Motorrad

Reisemotorrad 2024: Suzuki V-Strom 800

Ein nacktes Motorrad zu kaufen ist immer nur der Anfang! Motorisierte Zweiräder wollen individualisiert und auf die Vorlieben ihrer Besitzer angepasst werden – erst recht solche, mit denen es auf Reisen gehen soll. Nach zwölf Jahren Erfahrung mit langen Touren weiß ich mittlerweile sehr genau, was ich an einem reisetauglichen Motorrad benötige. Durch eine Kette von glücklichen Zufällen in Tateinheit mit starker Motivation ist nun binnen der Rekordzeit von nur vier Wochen die V-Strom 800 SE entstanden – „SE“ für „Silencer Edition“. Das kam so.

Vom überraschenden Kauf der V-Strom 800 hatte ich ja schon berichtet. Zwei Wochen später, also am 08. März, war es schon soweit: Die Barocca war abgemeldet und ihr Kennzeichen an die V-Strom 800 übergegangen, denn auf die „V137“ wollte ich nicht verzichten.

Hier drei Generationen des Kennzeichens: Links das erste, das beim Unfall 2017 zerstört wurde, in der Mitte dessen Ersatz, den die Barocca sechs Jahre lang trug, rechts die neue Version für die 800er.

Für ihre letzte Fahrt musste die 650er ein kuchenblechgroßes Überführungskennzeichen tragen. Was für eine Demütigung.

Die letzte Fahrt der Barocca führte in das Dorf hinter Kassel, wo der Suzuki-Händler wohnt. Dort wartete schon die 800er, abholbereit und zum guten Teil fertig umgebaut. Dass das jetzt überhaupt möglich war, war purer Zufall und wieder diesem genialen Händler zu verdanken, der schon auf irgendwelchen Wegen die 800er als eine der ersten in Deutschland beschafft hat.

Seit 13 Jahren gehe ich jetzt auf lange Motorradtouren und weiß, was ich in einem Motorrad brauche und was nicht. Meine bevorzugten Hersteller sind die Italiener von Givi oder die deutsche Firma SW-Motech. Ein paar Dinge haben sich als wirklich essentiell für mich herausgestellt, und dazu gehören:

  • Gepäckträger für Topcase oder Gepäckrolle
  • Seitenträger für Koffer
  • ordentlicher Sturzbügel
  • Handschutz
  • Motor- und Kühlerschutz

Nur: Das gab es alles noch nicht für die V-Strom 800, weil sie halt gerade erst auf den Markt gekommen ist. Allerdings brachte Suzuki im vergangenen Jahr schon die größere Geländeversion, die 800DE, heraus und vermutlich würden Teile, die für die gemacht sind, auch an die Straßenversion passen. Nur können das leider die Ausrüstungshersteller nicht ausprobieren, weil: Sie haben noch keine Testmaschinen.

Dieses Drama hatte der Suzukihändler mitbekommen, und er bot eine Lösung dafür an. „SW-Motech ist nicht weit weg, die sitzen hier umme Ecke. Und ich habe die in der Vergangenheit schon öfter mal mit Testmaschinen beliefert. Ich kenne die Ingenieure da und frage mal, was die meinen, ob das passt. Falls ja, lasse ich mir von denen mal ein Gepäcksystem kommen, und wenn es passt, haben die damit gleich ihr Testmopped“.

Zum mindestens dritten Mal hatte mich der Händler damit verblüfft – und der Gedanke, das MEINE V-Strom 800er das Testmodell für SW-Motech sein sollte, fand ich auch ziemlich cool.
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Kategorien: Motorrad, Reisen, Service, Sexy | 15 Kommentare

Motorradherbst Sardinien in 3:12 Minuten

Der ganze Motorradherbst im Video: Vom Dementor Basel über seltsame GS-Fahrer, deren Urlaub nur ein guter ist wenn es crasht, über Touren auf Sardinien, bis hin zu der Sache mit den Schafen. Nicht im Bewegtbild, nur im Text: Die schönste Frau Italiens, gruselige Anatomiemodelle, trippelnde Bäuerinnen und sechsjährige Geisterjäger.

Die gesamte Tour: 6.142 Kilometer, fast vier Wochen on the Road.

Strecken auf Sardinien:

Alle Reisetagebucheinträge:

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Reisetagebuch (10): Die Triftsperre

Motorradherbst mit der Barocca. Heute geht es nach Hause.

Freitag, 13. Oktober 2023
Frühstück im alten Gebäudeteil der Offiziersvilla, dann verabschiede ich mich von der Familie. Es dämmert gerade erst. Die V-Strom steht schon fertig gepackt vor dem Haus, und heute Morgen springt sie ohne Probleme an.

„Danke!“ stoße ich laut hervor, dann gebe ich Gas und lasse die Maschine über den geflasterten weg durch den Vorgarten des Restaurants rollen, fahre dann zügig durch das tiefe Kiesbett des Parkplatzes und ziehe schließlich auf die Bundesstraße, die an der Villa Maria Luigia vorbeiführt.

Es ist kühl, aber es regnet nicht, und das ist gut. Ich reihe mich in den Berufsverkehr ein, bis mir nach ungefähr zwei Minuten der Geduldsfaden reißt und ich die Barocca zwischen den Autos und LKW und dem Gegenverkehr vorbeimanövriere.

Nach zehn Kilometern wechsele ich auf die Autobahn. Das kostet Maut, aber alles ist besser als Berufsverkehr im Veneto.

Die Autobahn führt nach Westen, bis sie bei der Sternstadt Palmanova einen scharfen Knick nach Norden macht und an Udine vorbei in die Alpen führt. Greifvögel jagen über den Feldern und lassen sich von der Autobahn nicht stören.


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Review: Nolan N100-6 mit N-Com 902L „Series R“

Manchmal fügt sich alles. Die V-Strom 650 fing just an zu schwächeln, als es eine adäquate Nachfolgerin gab. Jetzt ist auch mein Helm, der Nolan N104 am Ende, und genau in dem Moment kommt der Enkel, der N100-6 auf den Markt. Kann der an die Qualitäten seines Großvaters anknüpfen? Oder versaut er es auf halber Strecke, wie der direkte Vorgänger N100-5?

Kurze Historie: Ich mag Klapphelme, und habe schon früh mit Helmen wie dem Caberg Unlimited (in Weinrot Metallic!) angefangen. Beim Wiedereinstieg in das Motorradfahren begann ich mit einem günstigen Nexo. Als klar war, dass ich beim Motorradfahren bleibe, wollte ich in einen hochwertigeren Klapphelm investieren, am Besten mit Bluetooth-Anbindung.

Schuberth fand ich toll, aber ach, die passen mir nicht gut. Ich habe keinen Schuberth-Kopf. Die Klapphelme des italienischen Herstellers Nolan kann ich dagegen blind kaufen, die passen immer und sitzen perfekt. Was ebenfalls passt: Die Ausstattung. Ich lege Wert auf ein Pinlock-Visier gegen Beschlag, eine Sonnenblende und eine Bluetooth-Verbindung zum Navi, und das bringt Nolan mit.

2012 fing es mit einem Nolan N90 an, eigentlich einem klassischen Kurzstrecken- oder Stadthelm. Die Reiselinie von Nolan war teurer, die konnte ich mir damals nicht leisten. Tourenhelme von Nolan haben ein besseres Innfutter, eine bessere Lüftung und tragen immer eine „Hundert“ im Namen.

2016 hatte ich genug gespart und der N90 wurde von einem N104 Tourenhelm abgelöst. Dessen Design mochte ich nie, aber er ist verhältnismäßig leise und insbesondere auf langen Touren und bei großer Hitze einfach sehr gut. Das darin verbaute Bluetooth-System B5L war zuverlässig und qualitativ ebenfalls in Ordnung.

2018 kam der Nachfolger des N104 auf den Markt, der N100-5. Der sah supercool aus, ich kaufte ihn sofort – und war enttäuscht. Der 100-5 ist bei aufrechter Sitzhaltung auf einem Reisemotorrad ganz schlimm laut, und Nolan hatte beim Material und besonders beim Innenfutter ordentlich gespart. Das optionale Bluetooth-System, das N-Com 901, war qualitativ so schlecht, dass es nicht lange auf dem Markt war, sondern schon nach kurzer Zeit verschämt und ohne viel Tamm-Tamm von einem Folgemodell abgelöst wurde.

Weil ich mit dem N100-5 keine langen Strecken fahren mochte, hielt ich den alten N104 am Leben. Der bekam mehrfach neue Innenfutter, und bei zwei Reisen in die Nolan-Werkstatt in Nürtingen wurden Dichtungen und Visiermechanik erneuert. Damit hielt er acht Jahre lang und bis heute, aber jetzt ist die Elektronik hinüber – abgesoffen bei der Fahrt zu CLS, nun lässt sie sich nicht mehr bedienen.

Das passierte aber genau in dem Moment, wo ich den brandneuen N100-6 schon zu Hause stehen hatte. Manchmal fügt sich halt alles.

Der 100-6 sieht auf den ersten Blick aus wie eine Evolution des N100-5, auf den zweiten wie eine Melange aus N100-5 und N104. Die Linienführung ist weniger kantig als beim direkten Vorgänger und wieder etwas runder, wie beim Opa.

Hier alle drei im Vergleich: Links der N104, in der Mitte der N100-5, rechts der neue N100-6:

Der N104 neben dem N100-6:

Der 100-5 neben dem 100-6:

Die Lufteinlässe des N100-6 recyceln das Design von Bedienelementen aus beiden Vorgängergenerationen, was teils keine gute Idee ist und teils schlecht umgesetzt.
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Reisetagbuch (9): Die Sache mit den Schafen

Sommertour mit der Barocca. Heute: Die Sache mit den Schafen.

Donnerstag, 12. Oktober 2023
Frühstück im alten Gebäude der Offiziersvilla, dann mache ich mich bereit für einen kleinen Ausflug.

Die V-Strom steht vor der Tür auf einer kleinen Terrasse. Gestern war Saras erste Frage, ohne das sie die Barocca hinterm Haus gesehen hätte: „Hast Du ein neues Motorrad?“

Bei der Frage verzieht sich automatisch mein Gesicht. Die fühlt sich nämlich immer ein wenig an wie „Hast du endlich eine neues Motorrad“ und als Konnotation schwingt mit, dass meine Motorräder immer alt wären und Probleme machen würden.

Das war nicht das erste Mal, dass sie das fragt, ein Mal folgte sogar der Nachsatz „Naja das alte ist doch immer kaputt“. Nun, ich mache hier, an der Küste vor Venedig, meist am Ende einer langen Tour Station, und dann war halt früher schon mal das ein oder andere im Argen. Das ist aber lange her…

Die ZZR hat sich ihrerzeit oft verkrüppelt hier her geschleppt, mal mit defektem Navi, mal mit kaputtem Tacho und ein Mal sogar mit einem auseinandergebrochenen Gepäckträger. Die V-Strom hatte 2017, als ich sie gerade gebraucht gekauft hatte, heftige Probleme mit der Kette.

Aber seitdem? Alles super! Deshalb reagiere ich auf diese „Hat Du ein neues Motorrad“-Frage etwas säuerlich. Ich brauche kein neues Motorrad, die V-Strom ist zuverlässig wie… nun, etwas SEHR zuverlässiges halt.

Außer heute morgen.

Ich stecke den Schlüssel ins Zündschloss und drehe ihn in Startposition. Die Scheinwerfer und die Lichter im Cockpit gehen an, ich drücke auf den Starter und der Anlasser beginnt zu orgeln.
Aber der Motor springt nicht an.
Hä?

Ich drehe den Zündschlüssel zurück und noch einmal auf die Startposition. Die Lichter gehen an, aber jetzt fällt mir auf, dass die Benzinpumpe kein Geräusch macht. Normalerweise höre ich die anlaufen, wenn die Zündung eingeschaltet wird und sie ein klein wenig Benzin zur Einspritzung fördert. Aber jetzt nicht, da tut sich gar nichts.

Ich drücke nochmal auf den Anlasser, wieder orgelt die V-Strom, wieder springt sie nicht an. Dafür beginnt die Motorleuchte wie verrückt zu blinken, und dann gibt langsam die Batterie auf.

Das kann doch nicht wahr sein! Was ist denn das hier? Eine selbst erfüllende Prophezeiung?! Aggressive Erdstrahlen? Das kann doch nicht sein, dass das Motorrad nicht mehr will, nur weil jemand rumgeunkt hat!

Nochmal schalte ich die Zündung aus und wieder ein, und JETZT höre ich die Benzinpumpe anlaufen, aber nun will der Anlasser nicht mehr nicht, weil nicht mehr genügend Strom da.

Ich mache alles aus, zähle still bis 30, dann schalte ich die Zündung nochmal ein und betätige noch einmal den Starter, und jetzt beginnt er wieder zu orgeln und dann springt endlich, nach mehreren endlosen Sekunden, auch der Motor an. UFF!

„Jag´ mir doch nicht so einen Schrecken ein!!!“, sage ich zur Barocca und schiebe in Gedanken hinterher „Das letzte Mal, als ein Mopped unzuverlässig wurde, was das seine letzte Reise mit mir“

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CLS EVO Plus an V-Strom 800

Ein Vor-osterlicher Mopedausflug nach Oberfranken, um die V-Strom 800 weiter auszurüsten. Kurz vor Coburg hat die Firma CLS ihren Sitz. Die Abkürzung steht für „Chain Lube System“, Kettenschmiersystem, und genau das und noch ein paar Dinge mehr werden dort in einem Manufakturbetrieb gebaut und vertrieben.

Die Idee bei so einem System ist, das sagt schon der Name, dass die Antriebskette automatisiert geschmiert und gereinigt wird, und sich der Fahrer wenig bis gar nicht um Kettenpflege kümmern muss.

Nun gibt es einige solcher Systeme auf dem Markt. Die billigsten sind Kettenöler wie der Cobra Nemo 2, bei dem man manuell Druck auf einen Öltank gibt, der dann ungeregelt und so lange, wie Druck da ist, Öl absondert. Das tut er allerdings auch im Stand, und vergisst man den Druckaufbau, gibt es gar kein Öl. Dieser Art von manuellen Systemen kann ich überhaupt nichts abgewinnen.

Der bekannteste Hersteller automatischer Systeme ist sicher Scottoiler. Die stellen auch die billigste Variante her, ein unterdruckgesteuertes System ohne Regelung, was schnell viel Schweinerei anrichtet. Ich hatte so eines an der ZZR, und die war regelmäßig mit Öltröpfchen eingesaut. Grund: Mit sich ändernder Außentemperatur variiert die Viskosität des Öls um bis zu 400%, und die abgegebene Menge ändert sich ständig. Entweder man regelt dann per Hand ständig die Durchflussmenge nach, wozu die Sitzbank runter muss, oder es gibt halt Öltröpfchen am ganzen Heck.

Sauberer und besser sind elektronische Varianten mit Pumpe, die über ein Display am Lenker reguliert werden können. Auch hier hat Scottoiler was am Start, wobei der „eScotti“ allerdings einen recht hohen Verbrauch hat.

Ebenfalls elektronisch arbeitet der McCoi-Kettenöler, quasi eine Open-Source-Variante. In einem Webshop kann man fertige Sets mit Bauteilen erwerben oder sich selbst alle Einzelteile, von der Platine über Gehäuse bis zum Schlauchstück, zusammenklicken und dann basteln. Eine sehr gute Alternative, wenn man genügend Zeit, Interesse und Können mitbringt.

Als ich 2017 die Barocca kaufte, bekam sie sofort ein elektronisches Kettenölsystem, aber keines der oben genannten Systeme. Sie bekam eines von CLS. Die deutsche Manufaktur designed und baut alle ihre Produkte im eigenen Haus. Die einzelnen Teile sind sehr wertig, Nacharbeit oder Rumfummeln nicht nötig.

Die Pumpe, die Höbelt erdacht und sein Ingenieur konstruiert hat.


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Reisetagebuch (8): Ghostbusters

Motorradherbst mit der Barocca. Heute mit Toskana und kleinen Fans der Geisterjäger.

Dienstag, 10. Oktober 2023, irgendwo im Orcia Tal
Erst am späten Vormittag schaffe ich es aus dem Bett. Ist aber egal, mich treibt niemand. Ich muss heute nirgendwo hin, ich muss nur zusehen, dass es mir gut geht. Sonne strahlt durch den Olivenhain vom dem Haus, und es ist herrlich einsam hier, in diesem alten Bauernhaus im Tal von Orcia.

Als mir danach ist, will ich mich auf´s Motorrad schwingen – und stelle fest, dass das mit einem klebstoffartigen Film überzogen ist. Ich hatte die Maschine gestern Abend unter einem Baum geparkt, und der sondert anscheinend klebrige Fäden ab, die sich in einer dicken Schicht auf die Barocca gelegt haben. Igitt!

Genervt hole ich einen Eimer mit warmem Wasser aus dem Appartment und beginne das Motorrad abzuputzen. Das tut ihr ohnehin ganz gut, immerhin trägt sie auch noch eine dicke Schicht aus Salz und Staub, die sich in den vergangenen Wochen angesammelt hat. Die salzige Luft hat auch dazu geführt, dass Aluteile weiß blühen und der Auspuff ein keckes Rouge aufgelegt hat. Warum können japanische Motorräder kein Salz ab? Japan ist doch ein Inselstaat, da hat es doch überall Salzluft!

Als das Motorrad soweit sauber ist, dass ich keine Angst haben muss am Sattel fest zu kleben, fahre ich durch das Orcia-Tal gen Norden. Die Landschaft sieht herbstlich entsättigt aus, aber einfach nur Motorrad fahren macht trotzdem Spaß.


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Reisetagebuch (7): Internationale Beziehung

Motorradherbst mit der Barocca. Heute mit einer Wirtschaftswunderstory, einer emotionalen Achterbahnfahrt und Postkartenidylle.

Montag, 09. Oktober 2023
Mitten in den Bergen in einer muckeligen Holzhütte einem warmen Bett aufwachen.
Noch ein wenig weiterdösen.
Als es hell wird vor die Blockhütte treten und einen Spaziergang durch den Sonnenaufgang machen.
Meine Güte, ist das schön.
Mir geht es gut.

Giulietta ist schon früh aufgestanden, bereits um kurz vor Sechs meine ich ihren Jeep Renegade gehört zu haben. Das „kleine Auto“ – zumindest wenn man als „normales“ Auto einen hausgroßen Dodge Ram fährt.

Jetzt, um kurz nach sieben, ist es nicht mal kühl. Fünfzehn Grad sind es noch, obwohl es schon Oktober ist und wir hier auf 1.000 Metern sind. Ich strolche um die Blockhütte herum und wandere ein Stück den Berg hinauf freue mich daran, wie das Sonnenlicht durch die Bäume schimmert. Was für ein wunderschöner Morgen!


Die Zimmer der Hütte haben alle einen Ausgang nach draußen und einen nach innen, zu einem großen, zentralen Raum mit Tischen und einer Küche. In diesem Gemeinschaftsraum werkelt heute Morgen Rosanna herum, die Gulietta mit dem Gastbetrieb hilft. Die Hälfte des Raumes wird von einer Küche eingenommen, in der ab elf Uhr Giulies Mama steht und den ganzen Tag und kocht oder Eis herstellt oder backt.
Oder sie backt.
Oder sie backt noch ein wenig mehr.

Die Ergebnisse türmen sich überall im Raum: Gläser mit Keksen, Platten mit Kuchen, Bleche mit Konfekt und Pizza, Körbchen mit Croissants und Schalen mit Plätzchen türmen sich auf dem Tresen, auf Beistelltischen und jeder verfügbaren Ablage.


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How to Organspende online fast

Kurzer Hinweis, weil es mir wichtig ist: Das Organspende-Register ist endlich online. 40% aller Deutschen haben einen Organspende-Ausweis. Das ist viel. Gleichzeitig sind wir eines der Länder mit den wenigsten Organspenden überhaupt. Wie passt das zusammen?

Gründe könnten sein, dass die verknickten und ausgeblichenen Pappkarten im Portemonnaie nicht gefunden werden, oder den Angehörigen der Spenderwunsch nicht bekannt war**.

Dagegen hilft nun dieses Zentrale Register. Der Eintrag ist in drei Minuten erledigt. Man braucht lediglich:

  1. Ein halbwegs aktuelles Smartphone mit NFC-Fähigkeit und der „Ausweis App 2“ drauf,
  2. Einen Personalausweis mit e-ID-Funktion und PIN
  3. Die Versichertennummer bei der Krankenkasse

Mit Handy und Person meldet man sich auf https://organspende-register.de/ an, gibt die Krankenkassennummer ein und wählt dann, ob man generell zur Spende bereit ist, oder nur bestimmte Teile von sich spenden möchte, oder auf keinen Fall spenden will.

Danach bekommt man eine ID, die man tunlichst wegspeichern sollte, denn nur mit der kann man seinen Willen noch einmal ändern.

Das Ganze hat mich drei Minuten gekostet und ist eine gute Sache.

https://organspende-register.de

** Nachtrag: Ein wesentlicher Grund ist wohl auch, dass in den Krankenhäusern oft nicht die Zeit und das Personal für Organentnahme vorhanden ist: Link (Danke, Uleika)

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Reisetagebuch (6): Wahre Schönheit

Motorradherbst mit der Barocca . Heute geht es zurück auf´s Festland, und ich entdecke wahre Schönheit und bin glücklich.

Samstag, 07. Oktober 2023
Meine Sachen habe ich gestern Abend schon gepackt, heute morgen brauche ich nur noch die Koffer an das Motorrad klippen und ein letztes Mal den Bungalow ausfegen. Ich blicke noch einmal in die kleine Küche, dann seufze ich und ziehe die Tür hinter mir zu.

Das waren jetzt also 14 Tage auf Sardinien, heute geht es zurück auf´s Festland.

Porto Torres, der Abfahrtshafen, liegt ganz im Norden der Insel, ich bin gerade noch im mittleren Osten. Das ist aber kein Problem – selbst mit den irren Umwegen, die ich heute fahren werden, bin ich in fünf Stunden dort, und das Schiff wird erst heute Abend fahren.

Darum gehe ich es gaaaanz gemütlich an. Von Bari Sardo aus dödele ich durch das Hinterland der Ogliastra und dann nach Norden, bis zum Hafenort Arbatax. Hier bestaune ich die roten Klippen, für die der Ort so bekannt ist.


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Kategorien: Motorrad, Reisen | Ein Kommentar

Bye, Barocca.

Abschied von einem außergewöhnlichen Motorrad. Ein Rückblick auf meine Zeit mit der Barocca

2016: Nach fünf Jahren Reisen mit dem Motorrad war mir klar: Das wollte ich unbedingt weiterhin machen. Aber nicht mehr mit der ZZR 600, der Tourensportlerin von Kawasaki. Die war immer öfter an ihr Limit gestoßen: Mal bedingt durch ihre Bauform, die nunmal ausschließlich für gute Straßen gemacht war, zuletzt aber auch dadurch, dass die Maschine mit 13 Jahren und 90.000 Kilometern einfach wegzubröseln begann und unzuverlässig wurde. Es musste etwas anderes her.

Das Schicksal führte mich zu einem Motorrad, das mir vorher schon aufgefallen war, wegen seines markanten Äußeren: Einer Suzuki DL 650 „V-Strom“. Zusätzlich lag mir noch Albrecht in den Ohren, ich solle mir die doch mal ansehen – denn zufälligerweise war die V-Strom 650 seine Lieblingsmaschine.

Ich fand eine DL 650 bei einem Händler in der Nähe. Gebraucht. Eine ziemlich einzigartige Maschine: Schwarz. De-branded um die albernen Aufkleberchen. Sechs Jahre alt, mit 35.000 Kilometern auf der Uhr und reichlich Zubehör.

Ich setzte mich darauf und wusste: Die ist es. Zwar war das riesige, zwei Meter neunundzwanzig lange Motorrad eigentlich viel zu groß für mich, aber ich wusste sofort: Das ist die richtige! Nach einer kurzen Probefahrt kaufte ich sie im Februar 2017 für rund 4.500 Euro.

Binnen kürzester Zeit, in nur vier Wochen, bekam die V-Strom eine Tieferlegung, einen CLS-Kettenöler und einen ordentlichen Sturzbügel. Gepäcksystem und Heizgriffe hatte sie schon. „This Girl ist going Places!“ verkündete ich damals stolz, hatte aber auch Bedenken: Ob die „alte“ noch zuverlässig sein würde?

Stellte sich raus: Absolut! Von 2017 bis 2023 waren wir zusammen auf den Straßen Europas unterwegs, in Summe fast 75.000 Kilometer. Vom hohen Norden der schottischen Highlands bis zum südlichsten Zipfel Griechenlands. Die V-Strom hat mich dabei nie im Stich gelassen.

Wir sind den Hardknott-Pass gefahren, den steilsten Straßenpass in Europa, genau wie den Gotthard, den Furka, das Timmelsjoch und wer weiß was noch an Pässen. Wir waren in der Wüste der Basilicata unterwegs, sind auf den Olymp gefahren und um die Meteora-Felsen und um Stonehenge gekurvt. Egal wann, egal wo: Die V-Strom war immer zuverlässig.

This Girl went places!

Dabei hatten wir einen nicht ganz einfachen Start. Bei unserer allerersten gemeinsamen Reisefahrt fuhr nach dem ersten Tankstopp ein am Handy spielender Autofahrer ins Heck der Maschine und schubste sie mitten in einen Kreisel.

Die Folge: Gepäckträger kaputt und Lenker verbogen. Keine Urlaubsreise, Heimfahrt mit dem ADAC, drei Monate Werkstatt (weil der Unfallgegner seine Versicherung nicht in Kenntnis setzte).

Die erste richtige Fahrt fand dann im September 2017 statt, erstmal ganz vorsichtig und nur nach Italien, und die Reise war… grauenvoll.

Die Kette hatte vorher noch gut ausgesehen, war aber wohl schlicht vom Händler auf Hochglanz poliert worden. In Wirklichkeit war das wohl noch die Erstausstattung, mit 35.000 Kilometern auf der Uhr und völlig fertig. Die Folge: Nach der ersten Regenfahrt über die Alpen war die völlig verrostet und hatte sich ungleichmäßig gelängt. Dadurch hoppelte das Motorrad auf´s Unangenehmste vor sich hin, und ich schob Bedenken, ob das alte Kettending nicht reisst und den Motorblock zerhaut.

Wir kamen noch bis nach Hause, und ich investierte in eine neue Kette und bessere Reifen, sowie eine handgemachte Sitzbank für die „Barocca“. Einen Namen hatte sie sich redlich verdient, und dieser war ihr mittlerweile zugeflogen. Man gibt Motorrädern keine Namen; die Namen finden die Motorräder.

Was außerdem umgebaut wurde: Die Scheibe. Luftwirbel sind bei einer V-Strom immer ein Problem, und ich importierte einen verstellbaren Madstad-Scheibenhalter aus den USA und setzte da eine kurze Powerbronze-Scheibe (später eine Standard-MRA-Scheibe) drauf. Luftwirbel waren ab dem Moment kein Thema mehr.

Nachdem wirklich alle Verschleißteile neu und die Luftwirbel Geschichte waren, war Reisen mit der V-Strom die pure Lust.

Die große Maschine ließ sich leichter in den Kurven handlen als die ZZR, und durch die aufrechte Sitzhaltung und die tolle Sitzbank konnte ich zehn bis zwölf Stunden im Sattel bleiben. Insgesamt drei Mal bin ich die 1.065 Km lange Strecke Venedig – Göttingen non-stop gefahren.

Ein bequemes, leicht zu handelndes und zuverlässiges Motorrad macht natürlich Lust auf mehr: Noch weitere Reisen, mehr Erkundung, abseitigere Tourenziele.

Und wo wir überall waren! Viel natürlich in Italien, das die Barocca nicht nur einmal komplett umrundete, sie ist dort jede auch nur halbwegs relevante Straße gefahren (und ganz viele, die sich auf keiner Karte finden).

Barocca am Ring von Nardo.

Es gab aber auch Touren nach und durch Frankreich, Österreich, die Schweiz, Tschechien, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Griechenland, Niederlande, Belgien, England, Schottland, Wales und Irland.

Auf diesen Touren habe ich die tollsten Orte gemeinsam mit der DL 650 entdeckt. Von der Twin-Peaksesken Forellenhütte in den Bergen über das platte Land Apuliens, den Stadtverkehr von Dubrovnik, Lost Places, Geisterstädte, Clarksons Farm oder Skyfall.

Barocca am Glen Etive, dem Drehort von Skyfall.

In den letzten drei Jahren wurde die Ziele richtig abgelegen, und deshalb kamen immer mehr Fährüberfahrten zu den Motorradreisen hinzu. Insgesamt zehn Schiffspassagen hat die Maschine in nur drei Jahren mitgemacht.

Dank meines speziellen Orientierungssinns haben wir auch an tollen Orten verfahren, meist in den Gassen von Bergdörfern oder auf abgelegenen Waldwegen. Manchmal auch unter der Landschaft, zum Beispiel unter einem Marmorberg in Carrara.

Ja, dieses Mädchen ist wirklich an Orte gelangt.

Manche verspotten Reisemotorräder ja als „SUVs unter den Motorrädern“, aber das ist Quatsch. Man darf halt nicht den Fehler machen den Marketingabteilungen auf den Leim zu gehen, die Maschinen wie die V-Strom als „Reiseenduro“ oder „Adventureenduro“ vermarkten. Das ist grob irreführend, denn mit Enduro ist hier nix – dafür sind die Maschinen zu groß und zu schwer. Nein, Maschinen dieser Klasse ziehen ihre Daseinsberechtigung aus der Tatsache, dass sie extrem ergonomisch und vielseitig umrüstbar sind und viel tragen können.

Die Motorisierung der DL 650 L0 ist mit 69 PS nicht gerade üppig, aber für ein Reisemotorrad völlig ausreichend. Reisemotorräder fahren meistens keine Sprints, die fahren Marathons.

Der kleine Motor nervt zwar mit einem rauen Lauf, aber er ist sehr sparsam: Der geringe Verbrauch von um die vier Litern ermöglicht in Kombination mit dem Tankvolumen von 22 Litern eine maximale Reichweite von 550 Kilometern! Das auszufahren war tatsächlich auch schon mal nötig, als wir in Frankreich unterwegs waren und dem Land das Benzin ausgeging. Da ist Sparsamkeit eine Qualität, die man sehr schnell zu schätzen lernt.

Schätzen lernte ich auch das ABS. Auch wenn die Bremsen der V-Strom notorisch schwammig sind, in Kombination mit dem ABS hatte ich nie Probleme. Die Tourance Next (und später Tourance Next II)-Reifen sorgten für ungeheure Klebekraft selbst bei Regen, und hielten bis zu 14.000 Kilometer.

Das Setup der Barocca war, nach den anfänglichen Schwierigkeiten, nahezu perfekt. 2019 kamen lediglich noch ein starker Barkbusters-Handschutz, ein Unterfahrschutz von Marselus und ein Kühlerschutz hinzu. Die Barocca war damit rundum gepanzert, und fortan machten ihr Ausritte durch Wälder, fliegende Steinchen und unbefestigte Straßen überhaupt nichts mehr aus.

Weite Strecken verschleißen ein Motorrad. Vor zwei Jahren standen dann gleichzeitig viele Wartungsarbeiten an. Bremsscheiben, Ölschläuche und -kühler, Gabel, Rad- und Lenkkopflager… alles musste neu, und ich stand vor der Entscheidung: Mehrere Tausend Euro in Instandhaltung investieren? Oder eine andere Maschine kaufen?

Nach einigen Probefahrten und Überlegungen fiel die Entscheidung letztlich leicht. Eine wirklich bessere Nachfolgerin gab es zu dem Zeitpunkt nicht, und die vielen gemeinsamen Erlebnisse verbinden auch irgendwie. Also ließ ich die Barocca in 2021 bei Kilometerstand 82.000 generalüberholen, und wir legten weitere 25.000 Kilometer zusammen zurück.

In der Rückschau sind nur drei Dinge mit der Barocca wirklich dumm gelaufen:

  1. Die Sache mit der Kette, wo aber niemand etwas für konnte (vor Abfahrt hatten zwei Werkstätten gemeint, die würde noch taugen)

  2. Die beiden Fahrten mit dem ADAC – ein Mal nach dem Unfall unmittelbar nach dem Kauf und ein mal nach der Reifenpanne zwischen Siena und Florenz (wo aber die V-Strom nichts für konnte) und

3.Die Idee, die DL650 tieferlegen zu lassen. Das war Quatsch. Durch die Tieferlegung kam ich zwar prima mit den Füßen an den Boden, aber dadurch war der Hauptständer unbrauchbar und sie setzte in Kurven und bei Bodenwellen superschnell auf. Nach zwei Jahren baute ich die Tieferlegung entnervt wieder aus und kam seither auch ohne sehr gut zurecht.

Jetzt, in ihrem 13. Lebensjahr und dem sechsten Jahr mit mir, steht meine DL 650 immer noch perfekt da. Ich hatte, abgesehen vom Abschuss gleich am Anfang, keinen Unfall und lediglich zwei Umfaller, die aber keine Spuren hinterlassen haben.

Die Maschine sieht optisch immer noch genauso gut aus, wie in dem Moment, als ich sie übernommen habe. Da ist keine Beule hinzugekommen, kein neuer Kratzer, und technisch ist auch alles perfekt: Da tropft kein Öl, da eiert oder quietscht nichts. Die Barocca läuft einfach.

Aber nun ist eine bessere Nachfolgerin da, und ich habe auch Lust auf etwas anders. Deshalb ist die Barocca jetzt beim Händler verblieben. Der verkauft sie im Kundenauftrag, ich habe nämlich weder Zeit für noch Lust auf einen Privatverkauf.

Ich werde also nicht mal mitbekommen, in welche Hände sie nun gerät und was aus ihr werden wird. Das schmerzt ein wenig, aber ich denke gerade: Wir hatten eine tolle, gemeinsame Zeit. Für jede Minute davon danke ich der V-Strom. Sie hat meine Welt sehr viel größer gemacht, denn mit ihr bin natürlich auch ich an Orte gelangt, die ich ohne sie nie erreicht hätte.

Aber nun gehen wir getrennte Wege.

Ich wünsche der Barocca auf jeden Fall alles Gute, und hoffentlich noch ein langes Leben in guten Händen.

P.S.: Sie ist nach Polen gegangen. Entweder, sie wird dort als Ersatzteilspenderin ausgeschlachtet oder, was in Anbetracht des erstklassigen Zustands wahrscheinlicher ist, weiterverkauft. Kommentar des Vermittlers: „Würde mich nicht wundern, wenn die wieder auf dem deutschen Markt auftaucht – mit 30.000 km auf dem Tacho“. Nunja.

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Reisetagebuch (5): Die anatomischen Wachsmodelle des Clemente Susini

Motorradherbst mit der Barocca auf Sardinien. Achtung: Heute gibt´s Innereien und Geschlechtsteile.

Sonntag, 01. Oktober 2023, Bari Sardo
Um kurz nach 08:00 Uhr sitze ich schon im Sattel der V-Strom und fahre mit ihr auf der Landstraße SS125 gen Süden. Es ist kühl, gerade mal 12 Grad, und Morgennebel hängt in den Bergen rechts und links der Straße.

Es ist das erste mal seit…. wieviel Tagen? Das ich wieder ernsthaft Motorrad fahre. Mir war einfach nicht danach. Am Strand liegen oder auf der Veranda sitzen und lesen oder schlafen, das habe ich hinbekommen. Motorradtouren ins Umland, um Sardinien zu erkunden? Eher nicht. Da sind mir auch zu viele andere Motorradfahrer unterwegs.

Nach rund zwei Stunden bin ich in Cagliari, der großen Hafenstadt im Süden Sardiniens, und steuere das Motorrad einen Berg hinauf, der nur aus übereinandergestapelten Gebäuden zu bestehen scheint. Das ist die Altstadt von Cagliari, die so vertikal ist, dass sie teils über Aufzüge miteinander verbunden ist.

Auf dem Berg liegt die alte Zitadelle, die in ihren Burgmauern Teile der Universität von Cagliari beherbergt.

Eine ampelgeregelte Einbahnstraße führt mitten durch die Burg, und am Rand dieser Straße gibt es einen Motorradparkplatz, auf dem die V-Strom – wie schon im vergangenen Jahr – einen Platz findet.

Im vergangenen Jahr war ich hier, weil ich eine ganz spezielle Ausstellung sehen wollte. Die war aber dummerweise geschlossen, und im Nachgang wendete ich mich an den Ausstellungsleiter, einen hochrangigen Dottore der Universität, um ihn zu fragen, ob das dauerhaft sei.

Zu meinem Erstaunen antwortete der Mann tatsächlich und beteuerte, dass die Schließung nur temporär sei, bedauerte, dass ich vor verschlossener Tür stand und bot an, mich persönlich durch die Ausstellung zu führen, wenn mich mein Weg noch einmal nach Cagliari führen sollte. Das meinte er auch wirklich ernst, als ich mich vor einigen Wochen wieder meldete, erinnerte er sich an das Versprechen und bot an, es einzulösen.

Dass das nun doch nichts wird, liegt allein an mir – gestern war lange Nacht der Museen in Cagliari, und der Dottore hat bis um zwei Uhr morgens gearbeitet. Hätte ich mir nicht ausgerechnet diesen Sonntag am frühen Morgen ausgesucht, hätte er sein Versprechen wahr gemacht. Dafür nochmal ein dickes Dankeschön.

So trete ich allein durch das Tor der Zitadelle, und dieses Mal ist die Tür zum anatomischen Institut nicht verschlossen.

An der Tür hängt eine Warnung: „Ausstellungsstücke können empfindsame Personen schockieren“.

Dies Warnung gilt auch für diesen Text und die folgenden Bilder!

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Frühling! Saisonstart 2024

Höret und preiset das Frühlingswiesel!
Das Frühlingswiesel sorgt dafür, dass auch in diesem Jahr wieder Frühling ist!
Hiermit verkündet es den Beginn der Motorradsaison!
Der Winter war lang und kalt und dunkel, aber nun macht das Wiesel Frühling und gutes Wetter, dass es nur so kracht!
Passt auf Eure morschen Knochen auf, fahrt vorsichtig und huldigt dem Frühlingswiesel!

Ein seltsam zerfrettelter Saisonstart in diesem Jahr. Die ZZR pennt noch, aber die V-Strom wurde schon am 18.02. ausgewintert – damit ist dieser Tag der offizielle Saisonstart gewesen. Allerdings war es erst an diesem Wochenende so richtig warm und sonnig, und jetzt, endlich, ist auch das Frühlingswiesel aufgewacht, hat sich den Schlaf aus den Augen gerieben und den offiziellen Teil proklamiert.

Ich bin gestern mit der Barocca noch einmal 50 Kilometer rund um Göttingen gefahren. Wenn alles klappt, dann war das unsere letzte gemeinsame Fahrt. Ich habe versucht, mir noch einmal alles genau einzuprägen – wie ich auf ihr sitze, wie sie sich anhört, wie sie sich fährt.

Später wurde sie noch einmal ordentlich geputzt und poliert, und dann kamen die letzten Zusatzteile runter, wie der Topcaseträger.

Kann mich noch gut dran erinnern, wie ich den angebaut habe. Ist fast auf den Tag genau sieben Jahre her. Hier kann man sehen, wie sie damals aussah – und ich habe sie nicht kaputt gefahren! Aber mehr dazu in einer eigenen Würdigung.

Saisonstart heißt auch: Nach einem halben Jahr Pause muss man sich als Fahrer erst wieder an die Physik eines Moppeds gewöhnen. Langsam rantasten, nicht gleich auf der letzten Rille heizen. Vorausschauend fahren.

Für Autofahrer bedeutet das: Augen doppelt offen halten. Zweiräder sind wieder unterwegs, und mit ihrem Fehlverhalten ist zu rechnen – die Schergen sind zum Teil noch so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass man doppelt aufpassen muss. Achja, und blinken, blinken ist auch gut. Das gilt für alle.

Ich wünsche allen eine unfallfreie Saison!

Ich starte mit folgenden Kilometerständen:

Kawasaki ZZR600 Renaissance: 96.477
Suzuki DL650 V-Strom Barocca: 108.607

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Reisetagebuch (4): Sardegna!

Motorradherbst mit der Barocca. Heute passiert nichts – außer vielleicht Kuchen. Außerdem verliert die Pica jeglichen Kontakt, und ich entdecke China City.

Freitag, 22. September 2023, Fähre Allegra, vor der Küste Sardiniens
Die Nacht war unruhig. Die Allegra ist nach dem Ablegen durch das Unwetter vor der ligurischen Küste gefahren, und der Sturm hat selbst das große Schiff ordentlich ins Schaukeln und Rollen gebracht.

Um 07:15 Uhr kommt die Durchsage, dass man bis in einer halben Stunde die Kabinen geräumt haben solle, das Anlegen aber erst um kurz nach 09:00 Uhr und damit eine Stunde später als geplant erfolgen wird. Ich stehe an der Reling und sehe einer der knallbunten Comicfähren von Tyrrenhia zu, die sich mit der Allegra ein Rennen zu liefern scheint.

Warten. Langweilen.

Um Viertel nach Neun werden endlich die Treppen freigegeben, aber anscheinend nur für Parkdeck 3 – ich verstehe die Durchsage nicht ganz, und als ich auf Deck 4 aus dem Treppenhaus latsche, muss ich mich prompt vom Deckspersonal anranzen lassen, das ich hier noch nichts zu suchen habe. Gerade werden die Spanngurte von den Motorrädern entfernt.

Ich drücke mich im Treppenaufgang rum, bis auch Deck 4 freigegeben wird, dann gehe ich zur V-Strom. Die hat die Überfahrt gut überstanden.

Thomas, der neonfarbene GS-Fahrer, steht schon bei seinem Motorrad. „So spät?“, fragt er und grinst. Der ist viel zu gut gelaunt für so früh am Morgen. „War der erste, wurde rausgeschmissen“, grummele ich und wünsche ihm schon mal eine gute Fahrt. Er weiß nicht, dass wir an unserem Ferienort quasi eine Straße auseinander wohnen und uns mit Sicherheit wieder sehen werden.

Anna bootet hoch, das Smartphone hat auch wieder Empfang, und eine Textnachricht rollt herein: „Du kannst kommen, alles bereit“. Nun habe ich gute Laune. Die Nachricht besagt, dass ich nicht den halben Tag irgendwo abhängen muss, sondern direkt die Unterkunft anfahren kann.

Das Ausladen geht ohne Probleme. Ich kenne Porto Torres schon, und folge deshalb nicht der Menge der anderen Fahrzeuge in Richtung Ortsausgang. Die produzieren am ersten Kreisel nämlich schon veritable Staus. Nein, ich gebe Gas, folge der Hafenstraße in den Ort hinein, treibe die V-Strom dann durch ein Gewirr steiler Einbahnstraßen und bin auf diese Weise schneller aus Porto Torres raus als über die Umgehungsstraße.

Die Suzuki heizt über die Landstraße. Zumindest würde ich gerne heizen, aber alle paar Kilometer steht eine Baustellenampel. Hier wird überall Glasfaser verlegt, aber nicht am Stück, sondern längs der Straße überall gleichzeitig – und jede der Dutzenden Baustellen hat eine eigene Ampel. Immerhin: Es wird auch an jeder Baustelle gearbeitet! Breitbandausbau nimmt man hier wohl ernst – anders als in Deutschland, gerade hat mein Heimatlandkreis den Glasfaserausbau wieder eingestellt. Zu teuer.

Nach acht Ampeln bin ich endlich in dem kleinen Küstenort La Ciaccia, und die Barocca rollt auf den Parkplatz von Gli Ulivi, dem kleinen Apartmenthaus am Meer. Hier war ich im letzten Jahr schon, und hier wollte ich unbedingt wieder hin.


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New Ride: Suzuki V-Strom 800 (2024)

Herr Silencer fährt eine V-Strom 800 (ohne DE) Probe, unerwartete Optionen tun sich auf, es wird gehadert und am Ende steht die Frage, ob sieben Jahre Vorbereitung ausreichen, um spontan zu sein.

Der 9. Oktober 2023 war ein ganz besonderer Tag. Ich donnerte gerade mit der Barocca und ziemlich schlechter Laune die Berge nach Levanto hinunter, als Lukra mit einer Eilmeldung um die Ecke kam: Suzuki hatte die V-Strom 800 vorgestellt!

Das Geländemodell 800DE hatte ich im August Probe gefahren. Fazit am Ende war: Feines Motorrad, aber nicht mein Motorrad. Für mich ist die 800DE einen Tucken zu hoch um komfortabel rangieren zu können, und ab Werk bringt sie Firlefanz mit, den ich nicht brauche oder möchte. Also wartete ich weiter, in der Hoffnung, dass Suzuki vielleicht noch eine Straßenversion mit niedrigerem Fahrwerk nachschieben würde.

Warten kann ich nicht gut, mache ich in diesem speziellen Fall aber schon seit Jahren. Als ich die Barocca, die V-Strom 650, 2017 gebraucht kaufte, rechnete ich mir aus, dass ich sie fünf Jahre fahren und Ende 2021, mit knapp unter 90.000 Kilometern, verkaufen würde. Dann, so der Gedanke, müsste eine geeignete Nachfolgerin am Markt sein. Also begann ich ab 2017 schon mal Geld für eine Neue zurückzulegen.

2021 kam und ging, und bei Suzuki passierte: Nüscht. Auch 2022 nicht, und nun fuhr ich mal eine 650er von 2017 und auch die neue 1050er Probe und stellte fest: Beide gut. Aber die 650er war exakt so wie meine alte, im Guten wie im Schlechten, die 1050 war anders, aber nicht besser und dafür sehr viel teurer.

2023 kam dann ENDLICH eine komplett neue V-Strom, eine 800er „Dual Explorer“. Mit mehr Bumms, besseren Bremsen, ordentlichem Fahrwerk, zeitgemäßer Elektronik und tollem Motor, aber eben auf Pseudo-Enduro getrimmt und in vielen Details für mich nicht passend.

Und nun, an diesem 9. Oktober in Ligurien, endlich die Nachricht: Suzuki baut exakt mein Wunschmotorrad! Eine V-Strom mit 800 Kubikzentimetern, aber ohne Mumpitz dran. Angeblich sollte sie schon ab November bei den Händlern verfügbar sein.

Händlersuche

Kurze Nachfrage bei der Händlerin, über die ich mich in der Vergangenheit schon mehrfach geärgert habe. Ihre Auskunft: „Vorführer haben wir vielleicht so im Juni, Juli. Also, vielleicht“. Aha.

Um Göttingen herum ist im Umkreis von 70 Kilometern Suzuki-Händler-freie Zone. Der nächstgelegene sitzt auf einem Dorf irgendwo hinter Kassel. Den mal kontaktiert und binnen Stunden eine Antwort bekommen: „Vorführer ist bestellt, kommt im
November, ich sage ihnen Bescheid“. Hossa, nicht nur die Mailkommunikation klappte bei dem, er schien sogar ernsthaft Motorräder verkaufen zu wollen!

Der November verstrich, dann der Dezember, dann der Januar. Mitte Februar dann die Nachricht: Vorführer käme erst Anfang März, Auslieferung hatte sich verzögert, und nun musste das Transportschiff wegen der Angriffe der Huthi-Rebellen um Afrika herumfahren, und deswegen dauerte alles noch länger.

Ob man mir denn eine Maschine reservieren könnte? Ich war mir ja zu 90% sicher, dass ich eine V-Strom 800 möchte, aber ich kann doch nicht blind ein Motorrad kaufen, auf dem ich noch nie gesessen habe.

„Leider nein“, so die Antwort, immerhin hätten exakt das schon viele Käufer getan: Blind bestellt. Die Erstauflage sei quasi schon vergriffen, und aktuell könne man die V-Strom 800 eher versteigern als das man Reservierungen machen würde, die seien nicht attraktiv. Er könne da leider nichts für mich tun.

Tja, doof für mich, aber ich habe natürlich auch Verständnis für den Händler. Wir haben uns dann noch ca. 10 Minuten gut am Telefon unterhalten, über dies und das, Motorradreisen, die Straßen im Vercors, die Eigenheiten von Suzuki, und uns dann freundlich verabschiedet.

Also keine V-Strom 800 für mich in diesem Frühjahr. Aber vielleicht im Herbst. Seufz.

Zehn Minuten später klingelte noch einmal das Telefon. „Ich brauche mal ihre Adresse und Telefonnummer“, sagte der Suzuki-Händler. „Ich kann eine bekommen, aus dem Europa-Kontingent. Die kaufe ich jetzt, und wenn Sie die nehmen ist gut, wenn nicht, werde ich die irgendwie anders los. Die kommt vielleicht schon Ende April“. Große Freude und Entzücken auf meiner Seite, vor allem über die Mühe, die sich der Händler gab.

Probefahrt

Knapp eine Woche später ein Anruf: Überraschung, eine Probefahrt sei doch bereits jetzt möglich. Ich also die DL650 gesattelt und die 70 Kilometer bis zum Händler gegurkt, und hier bin ich jetzt.

Das Geschäft ist in einem Wohnhaus, mitten im Dorf. Das ist gut, ich mag solche Läden lieber als Neubauten in Gewerbegebieten. Diese Läden sind meist noch vom alten Schlag und geben sich, meiner Erfahrung nach, viel Mühe.

Ersteindruck: Auch der Händler ist vom alten Schlag, Mitte sechzig, leicht brummelig, aber sehr freundlich und im Herzen Moppedfahrer vor dem Herrn. Hat selbst seine Tiger gegen eine V-Strom 800DE eingetauscht. Sympathisch.

Als wir um die Ecke biegen, steht da schon eine nachtschwarze V-Strom 800, und ich bin ich erst einmal erstaunt.

„Wollten sie ihren Vorführer nicht in grün?“, frage ich beim Anblick der Maschine. „Jo, aber der kommt ja erst in drei Wochen“, brummelt der Suzukihändler, „Sie wollten ja schwarz, und das hier ist IHRE.“

WHAT?

„Ja, Suzuki bedient aktuell erstmal Kundenbestellungen, dann die Vorführermaschinen, dann die Händlerkontingente und danach erst die Lager“, erklärt der Händler und wringt dabei die Hände. „Diese hier war schon in Europa, und ich habe die quasi für Sie bestellt, und jetzt ist sie hier und wenn sie die nicht wollen – ok, dann hab halt ich ein Problem“.

„Also, nur damit ich das wirklich richtig verstehe: Falls mir die hier jetzt gefällt, dann kann ich die quasi gleich mitnehmen!?“, stammele ich. Der Händler grinst. „Im Prinzip: Ja. Das ist ihre.“
Uff. Ich bin ein wenig baff. Das ist eine völlig unerwartete Option.

„Hi. Na, Du?“, sage ich zu der 800er, als ich mich der Maschine nähere. Sie sieht halt aus wie moderne Motorräder aussehen, etwas beliebig und sehr kantig. Im Vergleich zur Barocca und der DE wirkt sie klein. Ist sie laut Daten aber gar nicht. Der Eindruck kommt daher, dass sie weniger Verkleidung hat als die alte DL650, und niedriger ist als die 800DE.

Vorsichtig nehme ich im Sattel Platz. Uh, das ist schon arg anders. Bei der Barocca sitze ich eher im als auf dem Motorrad und habe die Anzeigen fast auf Augenhöhe. Hier ist das anders: Der Lenker ist weiter unter, die Fußrasten weiter hinten, auf die Instrumente muss ich quasi runtersehen. Ich sitze auf dem Motorrad.

Bei der Sitzhaltung und diesem Design stand offensichtlich weniger der Gedanke des rollenden Reisesofas im Vordergrund als vielmehr Sportlichkeit. Aber auch das trägt alles zu dem Eindruck bei, die Maschine sei kleiner als die Barocca, dabei ist sie auf dem Papier sogar minimal länger. Die Sitzposition ist auch etwas höher, ungefähr so wie bei der 800DE mit der niedrigen Sitzbank und damit rund 20 mm höher als bei meiner jetzigen. Ich komme gut mit den Füßen an die Erde, rangieren wird so kein Problem sein.

Ich bin nicht so fett. Das ist die weite Winterjacke, darunter sind Airbagweste und Pullover.

„Sie müssen gleich mal tanken, sind nur zwei Liter Sprit drin. Falls sie die kaufen, ist es dann eh´ ihr Benzin, falls nicht, geben Sie mir die Quittung“, sagt der Händler und erklärt mir dann noch seine Testrecke, eine zehn Kilometer lange Runde die mit Bundesstraße und langen Geraden anfängt und dann in einer Kurvenstrecke im Wald wieder zu ihm zurückführt.

Schlüssel rum. Sofort fängt irgendwas in der Maschine an zu summen. „Das ist wegen Drive-by-Wire. Die Elektronik passt jetzt schon laufend die Drosselklappen an“, sagt der Händler. Verstehe ich nicht, aber gut, wenn der Fachmann sagt „Muss so“, dann ist das wohl so.

Motor anlassen. Das ist schon seltsam, weil der Anlasser mit dem Killschalter kombiniert und auch irgendwie elektronisch unterstützt ist. Man muss ihn nur kurz antippen, und der läuft dann so lange, bis die Maschine gestartet ist.

Der Motor ist im ersten Moment ungewohnt laut und klingt sehr kernig. Vorsichtig steuere ich die V-Strom 800 auf die Dorfstraße, dann zum Tanken, dann auf die Bundesstraße. Der Motor brummelt jetzt angenehm vor sich hin, aber ein Dreh am Gasgriff und die Maschine drückt rasant nach vorne – und das selbst im mittleren der drei Fahrmodi, die kann auch noch giftiger.

Kenne ich ja gar nicht, Fahrmodi und so Gedöns. Ist alles neu für mich. Die Barocca, Baujahr 2011, basiert auf Technik von 2004, da gab es sowas nicht.

Ich habe die 650er damals bewusst als altes Modell gekauft, weil sich 1. Kein Dieb für so alte Maschinen interessiert und 2. Weil da nichts dran ist, was schnell kaputt gehen kann. Die Doppelscheinwerfer haben H4 Birnen, Gas- und Kupplung funktionieren über Bowdenzüge, die Elektrik arbeitet mit Standardrelais. Sowas hat jeder Dorfschrauber bei sich liegen. Perfekt für Reisen in Länder ohne enge Versorgungsketten.

Deshalb entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet ich dabei bin, mir eine Maschine anzulachen, die nicht nur vollelektronische LED-Anzeigen hat, sondern auch LED-Scheinwerfer und ein Drive-by-Wire-System. Will davon mal eine Komponente nicht mehr, kann das nur eine Fachwerkstatt reparieren. Selbst wenn nur das Licht ausfällt, lässt sich das nicht eben an der Dorftankstelle beheben.

Beim Rausfahren aus dem Kreisel ruppelt und bockt die Maschine. Zu hoher Gang drin. Mein Fehler. Schön aber: Im Cockpit klappert und vibriert nichts, und überhaupt wirkt alles wertig. Das ist erstaunlich, denn traditionell sind V-Stroms auch deshalb sehr günstig, weil die Materialien billig sind und da auch kein Hehl draus gemacht wird. Die aktuelle 650er sieht aus wie Plaste und Elaste aus dem VEB Kombinat Schkopau. Das ist hier nicht so.

Auch das Display lässt sich gut ablesen. Anders als bei der 1050, deren Anzeigen seltsam gebogen und auf den ersten Blick kaum zu deuten sind, ist bei der 800er alles eng, aber übersichtlich zusammengepackt – Drehzahl, Geschwindigkeit, Gang, Fahrmodus, Zeit, Bordspannung, Temperatur, Füllstand, Kühlwassertemperatur – alles auf den ersten Blick erkennbar, hier ein Bild von der 800DE aus dem vergangenen Jahr:

Runter von der Bundesstraße, ab in den Wald. Die 800er ist handlich, sie fühlt sich noch leichter beherrschbar an als eine Kawasaki Versys. Die Sitzposition ist wirklich sportlich, auch durch den schmaleren und niedrigeren Lenker fühle ich mich wie auf einer Sportmaschine. Der Kniewinkel ist aber sehr groß, das ist bequem.

Im Kupplungszug hakt irgend etwas. Vermutlich weil alles nagelneu und noch nicht eingespielt ist. Eigentlich bräuchte man die Kupplung auch gar nicht, die V-Strom 800 hat einen Schaltautomaten, neudeutsch Quick-Shifter und Blipper, damit kann man ohne zu kuppeln hoch und runterschalten – wozu auch immer das abseits der Rennstrecke gut sein soll.

Die Kurvenstrecke ist nett, ausfahren kann ich die V-Strom 800 darauf aber nicht – die Reifen haben erst vier Kilometer runter, da ist noch Silikonglitsch drauf.

Die Dunlop-Reifen wirken nicht vertrauenserweckend und verschleißen wohl recht schnell.

Wieder beim Händler angekommen mache ich wohl einen sehr zufriedenen Eindruck, auch wenn ich innerlich noch hadere.

Das große Hadern

Will ich das wirklich? Ein Neumotorrad kaufen? Das wäre das erste Mal in meinem Leben, dass ich keine gebrauchte Maschine kaufe. Und dann noch eines, das so neu ist, das es dafür noch kein Zubehör und kein ordentliches Koffersystem gibt.

Und sie wirkt wirklich… klein. Auf die Barocca habe ich mich damals draufgesetzt und wusste: Die ist riesig, aber ist die Richtige für mich. Dieses Gefühl habe ich hier nicht.

Kann man an die 800er überhaupt ordentlich Gepäck dran machen? Wird die meinen Ansprüchen genügen? Werde ich auch mit der sportlicheren Sitzposition noch zehn Stunden am Stück fahren können? Wird dieses ganze Elektronikgedöns anfällig sein?

Andererseits… was ist die Alternative? Eine Yamaha Täterä 700 ist zu groß für mich, die neue Transalp kenne ich nicht und die 800er Tiger von Triumph ist nach Aussage des Händlers, der selbst auch Triumph verkauft, weit weniger alltagstauglich als die V-Strom und viel, viel teurer.

Oder doch noch einmal eine V-Strom 650er? Same as ever, play it safe, ich bekomme genau das, was ich immer hatte?

Andererseits… der 800er Motor ist schon toll. Die Instrumente sind zeitgemäß. Die Bremsen haben mehr Biss als alles, was ich bisher von Suzuki so kenne. Und nicht zu vergessen: Ich warte nun schon seit sieben Jahren auf exakt diese Maschine. Besser wird´s nicht werden.
Wenn ich die nehme, wird einiges anders. Aber das muss ja nicht schlecht sein. Ich wollte ja anders, also darf ich mich nun nicht darüber beklagen. Oder?

„Ich nehme sie“, sage ich und schlage ein.

Und just like that, habe ich ein neues Motorrad gekauft. Ich kann es immer noch nicht ganz glauben.

Anna bleibt gleich vor Ort, der Kabelstrang des Zumo 590 wird in den kommenden Tagen mit der V-Strom 800 verheiratet.

Kleine Wehrmutstropfen gibt es natürlich. Die Maschine braucht noch etliche Umbauten, um auch nur halbwegs an das funktionale Niveau der Barocca heranzukommen, und bislang gibt es noch kein Zubehör. Nicht mal ein Topcase lässt sich montieren, die Halterung dafür ist bei Givi „in Vorbereitung“. SW-Motech lässt ausrichten, man müsse wohl Träger und Schutzbügel komplett neu konstruieren, ich solle in einem Monat nochmal anfragen.

Auch Doof: Der Händler kann die Barocca nicht in Zahlung nehmen. Obwohl sie perfekt gewartet und alle Verschleissteile neu sind, würde sie die Händlerversicherung nicht mehr annehmen, weil sie 108.000 Kilometer runter hat.

Falls also jemand eine perfekt laufende DL 650 von 2011 braucht: Ich mache sehr gute Preis.

Und jetzt gucken wir mal, wie dieses ganze An- und Ummeldegedöns logistisch so klappt. Wenn alles perfekt läuft, ist die Nachfolgerin der Barocca ab Ende März auf der Straße.

Kategorien: Motorrad | 19 Kommentare

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