Momentaufnahme: Februar 2025
Herr Silencer im Februar 2025
“ALLES ändert sich in diesem Jahr.”
Wetter: Die ersten Tage trocken und kalt, zwischen Minus neun und plus vier Grad. In der dritten Woche dreht der Frühling auf, plötzlich sind tagsüber 14 Grad und es ist Moppedwetter.
Lesen:
Jürgen Theiner: Motorprosa – Geschichten aus der Kurve [2020, Kindle]
Der Winter ist genau die richtige Zeit, um Bücher über das Motorradfahren zu lesen. Diesen Februar bin ich nicht wieder auf ein Buch der Kradvagabunden reingefallen, sondern habe mir endlich die “Motorprosa” von Jürgen Theiner gegönnt.
Jürgen ist einer der sprachlich und stilistisch besten Motorblogger im deutschsprachigen Raum. Auf Motorprosa.com schreibt er extrem gekonnt und immer liebevoll über das Motorradfahren. In 2020 erschien dann dieses Buch. Da ich dachte, ich würde schon alles von ihm kennen, habe ich es lange ignoriert – was ECHT DUMM war, denn das Buch ist nicht einfach nur eine Kompilation des Blogs.
Theiner erzählt hier seine Lebensgeschichte, zumindest den Teil, der mit zwei Rädern und einem Motor zu tun hat. Von der beginnenden Faszination eines Bubs in Südtirol, der mit einem frisierten Moped vor Carabinieris floh, über die Hürde des Füherscheins, Unfälle, Liebschaften, verunglückte Reisen… dabei steht nicht die Technik oder das Motorrad an sich im Vordergrund, sondern die Emotionen die es auslöst, wie es das Leben prägt und was für Empfindungen es ermöglicht.
Alles stets selbstironisch und witzig geschildert, was nicht nur erfrischend ist, sondern der Erzählung extrem gut tut. Denn JEDER Motorradfahrer kennt die “Shit Shit Shiiiiit”-Momente, wenn man feststellt, dass man mal wieder etwas Dummes gemacht hat – sei es, das aus den fingerlosen Chopper-Handschuhen, die man gerade noch so cool fand, plötzlich blau gefrorene Finger ragen, weil man sich unvermittelt auf einem schneebedeckten Pass wiederfindet, sei es, dass man eine Strecke falsch einschätzt und völlig durchnässt mitten in der Nacht in der Pampa steht und derbe Ärger mit der Sozia bekommt.
Jürgen Theiner lässt diese Episoden nicht aus, sie sind essentieller Bestandteil seiner Geschichte. Nach hinten raus wird es leider weniger anekdotisch und eher eine Aufzählung der fahrbaren Untersätze, aber dennoch: Dieses Buch ein echtes und sehr kurzweiliges Vergnügen. Eine Fortsetzung wäre nice, zumal Jürgen seit einigen Jahren auch elektrisch unterwegs ist. Wer einfach mal in Jürgens Theiners Welt reinlesen will: Hier zum Blog: Motorprosa
Hören:
Sehen:
Quantum Leap [2022, Joyn]
“Nachdem er die Theorie aufgestellt hatte, dass man innerhalb seiner eigenen Lebenszeit Zeitreisen könne, stieg Dr. Sam Beckett in den Quantensprungzeitbeschleuniger und… verschwand”
Sam Beckett kehrte nie nach Hause zurück, und 25 Jahre später versucht ein neues Quantum-Leap-Team herauszufinden, was damals eigentlich passiert ist. Dummerweise steigt der Teamleiter heimlich in den Quantensprungzeitbeschleuniger und verschwindet ebenfalls. Warum hat er das getan, und was verschweigt er seinem Team? Das weiß sein Schweizer-Käse-Gedächtnis nicht mehr. Er hat auch ganz andere Probleme, denn das Gesicht im Spiegel ist nicht sein eigenes…
Meine Güte, ich habe “Zurück in die Vergangenheit”, wie “Quantum Leap” bei uns hieß, geleaped!!
Die 1989er Serie lief bei uns ab 1991 am Sonntag Morgen auf RTL und das war ein Pflichttermin. Nie wusste man, was einen als Nächstes erwartete, jede Folge spielte in einer anderen Zeit und befasste sich mit einem anderen Thema. Sam Beckett sprang nämlich in die Körper anderer Menschen und musste in der Vergangenheit etwas zum Besseren ändern, was einst schief gelaufen war. Das waren mal kleine Schicksale, wie das Leben der alleinerziehenden Mutter oder des Jazztrompeters, mal Geschehnisse der Weltgeschichte (“Ich konnte Kennedy nicht retten” – “Weißt Du, Sam, in der ersten Version der Geschichte starb Jacky. Du warst wegen ihr dort.)
Nun also eine Neuauflage, und NBC gibt sich hier erkennbar Mühe alles richtig zu machen und das Original zu ehren. Die Stories sind gut, die Produktion hochwertig und am Schönsten ist, dass man mehr von der Gegenwart sieht und es hier eine sehr gute, episodenübergreifende Handlung gibt. Warum ist Ben Song heimlich verschwunden? Wer ist der Hacker im System von Ziggy? Warum ist noch ein Leaper in der Vergangenheit unterwegs? Und wo ist Al Calaviccis altes Handlink hin? Hat das vielleicht seine Tochter mitgehen lassen?
Fein: Der neue Leiter des Quantum Leap Projekts wird von Ernie Hudson (Ghostbusters) gespielt, dessen Figur in der Episode “The Leap Home” in der Originalserie von Sam Beckett übernommen wurde. Geile Idee.
Sehr cool und gut gemacht, trotzdem leider nach zwei Staffeln eingestellt worden.
Titanique [2021, Criterion Theatre]
“…und dann ertranken 1.514 Menschen, als die Titanic sank”, sagt der Museumführer. “MOOOOOOMENT! Das ist nicht, woran ich mich erinnere!”, ruft Celine Dion dazwischen und erzählt dann die wahre Geschichte der “Titanic”, so, wie sie sie erlebt hat – denn sie war natürlich dabei. Gerade war sie noch mit Sting am abrocken um Jack und Rose zusammenzubringen, da hat Tina Turner das Schiff versenkt, aber gestorben, gestorben ist niemand! Weil Celione alle mit “My heart will go on” ins Leben zurückgesungen hat!
Völlig überdrehtes Stück, arschlustig wenn man den Film gesehen hat und doppelt gut, wenn man das Werk von Celine Dion kennt und deren Songs in einer Nummernrevue abfeiern kann. Letzteres geht mir total ab, amüsiert habe ich mich trotzdem. Das lag auch an der überdrehten Performance von Lauren Drew als Celine Dion – was für eine Powerfrau!
Back to the Future – The Musical [2022, Adelphi Theatre]
Eine Nacherzählung des Films, durchsetzt mit kurzen Musicaleinlagen. Fügt der Vorlage nichts hinzu, ist aber dennoch faszinierend zu sehen, insbesondere wegen der Bühnentechnik. Durch Rückprojektion und der Technik, die auch für “Bühnen-Hologramme” genutzt wird, rast mit einem mal wirklich der DeLorean mit 140 Sachen über die Bühne. Sehr cool gemacht, und wie sie es am Ende (“Wo wir hingehen brauchen wir keine… Straßen.”) hinbekommen haben, dass die Zeitmaschine DURCH DEN ZUSCHAUERRAUM fliegt, ist wirklich faszinierend zu sehen.
Schade: Der Sound im Adelphi ist extrem bescheiden. Effekte sind viel zu laut, die Schauspieler so übersteuert, dass man die Texte kaum versteht. Ein Spektakel ist es aber dennoch.
Stranger Things: The First Shadow [2023, Phoenix Theatre]
1959: Hopper und Winona Ryder gehen noch zur Highschool, als ein neuer Schüler auftaucht. Henry Creel ist ein verschlossener Einzelgänger. Hat er etwas mit den verstümmelten und verdrehten Tierleichen zu tun, die neuerdings überall auftauchen? Stellt sich raus: Ja, und nicht nur das. Seit einem Zwischenfall trägt Henry einen Schatten aus dem Upside-Down, der Hölle, in sich.
Gerade dachte ich, nach der Zaubershow in “Back to the Future” alles gesehen zu haben, da bläst mich “Stranger Things” völlig aus den Schuhen. Was hier an Bühnenillusion aufgefahren wird ist unfassbar: Rückprojektion, Hologramme, Einssatz von tiefen Tönen zur Erzeugung von Angst, bewegliche Bühnen – You name it, Stranger Things has it.
Damit werden Szenen umgesetzt, die ich nie vergessen werde: Wie sich plötzlich ein komplettes Schiff auf der Bühne materialisiert. Wie eine Kulisse in Zeitlupe explodiert. Das beklemmende Kribbeln und das entsetzliche Gefühl, das hier alles falsch ist, kurz bevor sich der Innenraum des Theaters in eine große Version des Mindflayers verändert. Das ist alles ganz, ganz große Kunst. Dazu kommen ein fantastischer Cast und eine Geschichte, die unmittelbar in die Geschehnisse der Netflix-Serie überleitet. Großartig und die besten drei Stunden Theater die es derzeit gibt.
Spielen:
Metaphor: ReFantazio [2024, PS5 Digital]
Der König ist tot, ermordet von einem gefühlskalten Emporkömmling. Dieser Bösewicht hat auch dafür gesorgt, dass der legitime Thronerbe im Koma liegt. Aber just in dem Moment, wo der Mörder sich selbst zum neuen Herrscher ausrufen will, passieren Dinge, die dafür sorgen, dass eine Art Wettbewerb gestartet wird. Der Gewinner soll die Krone bekommen. Jedermann könnte König werden? Das ist ein unerhörter Vorgang in einer Welt, die durch starke Magie und ein striktes und extrem diskriminierendes Kastensystem geprägt ist.
“Metaphor” ist das neueste Spiel des Mannes, der Persona 3, 4 und 5 verantwortet hat. Wo diese Games aber in der Realität spielten, in die plötzlich eine Art Magie reinbrandete, ist es hier genau umgekehrt. Das namenlose Königreich liegt in einer Fantasywelt, die vor Magie nur so brummt, deren die Bewohner aber davon träumen, das es sie nicht gibt, sondern alle Spezies gleich sind und Herrscher durch Wahlen bestimmt werden. Fantasywesen, die unsere Welt als Utopia begreifen – ein interessanter Twist!
Spieltechnisch wird hier die “Persona”-Engine genutzt, was gut und schlecht zugleich ist. Gut sind wie immer die rundenbasierten Kämpfe, die auch beim eintausendsten Mal noch Spaß machen und spannend sind.
Seltsam übergestülpt wirkt dagegen die Einteilung in Tage und damit verbundene Zeitlimits. In “Persona” sind diese Zeitlimits eine näher rückende Klausur oder der Tag, an dem die Schüler von der Schule geworfen werden. Das wirkt organisch. In “Metaphor” muss immer etwas herbeigelogen werden. Mal sind es die Tage, bis eine Straße wieder geöffnet wird, ein anderes mal ist es die Zeit bis Regenwetter angesagt ist, mal die Tage bis dringend abgereist werden muss. Das wirkt immer seltsam und artifiziell.
Dennoch funktioniert es, und das liegt wieder an der spannenden Geschichte, der tollen Welt und vor allem an den extrem gut geschriebenen Figuren. Bleibt der erste Begleiter noch etwas blass und langweilig, sind spätestens die Ritterin Hulkenberg oder der Fledermauswächter Heismay nicht nur originelle Figuren, sondern wirklich tolle Charaktere, mit denen man gerne Zeit am Lagerfeuer verbringt und die man im Verlauf des Games wirklich gut kennenlernt.
Was mir nicht gefällt: Die Lernkurve steigt auf “Standard” bereits kurz nach dem Spieleinstieg extrem an. Die Gegner sind plötzlich superschwer oder müssen binnen drei Zügen besiegt werden, was ohne exakt optimierte Skills der richtigen Personas nicht möglich ist. Es gibt superviele Freiheitsgrade, aber in der Regel funktioniert nur ein kritischer Pfad so richtig – den zu finden und eventuelleFehlentscheidungen zu bemerken kostet aber Stunden, und dann kann man nur hoffen, noch einen alten Spielstand zu haben. Hat man den nicht, hat man sich halt verskillt und scheitert dauerhaft. Das ist frustrierend und schränkt die Lust, mit den vielen Möglichkeiten des Magiesystems zu experimentieren, sehr ein.
Bislang 35 Stunden auf der Uhr und nicht mal zur Hälfte durch.
Machen:
Eine Reise nach London!
Und eine nach Dresden! Letztere leider rein Dienstlich, sonst hätten wir mal ein Lesertreffen gemacht 🙂
Neues Spielzeug:
Der Monat der neuen Klamotten.
Ich trage nur Jacken im M65-Schnitt, diese klassische Schimanski-Jacke. Eine für den Winter und eine für den Sommer. Praktisch, viele Taschen und unverwüstlich – eigentlich. Meine Lieblingswinterjacke, eine Vintage Industries in M von 2013, war “Pre-Used”: Der dunkelgraue Stoff war mit Bleiche vorbehandelt, um ihn an manchen Stellen abgenutzt aussehen zu lassen und ihm so mehr Textur zu geben. Das hier ist sie:
Problem: In Kombination mit Waschmittel oder in der Reinigung wurde die Reste der Bleiche wieder aktiviert und fraßen sich langsam, aber unaufhörlich durch den Stoff. Zuletzt sah meine Lieblingsjacke also aus wie zerlumpt, mit echten Löchern und Rissen überall.
Nun also der Ur-Enkel, eine M65 “Orton”, wieder in M und wieder von Vintage Industries. Gleicher Stoff (aber ungebleicht!), einfacherer Schnitt, weniger Details, dafür teilweise verhunzt (Innentasche, in die kein Smartphone passt, Stoff nimmt Hautfett an, zu hoher Kragen). Aber nun. Alles wird schlechter.
Beim Stöbern im Vintage Industries Katalog auf der Seite von FC-Moto dann noch das hier gefunden: Eine Jacke von IXS, eine X-Tour LT Montevideo-ST aka Montevideo Air 2.0. Passt in L absolut perfekt, auch mit der TechAir-5-Airbagweste darunter.
Die Schultern und Arme sind fast vollständig aus Leder, das Teil verfügt über viele, beindruckend clevere Details und extrem gute Reflektoren. Besonders gut: Quasi die ganze Front lässt sich zur Belüftung aufzippen.
Gab es gerade runtergesetzt, von 600 auf 190 Euro, aber nur noch in der High-Vis-Option mit neongelben Feldern. Da war ich mir nicht sicher: Will ich das wirklich? Eigentlich mache ich mich immer über so Leute in Warnwesten lustig. Andererseits: Wenn es hilft nicht umgefahren zu werden? Ach, immer diese Entscheidungen. Nach Konsultation mit Expertinnen war klar: Doch, will ich, und mit dem Gelb kann ich leben. Ich hatte noch nie eine so gut sitzende Motorradjacke, die kann gerne die bollerig geschnittene, sackartige sitzende und doch für eine Airbagweste eigentlich zu enge FLM ersetzen.
Außerdem gab es noch drei Pyjamas aus gebürsteter Baumwolle von Marks & Spencer, aber die führe ich hier nicht vor.
Ding des Monats:
Ein R2-D2-Toilettenpapierhalter! So etwas kommt dabei raus, wenn man Ali mit einem 3D-Drucker unbeaufsichtigt lässt. Danke, alter Freund – ich komme aus dem Grinsen immer noch nicht heraus.