New Ride: ZZR 600

New Ride: ZZR 600

Irgendwann kommt im Leben eines jeden Motorradfahrers der Punkt, an dem er sich fragt: Ist der fahrbare Untersatz noch das richtige für mich? Er war es mal, vor Jahren, aber Zeiten ändern sich…

Die Antwort darauf hat etwas mit dem Rumgeteasere der letzten Tage hier im Blog zu tun. Die genervte Leserschaft erinnert sich an diese kryptischen Detailaufnahmen, die nur mit “Argento” (“Silbern”) betitelt waren:

Das sind Großaufnahmen von Teilen, die in der Summe das hier ergeben:

Aber der Reihe nach – wenn ich hier schon mit mysteriösen Andeutungen herumgeheimnisse, dann nerve ich wenigstens am Ende auch mit der ganzen Geschichte, so lang, schmutzig und ausführlich, dass es wieder niemand mehr liest.

Also: Die Tour durch den Harz hatte mir sehr deutlich die Grenzen meiner geliebten kleinen Honda CB 450N aufgezeigt. Der Gedanke “Eigentlich wäre was Neueres mal ganz nett” war geboren.

“Neuer” musste ja nicht heißen “Farbikneu”, aber doch neueren Datums als die fast 30 Jahre alte Honda.Die übrigens nur wieder in meinem Besitz ist, weil die wunderliebe Frau D., der ich sie vermacht hatte, sie mir überholt zurückgeschenkt hat, nachdem sie sich entschieden hatte, dass sie dauerhaft Motorrad fahren möchte und sich deshalb die Anschaffung einer neuen Maschine lohnt. – Dafür kann ich Frau D. gar nicht genug danken, denn nur dadurch bin ich, nach 10 Jahren Abstinenz, wieder zum Mototrradfahren gekommen! Wie sie neulich so richtig sagte: Unsere kleine Honda hat ihr und mir den Einstieg ins Motorradfahren bereitet, und nun mir den Wiedereinstieg.

Schönes Anfängermopped, leider etwas in die Jahre gekommen: Honda CB450N, 27 PS, 1984 in Brasilien gebaut.

Da ich keine Ahnung hatte, was man heutzutage so fährt, fragte ich im motorisierten Freundeskreis herum. Was könnte wohl zu mir passen? Eine Zephyr? Passt, aber ich hätte gerne was mit Verkleidung für Touren und die Reise. Dann vielleicht eine Honda Deauville? Wunderschönes Mopped, aber beim Probesitzen hatte ich das Gefühl, dass das nicht zu mir passt. Ein Sporttourer? Aber welcher? Die BMW F800 gefällt mir sehr, war aber selbst gebraucht deutlich außerhalb meines Budgets. Nach einigem Hin- und her landete ich bei der ZZR 600 von Kawasaki, einem Sportourer, der seit Anfang der 90er bis 2006 fast unverändert gebaut wurde und eine riesige Fangemeinde hat. Freund P. entdeckte dann im Internet eine nette Gebrauchte – Baujahr 2003, scheckheftgepflegt, mit fast neuem Motor, Reisekoffern und zu einem fantastischen Preis. Standort: Weit, weit weg.


So kam es, dass nur eine Woche nach dem initialen “Was neueres wäre mal ganz nett”-Gedanken Freund P. und ich zu haarsträubend früher Uhrzeit aufstanden, um im Kleinen Gelben AutoTM 350 km bis an die niederländische Grenze für eine kurze Probefahrt zu fahren.

Es war verdammt noch mal zu früh (5.00 Uhr), zu kalt (0 Grad) und zu naß (Nieselregen, Hagel, Schnee).

“Kurz” war in meinem Fall wörtlich zu nehmen. Ich war bis zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben kein Motorrad mit mehr als 27 PS gefahren, und vermutlich hatte die Honda am Ende real nur noch eine Leistung von 15 PS – jedenfalls war bei Tempo 110 Schluss, und bis sie da mal hinkam… naja.

Jedenfalls setzte ich mich nur einmal kurz auf die Kawa und zuckelte maximal im zweiten Gang einmal um den Block. Mehr wollte ich nicht, schlicht weil ich großen Respekt vor der brachialen Leistung der ZZR hatte und nicht plötzlich, durch einen unbedachten Dreh am Gasgriff, mit einem Wheelie an der nächsten Mauer landen wollte. Oder mit den dicken Reifen auf der feuchten Strassen wegrutschen. Oder einfach beim Aufsteigen gleich umfallen, weil die Kiste zu schwer ist. Oder was man sich halt noch so an Horrorszenarien ausmalen kann.

P., der seit Jahrzehnten Supersportler fährt, hat solche Berührungsängste natürlich nicht. Er machte daher die ausführliche Probefahrt und kehrte begeistert zurück. Und da ich beim ersten Aufsitzen das Gefühl hatte: “Ja, das passt! Wir kommen miteinander klar!” wurde ich mir mit dem Vorbesitzer auch schnell einig. Der hatte die Maschine wirklich geliebt, und war vielleicht auch ganz froh, das sie nun in einigermaßen vernünftige Hände kommt. Ich konnte mittlerweile die Augen kaum noch von ihr lassen. Die Farbe, dieses “Galaxy Silver”, ist einfach nur edel und sieht toll aus. Und in die weichen Formen der ZZR hatte ich mich regelrecht verguckt. Für mich ist sie einfach nur wunderschön.

Die neue gebrauchte ZZR im Licht der untergehenden Herbstsonne.

Die Woche nach der Besichtigung war endlos. Kurzzeitkennzeichen und Kleinkram waren schnell erledigt, dann folgte das nervige Warten auf den nächsten Samstag, der, sollte das Wetter OK sein, für die Überführung vorgesehen war. Als der endlich anbrach und auch noch schönes Wetter mitbrachte, kachelten Herr P. und ich wieder hinter Aachen und holten die große Kleine ab. P. fuhr sie noch bis zur Autobahn, dann übernahm ich und machte erste richtige Fahrversuche.

Der erste Eindruck: Trotz der Größe und dem ordentlichen Gewicht von 220 kg ist die ZZR sehr handlich. Bei herrlichem Herbstwetter und Sonneschein schossen wir über die Autobahn und durch die Berge des Sauerlands. Das die Temperaturen bei nur 12 Grad lagen, war durch die Verkleidung (die des Motorrads und meiner) nicht zu merken. Und als es doch etwas kühl an den Fingern wurde, durfte die Griffheizung zeigen was sie kann.

Die sechs Gänge sind so schnell durchgeschaltet, dass man sich ständig fragt, wo die eigentlich hin sind. Man kann das Bienchen auch recht schaltfaul fahren, der Antrieb zeigt sich erstaunlich flexibel. Nur weniger als 3.000 Touren mag sie nicht, dann fängt sie an zu ruckeln und zu schieben. Alles zwischen 3.000 und 8.000 (im sechsten Gang: 60 bis 160 km/h) ist denn auch kein Problem, die Maschine ist absolut handzahm und dabei flink, beschleunigt überaus rasant und bleibt dabei stets gut beherrschbar. Geht man aber noch etwas weiter, wird sie richtig bissig: Ab 8.800 Touren entfaltet sie die volle Leistung, der rote Bereich beginnt erst bei 14.000 Umdrehungen.

Dreht man innerhalb des Korridors zwischen 9 und 14K zu heftig am Gasgriff, hebt selbst bei Geschwindigkeiten weit über 100 der Vorderreifen ab und man muss aufpassen, nicht vom Sitz zu fallen. Mir persönlich liegt Leistungsband zu weit oben, aber es ist nett zu wissen, dass das ohnehin kraftvolle Motorrad in Notfällen noch unfassbare Reserven bereithält. Spitze fährt sie wohl 240, aber das ist etwas, was ich wohl nie austesten werde. Das Kleine Gelbe AutoTM kann solche Geschwindigkeiten auch locker erreichen, aber, mal ganz ehrlich: Alles über 200 ist mir unheimlich und sowieso viel zu anstrengend. Ich persönlich werde wohl er der Brot-und-Butter und Tourenfahrer bleiben, als der ich vor etlichen Jahren begonnen habe. Das ich aufgrund veränderten Arbeitsmaterials zum Raser mutiere, das ist recht unwahrscheinlich.

Diese Reserven sind es aber auch, wegen denen ich die Anschaffung als Investition in die eigene Sicherheit sehe. Für sich allein genommen sind Bremsen und Fahrwerk schon absolut überzeugende, weil sicherheitsrelevante, Argumente für einen Umstieg auf ein neues Motorrad. In letzter Zeit passierte es mir allerdings auch des öfteren, dass ich auf der Landstraße vor mir einen Oppa-mit-Hut hatte, der Gedankenverloren mit 60 vor sich hincruiste, aber in dem Moment, als ich ihn überholte, aufwachte und plötzlich beschleunigte. Wenn man dann mit einem schwachbrüstigen Mopped so Seite an Seite mit einem sadistischen Opel fährt und einfach nicht vorbeikommt, weil die eigen Kiste nicht mehr kann – dann ist das auch gefährlich. Diese Spielchen sind zum Glück jetzt Vergangenheit – die ZZR springt in weniger Zeit von 60 auf 160 als Opa braucht um auch nur “Blasenkapseln” zu denken.

So sehr ich mich auch über die neue Biene freue, so schwer fällt es mir jetzt, vernünftig zu sein. Im Spätherbst ein Motorrad zu ersteigern darf durchaus als taktischer Kauf durchgehen – immerhin sind jetzt, am Ende der Saison, die Preise niedriger. Allerdings bedeutet das auch, dass die Neuerwerbung jetzt gleich erst einmal in einer Tiefgarage eingelagert wurde und die nächsten vier Monate das Licht des Tages nicht erblicken wird.

Eingelagert: Honda und Kawasaki träumen, gut verstaut in einer unterirdischen Lagerhalle, dem Frühling entgegen. Dann wird die ZZR gefahren, die CB verkauft.

Ich werde den Winter dann wohl nutzen und von schönen Reiserouten träumen.
Das Warten wird mir sehr, sehr schwerfallen.

8 Gedanken zu „New Ride: ZZR 600

  1. ich hab auch lange und gern meine kawa geritten (gpz 500), und der umstieg auf was großes (600er fazer, umgebaut) war … beeindruckend. sie machen schon richtig spaß, die zweiräder! und kawas ganz besonders 😀

    leider war ja dieses jahr der sommer vom wetter her echt nicht so der reißer. da mochte ich nicht groß fahren (bin ein schröcklicher schönwetterfahrer geworden). aber der wunderbare herbst hat es für mich rumgerissen: da bin ich mehr moppi gefahren als im sommer 😉 einmotten ist also nicht uuuuunbedingt nötig. (aber sinnvoll, ich geb es ja zu. zumal es die letzten tage (hier in neufünfland zumindest) meistens wirklich kalt war!)

    übrigens: die opel-überhol-story hat mein blut in wallung gebracht – mit so einem rennen hat ein altherrenfahrer hier in der gegend letztlich eine junge frau totgefahren: beschleunigt und sie dann abgedrängt. ABGEDRÄNGT!! wie im wilden westen *schnauf* bei der gerichtsverhandlung hat er ausgesagt, er habe sie nicht gesehen. natürlich, ein auto neben sich SIEHT man nicht … (der braucht wohl eher einen blindenhund als einen führerschein …!) und was genau man – auch wenn man nix neben sich sieht – auf der spur des gegenverkehrs zu suchen hat, wird mir ebenfalls ewig ein rätsel bleiben.

    pass auf dich auf!

    linke hand zum gruß,

    frau hühnerschreck

  2. Hallo Frau Hühnerschreck und willkommen im Blog!
    Ja, Du hast recht, der Sommer war ein totalausfall – dafür konnte man März und September genießen. Einmotten halte ich auf jeden Fall für sinnvoll, wenn man den Platz hat. Das Kistchen an der Strasse stehen lassen ist ein No.go in der Stadt, und auf dem Dorf ist es – in Wintern wie dem letzten besonders – auch nicht der Haltbarkeit des Material zuträglich, wenn zwei Meter hoch Schnee liegen.

    Er hat sie ABGEDRÄNGT? Meine Güte! Ich glaube es nicht. Obwohl, wenn ich mir manche Zeitgenossen so angucke – insbesondere die Älteren Herren scheinen manchmal noch der Tradition des Frühschoppens anzuhängen. Und manche fahren noch, obwohl sie blind und taub sind und überhaupt keine Reflexe mehr haben. Da kann sowas schon passieren. Aus dem Grund bin ich auch für Tauglichkeitsprüfungen ab dem 70. Lebensjahr. Alle zwei Jahre zum Check, ob der Fahrer nochwas mitbekommt. as hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern einfach mit Sicherheit.

  3. Ist mir auch schleierhaft, warum es keine Tauglichkeitsprüfungen für den Straßenverkehr gibt. Warum muss ich mit 18 meinen Augen prüfen lassen und danach nie wieder?

    Beim Geräte-Tauchen brauche ich ab 40 jedes Jahr eine Tauchtauglichkeits-Untersuchung, ohne die bekomme ich nirgends mehr Flaschen, Gerät oder Guide. Und da gefährde ich im Gegensatz zum Straßenverkehr in erster Linie mich selbst…

  4. Ach Quatsch, früher haben sie bei uns auch noch den letzten halbtoten Bauern mit der Trage zur Wahlurne gekarrt, damit der auch ja das Kreuzlein an der richtigen Stelle machen kann. Bei ‘nem gut orgenisierten Ortsverein braucht kein Senior-CDU-Wähler den Führerschein.

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