen lustigen Gag. Zu fantastisch und emotional ist die Geschichte um Riley und die Metaphern für ihr Innenleben. Die Welt im Kopf eines Menschen ist hier extrem toll umgesetzt, und die Story berührt – ich habe lauthals gelacht und ebenso die ein odere andere Träne verdrückt. Endlich mal wieder ein Anmimationsfilm, der nicht von Slapstick lebt, sondern sich auf seine Geschichte konzentriert. Uneingeschränkte Guckempfehlung, das ist definitiv das beste, was Pixar in den vergangenen Jahren gemacht hat.

Deadpool [BFI IMax]
Nicht ganz dichter Söldner wird zu hässlichem Supersoldaten mutiert. Daraufhin wird er vollkommen Gaga.

Ja, ach, Deadpool. Kein schlechter Film, wirklich gut aber auch nicht. Schöne Szenen, nette Action, aber der Bösewicht taugt genau gar nicht und das Pacing rumpelt total: Nach 3/4 der Laufzeit steht man immer noch auf der Autobahnbrücke aus den ersten Minuten rum. Originstories sind ja oft etwas bleiern, und das trifft leider auch hier zu. Aber die Grundlagen sind großartig, ich bin schon gespannt auf Deadpool 2

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Spielen:

Assassins Creed Chronicles: India & Russia [PS4]
Im Lauf der Jahrhunderte taucht immer mal wieder ein Kästchen auf, dass ein Precursor-Artfeakt ist. Ezio Auditore vertraute es 1515 Shao Jun an, die es prompt verbaselte. 1850 jagt der Inder Arbaaz Mir in den Wirren des Ostindien-Kriegs der Zigarrenkiste bis nach Afghanistan hinterher, im Jahr 1918 versucht es Nikolai Orelow es in Jekaterinenburg an sich zu bringen, während in den Straßen die Oktoberrevolution tobt.

Climax Studios haben etwas geschafft, was in der heutigen Zeit Seltenheitswert hat: Sie haben gleich zwei Spiele entwickelt, die ü-ber-haupt keinen Spaß machen. Die 2,5D-Sidescroller sind “kleine” Assassins Creed Ableger und fokussieren auf Stealth. Der erste Teil der Trilogie “China-India-Russia” erschien vor einem Jahr, spielte in China und beeindruckte durch das frische Spielprinzip und eine kunstvolle Optik. “Assassins Creed: China” sah aus wie spielbares Gemälde und hat, trotz der schwachen Story, begeistert.

Dann war ein Jahr Pause, und nun wurden die Nachfolger “India” und “Russia” innerhalb von vier Wochen veröffentlicht. Es wirkt fast, als ob Ubisoft die Spiele schnell vom Hals haben wollte. Vielleicht, weil man um deren Qualität wusste. Die lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Unterirdisch. Zwar ist zumindest die Optik von “India” toll – sie erstrahlt in bunten Farben und indischen Mustern – aber das ist auch schon das einzig gute. Die Steuerung ist immer noch unpräzise und nun auch noch überfrachtet. Die Animationen sind die gleichen wie im ersten Teil, man hat einfach “China” genommen und ein neues Skin drüber gepackt.

Dazu kommen die belanglosen Geschichten, unmotivierte und nuschelnde Sprecher, ein geradezu unfair hoher Schwierigkeitsgrad und überaus nerviges Leveldesign. Viele Aufgaben müssen unter Zeitdruck gelöst werden, und wer den exakt richtigen Weg nicht in dutzenden Durchläufen auf die Zehntelsekunde auswendig lernt, verliert. Jede Spielmechanik wird dutzendfach ausgeschlachtet, und wenn den Entwickler gar nichts mehr einfällt, dann finden sie einen Vorwand, um die ganze Ausrüstung und hart erarbeitete Skills der Spielfigur einzukassieren und so den Schwierigkeitsgrad nochmal nach oben zu schrauben. Das passiert dauernd, und in der Summe der addierten Frechheiten und Zumutungen ist man davon nur noch angenervt. Spiele, die überhaupt keinen Flow haben, deren Inszenierung und Präsentation niemandem vom Hocker hauen und die DANN noch unfair sind, machen einfach null Spaß. Sowas braucht kein Mensch. Auch nicht für die knapp zehn Euro, die Ubisoft für die jeweils ca. 5 Stunden dauernden Spielchen haben will. “China” kann man sich angucken, vom Rest sollte man die Finger lassen.

Firewatch [PS4]
Wyoming, 1989: Henry braucht eine Pause. Ausgebrannt von einem sehr persönlichen Drama übernimmt er für einen Sommer einen Feuerwachturm in einem Nationalpark. Dort ist er ganz allein, nur seine Chefin Delilah spricht mit ihm über Funk. Wenn er nicht auf seinem Turm sitzt und nach Feuern Ausschau hält, wandert Henry durch seinen Waldabschnitt oder quatscht mit Delilah.

“Firewatch” ist ein sehr ruhiges Spiel. Es gibt keine Actionmomemente, stattdessen baut es ganz auf die Dialoge von Henry und Delilah und die langsame Fortbewegung im Nationalpark. Von den Kritikern wird Firewatch als Indie-Meisterwerk abgefeiert, bei näherer Betrachtung weiß aber keiner so recht, warum. Die Grafik ist abstrakt und nicht halb so stimmig wie gepriesen, die Animationen ruckhaft, die Steuerung per Controller ein Grauen und die technische Umsetzung ist so mies optimiert, dass die PS4 dauernd mit hochdrehendem Lüfter läuft. Trotzdem ruckelt die Grafik an etlichen Stellen.

Die Dialoge sind gut geschrieben und vertont, aber meist sehr kurz und ohne große Entwicklung. Der Nationalpark, der zunächst riesige Offenheit suggeriert, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein Netz von Laufschläuchen mit harten Grenzen, die zudem erstaunlich leer sind. Hier lebt nichts, und abseits der Versorgungskisten gibt es auch nichts zu entdecken.

Die beiden größeren Storylines, denen Henry nachgehen kann, scheinen zwar spannend und motivieren zum Weiterspielen, sind dann aber doch beide äußerst dünn und ihre Auflösungen hingeschludert. Dazu kommt noch die nicht vorhandene Charakterentwicklung und die ultrakurze Spielzeit von 4 Stunden. Firewatch ist mit seinem Riesenteam und EA im Hintergrund weder Indie, noch ist es spielerisch eine Offenbarung. Es ist nicht mal ein gutes Spiel. Die einzige Erklärung, warum es gerade so abgefeiert wird: Es ist mit seiner Langsamkeit ein geradezu Zen-gleicher Kontrapunkt zu adrenalingetränkten Multiplayerspielen.
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Machen:
London!
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Neues Spielzeug:
Neue Ohrhörer, EM-JE041-MI Smile Jamaica Midnight von House of Marley. Billig, aber witzigerweise aus Holze, mit Textilkabel und gutem Klang.

smile house

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3 Gedanken zu „Momentaufnahme: Februar 2016

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