Gnadenloses Leben

Momentaufnahme: April 2023

Herr Silencer im April 2023

Heute ist der 173. November 2022

Wetter: Anfang des Monats -3 bis +5 Grad und ein Mix aus Regen und Sonne, monatsmitte bedeckt und einstellig bis in den Minusbereich, in der vorletzten Monatswoche ein wenig Sonne und ein, zwei warme Tage, dann wieder Kälteeinbruch auf Abends 1 Grad.


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Kate [2022, Netflix]
Auftragsmörderin mit Arbeitsschwerpunkt Japan wird mit Polonium vergiftet. 24 Stunden bleiben ihr bestenfalls, und die will sie nutzen um ihre Mörder zu finden. Dafür metzelt sie sich durch die Unterwelt von Tokio, und schnell wird klar, dass sie es mit einer Yakuza-Fehde und einer Familiengeschichte zu tun hat.

Ich hatte nach dem Thema (AuftragskillerIN) und dem kurzen, nur aus einem Frauennamen bestehenden Titel schon fast befürchtet, hier nach „Nikita“, „Anna“ und „Lucy“ hier die nächste, in fünfjährlichem Abstand erscheinende Auflage von Luc Bessons Lieblingsquark zu sehen. Aber nein, weiter könnte man von den peinlichen Euro-Trash-Geschichten nicht entfernt sein: „Kate“ ist eine Mischung aus 20 Prozent „Bullett Train“, 20 Prozent „Crank“ und 40 Prozent „John Wick“, der Rest ist eigenständig.

An „Bullet Train“ erinnert Japan als exotische Kulisse sowie die gut ausgearbeiteten Charaktere, „Crank“ steuert die Situation des Hauptcharakters bei, die sich ständig mit Drogen aufputschen muss, um nicht ins Koma abzugleiten, und aus „John Wick“ stamm die DNA der Assassinen-Gilde und die handfeste Action.

Was Mary Elizabeth Winstead (John McClanes Tochter aus „Die Hard 4“) als todgeweihte Killerin hier abliefert, ist mehr als erstaunlich – schauspielerisch, aber auch was die Action angeht. Die Frau teilt so brutal aus und steckt noch brutaler ein, dass man teils nicht hingucken mag. Zwischen den wirklich sehr guten Actionpieces gibt es dazu eine überraschende Geschichte und Figuren, die meist nicht so schwarz-weiß sind, wie es zuerst scheint.

Sehr gelungener Actionstreifen – wer die Referenzen mag, wird hier exzellent unterhalten.

Titanic [1997, BluRay]
Leo und Kate und am Ende geht das Schiff unter.

Habe ich schon 25 Jahre nicht mehr gesehen, den Streifen. Und ich muss sagen: Er beeindruckt noch heute, obwohl er erkennbar ein Produkt der 90er ist. Das Storytelling und die Figuren sind meisterhaft ausgearbeitet, das ist wirklich großes Schreibhandwerk.

Was mit die ganze Zeit durch den Kopf ging: Der Film konnte so wirklich nur Ende der 90er entstehen, als die Tricktechnisch reif genug war, aber noch nicht so weit, dass alles hätte aus dem Rechner kommen können. Würde „Titanic“ heute verfilmt, dann würden die Innenszenen in Stagecraft gedreht und die Außenaufnahmen wären reines CGI.

„Titanic“ ist aber einer der letzten Hollywood-Blockbuster, der mit einem un-fucking-fassbar gigantischem Aufwand in echten Stages und mit hunderten von Statisten gedreht wurde, und das sieht man. Das heißt nicht, dass der Film arm an Effektshots ist, im Gegenteil. Aber hier werden alle Trickregister gezogen, von Modell- und Greenscreenaufnahmen zu Matte-Bauten zu echten Stages zu Perspektivtricks wechselt sich hier alles schnell ab, dass man selten auf Anhieb weiß, wie James Cameron das jetzt gerade wieder gemacht hat. Ausgerechnet einige der CGI-Shots sind es, die den Test der Zeit nicht mehr bestehen – wenn die Kamera über die (real nachgebaute) Titanic fliegt und währenddessen auf ihr CGI-Menschen rumtapsen, sehen die nicht gut aus, und auch digitales Wasser ist in den letzten 25 Jahren wesentlich besser geworden.

Tut der Sache aber keinen Abbruch, wenn die Titanic im eisigen Wasser versinkt, dann hat man eine dreistündige Reise hinter sich, die heute auch ein Stück Filmgeschichte ist.

Mare of Easttown [2021, DVD]
Kate Winslet ist Mare, eine schlechtgelaunte Polizistin in einer Kleinstadt. Für den Frust hat sie 989 Gründe, und dann wird auch noch eine Teenager-Mutter tot aufgefunden.

Besticht durch fast fühlbare Dramatik, die aus zwischenmenschlicher Interaktion entspringt, toll ausgearbeitete Charaktere und eine fantastische Besetzung. Insbesondere Kate Winslet spielt hier auf Oscarniveau, aber auch die sonstigen und recht unbekannten Schauspieler sind klasse.

Die Geschichte ist wendungsreich, versumpft aber ab und an zwischendurch – dann wird das Pacing so erratisch, dass ich mich mehr als ein Mal gefragt habe, was das hier eigentlich wird. Familiendrama? Beziehungstragödie? Oder doch Krimi? War das gerade Twin-Peakesk, ein Schuß „Schweigen der Lämmer“ oder meinen die das anders? Am Ende wird die Mischung aber so abgebunden, dass sie sehenswert ist.

Ärgerlich: Offensichtlich möchte HBO/Sky Digitalabos verkaufen, die physischen Datenträger enthalten entweder keine deutsche Tonspur (BluRay) oder bieten ein völlig unscharfes und verwaschenes Bild (DVD) – Hände weg von diesen Versionen! Im Ernst, ich habe tatsächlich am Fokus meines Beamers gedreht, weil das Bild so unscharf ist – ist aber nicht besser geworden, liegt wirklich an der DVD. Man soll halt HBO abonnieren und nicht Serien als Disc kaufen, so die eindeutige Botschaft.


Banshees of Inishnerin [2022, Disney+]
Irland, 1923: Der Bürgerkrieg ist weit weg, auf dem irischen Festland. Auf der kleinen Insel Inisherin geht man seinem bescheidenen Leben nach, verdingt sich in der Landwirtschaft und fiedelt sich abends einen im Pub. Colin Ferrell und Brendan Gleeson (die beiden aus „Brügge sehen …und sterben?“) leben hier schon ihr ganzes Leben und sind dick befreundet. Bis zu dem Moment, in dem Brendan dem Colin sagt, das er das nicht mehr möchte und fortan jeder Kontakt eingestellt werden soll. Colin ist vor den Kopf gestoßen, aber Brendan meint es ernst, und er ist bereit einen hohen Preis dafür zu zahlen.

Freundschaften zerbrechen oder versanden, dass sie einseitig und eindeutig beendet werden, passiert eher selten. Die Geschichte der beiden Männer schlägt leider nach der interessanten Ausgangssituation – eine Seite entschlossen, die andere verletzt und verzweifelt – den dümmstmöglichen Weg ein. Es wird sehr schnell unnötig eklig, alle Figuren bleiben fremd und handeln völlig erratisch. Dementsprechend haben auch die Schauspieler wenig zu tun, Gleeson guckt die ganze Zeit muffig und Ferrell trägt seinen „ich bin dumm“-Gesichtsausdruck, der immer irgendwie aussieht als hätte er Verstopfung, und den man ihm halt auch nicht abnimmt.

Der Verleih vermarktet den Film als Komödie, aber lustig, das sei deutlich gesagt, ist hier nichts. Lustig will der Film nicht im Ansatz sein, was er stattdessen will, bleibt aber – genau wie die früheren Werke des Regisseurs, „Brügge sehen“ und „Three Billboards…“ nicht klar. Irgendwie fühlen sich alle Filme von Martin McDonagh so an, als würde irgend etwas fehlen – bei „Banshees“ ist es der Wille zu einer Aussage.

Was bleibt sind schöne Bilder von Irland, weil die Figuren fast während der ganzen Handlung durchs Grüne laufen. Immerhin.

Beef [2023 Netflix]
Handwerker will ausparken, wird dabei aber von einem SUV blockiert und dessen Fahrerin angehupt. Es brennen Sicherungen durch, es kommt zu Beschimpfungen. Aus dem Road Rage entwickelt sich eine handfeste Fehde, denn die beiden stellen sich nach, finden raus wo sie jeweils wohnen und lauern sich auf.

Klingt nach Geheimtipp, und die erste Folge fühlt sich auch so an – koreanische Darsteller:innen in den USA, Hass im Alltag – da hätte einiges draus werden können. Leider versandet das hier aber alles in ziellosen Familiendramen und bescheuerten Nebenhandlungen. Ist halt der Netflix-übliche Quark: Als Film wäre das toll gewesen, als Serie gibt es einen starken Anfang und dann Versumpft alles in Beliebigkeit, weil irgendwie noch sechs Folgen zu füllen sind. Das Ende ist immerhin memorabel, aber so abrupt und out-of-character, das es beliebig wirkt.


Spielen:

Resident Evil 4 Remake [2005, 2023, PS5]
Die Tochter des US-Präsidenten wurde entführt, in ein kleines Bergdorf in Spanien. Statt der Armee schickt der POTUS nur einen Mann los, der lediglich mit einer Pistole, einem Messer und einem Aktenkoffer bewaffnet ist. Damit muss er gegen Zombis, Werwölfe und Monster antreten.

Die Story von Resident Evil 4 ist anerkannt eine der dümmsten der Videospielgeschichte, das Game selbst aber ein wirklich gutes. In der Third-Person-Perspektive schleicht, kämpft und rätselt man sich hier durch spanisches Bergland. Das ist erstaunlich abwechselungsreich, neben Shooter- und Survivalpassagen gibt es im 2023er Remake sogar einen kleinen Open-World-Hub wie in den neueren „Uncharteds“, einen Hold-the-Ground-Standoff und, bäh, Bosskämpfe.

Alle Spielelemente werden aber nicht übertrieben häufig verwendet, hier nervt nichts durch überlange Wiederholungen. Auch schön: Für viele Bosse gibt es eine Abkürzung. Ich hatte arge Problem mit dem Bullet-Sponge von Endboss und hatte nach X Wiederholungen die Faxen richtig dicke. Zum Glück kann man beim Händler vor Beginn des Endkampfes sein Erspartes gegen einen Raketenwerfer eintauschen. Damit ein Schuß in die hässliche Fresse und zack, war die Qual vorbei.

Das Game ist kein Horror, nur manchmal ein wenig gruselig, meist aber vor allem: Spannend. Die Grafik ist sehr gut, die Engine ist die gleiche, die schon bei den neuen Teilen und Remakes der letzten Jahre verwendet wurde.
Sehr gutes Single-Player-Abenteuer, das für Liebhaber von Action-Adventures empfehlenswert ist.

Horizon: The Burning Shores [2023, PS5]
Maschinenjägerin Aloy erlangt Kenntnis davon, dass ein weiteres Far Zentih-Mitglied auf der Erde herumstrolcht. Der Mann war Billionär und hatte zu Zeiten der Zivilisation ein Raumfahrtunternehmen. Um die postapokalyptische Erde zu verlassen, reaktiviert er alte Maschinen und droht damit, die Westküste zu verseuchen. Aloy bricht auf, um den skrupellosen Mann in einem Inselarchipel zu stellen, das früher mal Los Angeles war.

Schöne Erweiterung des Hauptspiels, die direkt an das Ende der Handlung von „Forbidden West“ anschließt. Die Geschichte ist simpel, aber sorgfältig geschrieben und sehr gut inszeniert und bringt etwas, das „Horizon“-Spieler seit Teil eins fürchten: Das Wiedererwachen eines Horus, eine jener Maschinen, die einst die Welt verzehrten. Der Kampf gegen dieses Vieh ist wuchtig inszeniert und echt schwer, und auch ansonsten sind die brennenden Strände kein leichtes Gebiet.

Problematisch dabei: Der DLC kommt zu spät. Es werden nämlich sofort alle Skills verlangt, die man sich im Hauptspiel über rund 80 Stunden angeeignet hat – aber das ist ein Jahr her! Wer erinnert sich da noch daran, wie die ganzen Spezialsuperdupermoves gingen? Allein der Blicks ins Waffeninventar, in dem bei mir rund 40 Bögen, Speere, Handschuhe, Fallen usw. in bis zu fünf Ausbaustufen herumliegen, brachte mich fast zur Verzweiflung: Was war nochmal wofür gut?! Wie bedient man das? Waffenauswahl und Skilltree fand ich schon im Hauptspiel völlig überladen, und hier wird es nur noch schlimmer.

Storytechnisch wird deutlich, wie Protagonistin Aloy durch die Erlebnisse in „Forbidden West“charakterlich gewachsen ist. Sie lässt sich auf andere ein, und sogar eine schüchterne Romanze ist möglich. Wenn man das möchte, führt die sogar zu einem verschämten, gleichgeschlechtlichen Kuss.

Das Aloy auf Frauen steht, hätte man sich nach schon nach „Forbidden West“ denken können, führt aktuell aber bei kleinen, rechten INCELS zum Pflaumensturz. Die dummen Wichser unterstellen Sony „politische Indoktrination“ und „Aloy ruiniert zu haben“ um krampfhaft eine LGBT+-Agenda in jedem Spiel unterzubringen, mutmaßlich um das Volk schwul zu machen oder sowas. Die rechten Kulturspalter reviewbomben „Burning Shores“ gerade auf Metacritic ins Nirvana, und das hat der DLC nicht verdient.

Abseits dieses Unfugs sind die inhaltlichen Hürden zum Starten des DLC nicht ganz ohne. Man muss die Hauptstory von „Forbidden West“ komplett durchgespielt und den Speicherstand noch auf der Platte oder in der Cloud haben, und es braucht jetzt zwingend eine PS5. Es wird auch sehr schnell klar warum: Die „Burning Shores“ erreicht man nur fliegend, und die hyperdetailreiche Welt von Horizon ist eigentlich für begrenzte Sichtweiten und die langsame Bewegung zu Fuß gemacht. Aus der Luft ist das ganze so rechenintensiv, das selbst auf der Next-Gen-Konsole alle möglichen Objekte zu spät aufpoppen, XB1 oder PS4 hätten die Rechenlast nicht bewältigen können.

Spielt aber keine Rolle, die „Burning Shores“ sind eine gelungene Erweiterung von „Forbidden West“. Es macht Spaß, das versunkene LA zu erkunden, die Inszenierung ist toll, und auch wenn die Geschichte ohne bleibende Auswirkungen bleiben wird, ist sie unterhaltsam und lässt sich angenehm kurz (rund 16 Stunden) wegspielen.


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Neues Spielzeug:


Ding des Monats:


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Momentaufnahme: März 2023

Herr Silencer im März 2023

Wann ist dieser Winter ENDLICH vorbei?!

Wetter: Bis Mitte des Monats durchwachsen kalt und bedeckt, dann noch einmal Wintereinbruch: Schnee und Eis kehren für Tage zurück. Ein paar Mal scheint die Sonne, und dann hüpfen die Temperaturen auch in den zweistelligen Bereich, aber meist bleibt es grau und irgendwo zwischen Gefrierpunkt und 8 Grad. Auch die Natur bleibt im Tiefschlaf, der Frühling kommt lange nicht voran. Zwischendurch hüpfen die Temperaturen kurz hoch, am Monatsende gibt es aber wieder Schneeregen und Null Grad und alles alles ist bäh.


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Twin Peaks, Season 3 [2017, DVD]
„In 25 Jahren können sie mich wieder sprechen“, sagte Laura Palmer 1992 zu Agent Dale Cooper. Der kam nie mehr aus dem Roten Raum heraus. Wer stattdessen nach Twin Peaks zurückkehrte war Bob, der Killergeist, der in Coopers Körper steckte.

25 Jahre später geschehen in den ganzen USA grauenvolle Morde. FBI-Direktor David Lynch stochert in den Fällen herum und stellt fest: Die Spur führt zurück nach Twin Peaks.

Cooler Move, wirklich 25 Echtzeit-Jahre später eine DER Serien der 90er fortzusetzen. Twin Peaks war damals ein Fernsehereignis, das man so noch nicht gesehen hatte. Die Frage, wer Laura Palmer tötete, spielte am Ende fast keine Rolle mehr. Die Serie lebte von bizarren Charakteren, fantastischen Bildern, surrealen Szenen und der hypnotischen Musik. „Twin Peaks“ brach 1990 und 1992 alle Sehgewohnheiten und gilt als eine der einflussreichsten Serien aller Zeiten. Sowas lässt sich nicht wiederholen, deshalb bietet Twin Peaks in der 2017er Fassung nicht „more of the same“, sondern viel, viel Neues mit den bekannten Darstellern.

Dazu gehören grausame Verstümmelungen und blutige Morde genauso wie geradezu psychedelische Folgen, die quasi ab Minuten eins Kunst aus allen Poren strömen, aber sich konventionellen Sehgewohnheiten verschließen.

Ich habe mit solchem Artsy-Fartsy-Kram normalerweise nicht mehr viel Geduld und mache das aus, weil ich es nicht ertrage. Aber hier ist das Surreale so irre inszeniert und ergibt im Rahmen der Handlung so unbedingt Sinn, dass ich richtig viel Freude daran hatte und alle Folgen am Stück weggebinged habe (während ich nebenbei Persona spielte, dazu unten mehr). Selbst Folge 8, die ein für sich stehender Fiebertraum ist, hat mich in ihren Sog gezogen.

Lediglich das Ende der Serie ist beim ersten Schauen enttäuschend und vermittelt etwas wirr die Botschaft „Das Böse gewinnt immer, aber das Gute gibt niemals auf“. Das steht aber wiederum im Einklang mit dem Mantra „Das Gute stirbt oder wird getötet“ aus Staffel 1 und der Sekundärliteratur („Das geheime Tagebuch der Laura Palmer“).

Aber bis zu diesem seltsamen Ende kann man 17 1/2 Episoden Twin Peaks genießen, mit fast allen (gut gealterten!) Darstellern von damals, einem interessanten Plot und einer Fortsetzung, die sich einer eindeutigen Auslegung entzieht.

Triangle of Sadness [2022, Bluray]
Eine Hyper-Luxus-Yachtreise für Superreiche und Influencer: Man schwelgt in Dekadenz und Instagram-Kulissen, lässt sich die Wünsche von den Augen ablesen und lebt seine Kinks aus. Dann kommt es zu einem Unfall, die Yacht sinkt und die wenigen Überlebenden retten sich auf eine einsame Insel. Dort stellen sie fest, das Influencer-Skills nicht zum Überleben taugen, und die einzig fähige Person – eine Putzfrau – zettelt ein Herr der Fliegen-Szenario an.

Wenn man die Beschreibung so liest, kann das eigentlich nur ein geiler Film sein, oder? Gesellschaftskritik! Verlogene Influencerbande wird vorgeführt! Superreiche finden sich plötzlich ganz unten wieder! Eat the Rich!!

Tja, dachte ich auch, und habe die BluRay blind gekauft – und mich selten so darüber geärgert, dass ich Geld zum Fenster rausgeworfen habe! Seine tollen Ideen verkackt Regisseur Ruben Östland hier auf jedem Meter. Der Film ist mit seiner Laufzeit von 150 Minuten mindestens eine Stunde zu lang und von vorne bis hinten angefüllt mit langweiligem Quark.

Eeeeeeewig lang darf man sich erst unzusammenhängende Szenen aus dem Alltag von Models angucken, die eine schlechte Zoolander-Parodie sein könnten. Dann guckt man stundenlang einem völlig belanglosen Influencer-Pärchen dabei zu, wie es sich gegenseitig anödet, bevor es endlich auf die Yacht geht.

Auf der springen erstaunlicherweise Iris Berben und Sunnyi Melles herum, haben da aber auch nicht wirklich was zu tun. Und wenn das Boot der Reichen endlich, nach drei Vierteln der Laufzeit, untergeht, beginnt mitnichten ein „Eat the Rich“-Szenario, sondern nun dümpelt der Film halt an einem Strand statt auf einer Yacht herum. Statt bitterböse und pointiert geht es hier belanglos und verschwurbelt zu, nichts ist relevant, keine Figur hat einen Charakter.

Das tut beim Ansehen umso mehr weh, weil das Ding wirklich Potential gehabt hätte. Aber das wird links und rechts eimerweise liegengelassen, und das angeklebte, offene Ende ist erkennbar nur drangestückelt worden, damit der Streifen sich als „Kunst“ rausreden und um eine Aussage drücken kann.

Das muss der Regisseur vielleicht noch lernen: Gute Kunst hat eine Aussage und eine Haltung und ergeht sich nicht in Beliebigkeit. „Triangle“ ist weder lustig noch bissig oder kritisch oder gar dramatisch – er ist belanglose Zeitverschwendung.


The Woman King [2022, Amazon Video]
Westafrika, 1823: Die Elitegruppe der Agojie verteidigt das Königreich Dahome. Das Besondere: Alle Mitglieder sind weiblich. Ihre Anführerin will den Sklavenhändlern Einhalt gebieten, die ganze Dörfer überfallen und die Einwohner verschleppen. Sie träumt davon, dass es eines Tages eine weibliche Königin in Dahome geben wird – eine Woman King.

Vergesst „Black Panther“! „The Woman King“ frisst den Marvel-Flick zum Frühstück. Die „Dora Milaje“-Kriegerinnen aus dem fiktiven Wakanda? Deren Vorlage waren die Agojie, die es wirklich gab.

„Woman King“ haut in der Tat richtig rein, sowohl emotional als auch was die Action angeht.

Das liegt vor allem an dem unglaublichen Cast: Viola Davis (Amanda Waller aus „Suicide Squad“) als Generalin beherrscht jede Szene, in der sie auftritt, und strahlt gleichzeitig Kraft wie Einsamkeit aus. Ihr zur Seite stehen starke Frauen wie Lashana Lynch (007 aus „No time to Die“), Adrienne Warren („Tina Turner“) oder Sheila Atim, die beeindruckend spielt. Das liegt aber auch daran, wie die Szenen gefilmt sind, insbesondere während der Kämpfe. Hier gibt es kein CGI-verseuchtes Kameragewackel mit 12 Schnitten in drei Sekunden, hier hält die Kamera drauf und zeigt beeindruckende Kampfchoreografien, in denen erkennbar viel Arbeit steckt und die häufig erstaunlich blutig und grausam sind.

Die Geschichte selbst hat leider einige Stellen, an der sie sehr rührselig wird – wenn die toughe Generalin etwa davon träumt, das ihr Volk zukünftig ausschließlich von der Herstellung von Palmöl lebt und von der Idee binnen zwei Sekunden den amtierenden König überzeugt, oder wenn sie in einer Auszubildenden ihre Tochter zu erkennen glaubt. So einen Rosamunde-Pilcher-Quark hat der Film eigentlich nicht nötig, und Szenen wie diese brechen die Suspension of Disbelief.

Das ist besonders schade, weil es die dringend braucht, denn so romantisch die Story um die schwarzen Kriegerinnen auch sein mag: Sie ist nicht vollständig wahr. Zwar gab es wirklich ein Frauenregiment in Dahome, dem heutigen Benin, aber die Geschichte des Films ist frei erfunden. Das spielt aber keine Rolle, denn „Woman King“ funktioniert als Action-Film und Historien-Drama, fesselt in nahezu jeder Szene und ist ein wirklich beeindruckender Film.


Spielen:

Ori and the Blind Forest [2015, Switch]
Ori ist ein kleiner Baumgeist, der kurz nach seiner Geburt in einem Sturm verschütt geht. Ohne ihn stirbt der Wald, und er muss irgendwie wieder nach Hause zu seinem Mutterbaum.

Hüpfspiel. Wunderschöne Grafik, knuffig inszeniert, tolle Musik. Leider ist es aber SO SCHEISSEND SCHWER, dass ich nicht über die zweite Map hinausgekommen bin.

Der kleine Waldgeist hält nämlich zu Beginn nichts aus und stirbt sogar nach der Berührung einer Heckenrose. Dazu kommt: Ori steuert wie ein besoffener Seemann. Dank Sprungkurven und Beschleunigungsverhalten waren die superkniffligen Sprungpassagen, mit denen das Spiel ab Minute eins aufwartet, so frustrierend, dass ich es nach dem 124. Versuch eine bestimmte Stelle zu überwinden wutentbrannt gelöscht habe. Ein superputziges Spiel, was mich zu Wutausbrüchen gebracht hat.

Persona 3 Portable [2006, 2023, Switch]
Jede Nacht, Punkt Mitternacht, beginnt die dunkle Stunde. Die verbirgt sich in der Lücke zwischen zwei Sekunden, zwischen 00:00:00 und 00:00:01. Die wenigsten Menschen nehmen sie wahr, aber einige Auserwählte erleben die dunkle Stunde bei vollem Bewusstsein. Was sie dort sehen, ist ein Albtraum: Schattenwesen wandeln auf der Erde und rauben Menschen die Seele. Zentrum dieses Schattenreichs ist ein bizarrer Turm, der hunderte Stockwerke in den Nachthimmel wächst. Eine Gruppe Schüler:innen macht sich auf, den Turm zu erklimmen und vielleicht die Schatten zu besiegen. Sie finden: Den Tod.

Alter Schwede, das ist ja FINSTER. Ich bin über „Persona 5“ von 2016 zu der Reihe gekommen, das war stylisch und deep. Dann habe ich „Persona 4“ auf der PS Vita nachgeholt, das wirkte fröhlich und poppig, hatte aber als Kern eine Gruselgeschichte mit Serienmörder-Setting. Das ist aber alles nichts gegen den finsteren Shit von Persona 3!

Das beginnt damit, das die Jugendlichen, um ihre „Persona“ genannten Kampfkräfte zu aktivieren, symbolisch Suizid begehen müssen, indem sie sich eine Pistole an den Kopf halten und abdrücken.

Das geht weiter über die Darstellung der „dunklen Stunde“, während der alle normalen Menschen zu Särgen werden und endet mit der Feststellung, dass uns allen der Tod innewohnt, und der unausweichlich ist.

Der Tod selbst tritt sogar auf und stellt uns vor eine Wahl: Nach zwei Dritteln der Spielzeit bietet er an, sich zu ergeben. Das Spiel meint es damit sogar ernst, wer die Option wählt, springt sofort und kampflos zum Abspann – erlebt aber so natürlich nicht das „wahre“ Ende. Das eröffnet sich erst nach zähen 80 bis 90 Stunden, und das New game Plus-Intro ist gleich nochmal finsterer. Jede düstere Teenagerfantasie wird hier bildhaft umgesetzt. „Memento Mori“, sei Dir deiner Sterblichkeit bewusst.

Sich um die komplette Spielzeit zu bringen wäre schade, denn der serientypische Mix aus Schulalltag, Freizeitaktivitäten und rundenbasierten Kämpfen funktioniert hier schon fast genauso gut wie in den späteren Spielen. Die Betonung liegt aber auf fast, denn in P3 sind die Charaktere noch schlecht ausgearbeitet, die Social Links öde, und das Pacing und Balancing hat man in späteren Serienteilen viel besser hinbekommen.

So habe ich nervig viel Zeit damit verbracht, im dunklen Turm Erfahrungspunkte zu grinden und immer den gleichen Monstern auf´s Dach zu hauen. Viel Abwechselung gibt es da nach hinten raus nicht, die 264(!) Stockwerke des Turms sind zufallsgeneriert und die Monster in jedem Abschnitt immer die gleichen.

Der Grind ist aber nötig, weil man sonst gegen die alle zehn Stockwerke auftauchenden Zwischenbosse oder die alle 30 Tage auftauchenden Storybosse keine Chance hat. Unschön und kompliziert auch das Verschmelzungssystem, bei dem man aus gefangenen Monstern neue erschafft, die dann für einen kämpfen. Das ist in P3P überkomplex und funktioniert schlecht, weil eigentlich optional scheinende Quests nötig sind, um die stärksten Viecher zu bauen – so habe ich Stunden damit verbracht einen starken Charakter zu schmieden, nur um kurz vor Ende zu merken, dass ich am Anfang des Spiels einen Besen oder so hätte finden müssen. Das ist Quatsch und frustrierend.

Nicht berauschend ist auch die Präsentation. Auf der Switch gibt es lediglich Persona 3 Portable, das seine Herkunft vom Nintendo DS nicht verhehlen kann. Diese Version des Spiels ist zwar balancierter und fairer als die UR-Version auf der PS2 und bietet zwei wählbare Protagonisten, es gibt weder 3D-Oberwelten noch Zwischensequenzen, und die Geschichte und Dialoge werdem nur über immer gleiche Standbilder erzählt. Ist aber Wurst, wer Bewegtbild möchte, guckt sich einfach „Persona 3 – The Anime“ auf Netflix an, da gibt es die ganze Story in drei 90-Minuten-Filmen. Die sind übrigens auch düsterer Shit, mehr Emo und Goth geht kaum.

Ich hatte in den vergangenen Monaten auf jeden Fall viel und seeeeehr lange Spaß (93 Stunden) an Persona 3, das sich auf der Switch auch schön zwischendurch spielen lässt. Notiz an mich selbst: Das optimale Team sind MC als Damagedealer, Akihiko und Aigis als Support für Buffs/Debuffs und Yukari als Heilerin. Für Endgegner sollte man ein Level um die 82 haben.


Machen:
– TÜV für die Moppeds.
– Sache mit Vaddern regeln
– Probefahrt mit einem anderen Auto. Resultat: Das kleine Gelbe quittiert spontan den Dienst.


Neues Spielzeug:
– Pflanzen! Echter Jasmin, ein Erdbeerbaum, Honigbeeren, Feigen, Kiwi, japanische Maulbeere und eine Passionsblume.


Ding des Monats:


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Momentaufnahme: Februar 2023

Herr Silencer im Februar 2023, dieses Mal mit unspassigen Spielen von verrückten Japanern und einem ärgerlichen Drecksfilm von Shah Rukh Khan.

Wetter: Monatsanfang um die Null Grad, tageweise Ausreisser bis auf Minus 5 und dabei Regen plus Gewitter, Sturm und Sonnenschein in einem wilden Mix. Mitte des Monats nachts Minus drei, tagsüber bis zu 13 Grad, teils Sonnenschein, teils Regen. Monatsende mit nachst minus sechs und Schnee wieder deutlich kälter.


Lesen:

Jasper Fforde: The Woman who died a lot (Thursday Next, Band 7) [2013, Kindle]
Thursday Next ist nach dem schlimmen Unfall im Vorgängerband ein körperliches Wrack. Deshalb kehrt sie auch nicht zur Sonderpolizei SpecOps zurück, sondern übernimmt die Leitung der East Wessex Bibliothek – eine Einrichtung, die finanziell, personell und von der Bewaffung so stark aufgestellt ist, wie das Verteidigungsministerium von Wales. In der neuen Position hat sie nicht nur mit Budgetvorgaben zu kämpfen, sondern auch mit der Tatsache, das sie ständig in Androidenkörpern erwacht, die kurz darauf wieder getötet werden. Außerdem: Swindon steht kurz davor, von Gott vernichtet zu werden, ihr Sohn Friday wird einen Mitschüler umbringen und niemand weiß warum, und Töchterchen Jenny existiert weiterhin nicht.

Klingt alles total crazy. Fforde-typisch gibt es hier wieder fantastisches Worldbuilding, in der aber nur laue Charaktere mit aberwitzigen Problemen herumtappen, bis fünf vor zwölf per Deus Ex Machina aufgelöst werden. Dieses Mal nicht mal sonderlich witzig, und das Tempo ist schnarchlangsam. Definitiv der schlechteste Band der siebenteiligen Trilogie.


Hören:


Sehen:

Clarksons Farm, Season 2 [Amazon Prime]
Staffel zwei erzählt die Geschichte weiter, wie Ex-Top Gear-Moderator Jeremy Clarkson seine Farm in Südengland bewirtschaftet, ohne davon wirklich Ahnung zu haben. Seine neueste Idee: Kühe züchten und die, lecker zubereitet, in einem kleinen Farmcafé servieren. Dagegen hat der Ortsrat etwas.

Wieder sehr vergnüglich, die acht kurzen Episoden von Staffel zwei. Die Geschichte mit dem Ortsrat ist ein echtes Drama, das den Bogen zu verfehlter Tory-Politik, dem Versagen der britischen Regierung und zum Brexit aufmacht. Das ist vergnüglich wie betrüblich anzusehen. Die Story hatte ich nach meinem Besuch auf Clarksons Farm aufgeschrieben, jetzt gibt es Bewegtbilder dazu.

Black Panther II: Wakanda Forever [2022, Disney+]
Der Panther ist tot. Das Phantasieland Wakanda trauert, während die Welt hinter seinen Vibratoren her ist. Zu allem Überfluss kommt ein atztekischer Gott um die Ecke und will Afrika unter Wasser setzen.

Ach, ja mei. Die Geschichte ist schon lang und seltsam, und der Bösewicht eine unglaubwürdige Figur. Was den Film rettet ist der fantastische, überwiegend schwarze und weibliche Cast. Angela Basset rockt als Königin alles weg und Dana Guirira als Okoye hat, zusammen mit den anderen Kriegerinnen, die dicksten Eier überhaupt. Funfact: Eine der Elitekriegerinnen, Florence Kasumba, wacht als Tatort-Kommissarin über Göttingen. Watch out, Gesindel!

Bullet Train [2022, BluRay]
Ein Schnellzug rast durch die Nacht, von Tokio nach Kyoto. An Bord: Der vom Pech verfolgte Kriminelle Brad Pitt und mehrere skurrile Charaktere, die anscheinend alle hinter dem gleichen Ziel her. Dann wird es blutig – und lustig.

Tolle Besetzung, tolles Konzept. Was passiert, wenn ein halbes Dutzend Killer, die sich alle nicht kennen, in einem sich immer weiter leerenden Zug durch die Nacht rasen, und alle hinter dem gleichen Ding her sind? Skurrile Situationen, feine Kampfchoreografien und überraschende Einfälle folgen hier Schlag auf Schlag. Wie ein Tarantino-Film, aber schneller und witziger. Sehr toll und schon jetzt für mich ein Anwärter auf „Film des Jahres“, auch wenn dem Ende deutlich anzumerken ist, dass es nachträglich gedreht und angeflanscht wurde.

Zero [2018, BluRay]
Shah Rukh Khan ist von Beruf Sohn. Ungebildet, faul, frech und hinterlistig pöbelt er am liebsten den ganzen Tag rum oder verschleudert das Geld seines Vaters. Trotzdem wird als seine Haupteigenschaft nicht „Kotzbrocken“ benannt, sondern seine Kleinwüchsigkeit. Der nur 1,40m große Arschlochmann trifft auf eine behinderte Wissenschaftlerin, gewinnt ihr Herz, verlässt sie dann aber sofort für eine hübsche Sängerin. Am Ende fliegt er zum Mars.

„Wieviel Unfug kann man in einen Film stopfen?“ Shah Rukh Khan: „Ja“.

Genau wie „Mein Name ist Khan“ ist auch „Zero“ völlig überfrachtet. „Khan“ hatte im Kern ein Ernstes Anliegen, nämlich die gesellschaftliche Diskriminierung Muslimen in den USA nach 09/11 zu zeigen. Verkackt hat der Film es dann, weil man dachte, das reiche nicht, und Shah Rhuk Khan unbedingt seine Figur als stotternden Autisten spielen musste – was ebenso unnütz wie peinlich sowie ärgerlich war.

„Zero“ fährt sowas wieder auf, nur ungleich ekelerregender: Die Kleinwüchsigkeit von Khans Charakter ist lediglich ein Gimmick und ein Vorwand, SRK auf überdimensionierten Möbeln und Motorrollern rumturnen zu lassen. Eine sehbehinderte Figur dient als Comic Relief, das mit einer Taschenlampe durch die Kulissen stolpert. Am Schlimmsten ist aber Anushka Sharmas Rolle. Sie mimt eine unter Zerebralparese leidende Frau, die mit Spasmen im Rollstuhl sitzt und sich zuckend durch den Film grimassiert.

Ich habe ein echtes Problem damit, wenn Behinderungen nur dazu dienen, um völlig belanglose, schlecht geschriebene und unsympathische Charaktere vermeintlich interessanter zu machen. Dazu kommt: Die Darstellungen in „Zero“ sind schlecht gespielt und völlig übertrieben. Ein Film zum Fremdschämen, dessen grundsätzlich schon miese Geschichte wirr und schlecht erzählt ist. Einzig Katrina Kaif spielt hier großartig, aber das reisst es nicht raus. Der unsägliche Streifen ist zum Glück und zu Recht an den Kinokassen getankt.

Jab Thak Hai Jaan – So lange ich lebe [2012, DVD]
Shah Ruhk Khan ist ein wortkarger Major der indischen Armee. Ohne Schutzanzug und scheinbar ohne Furcht hat er schon fast einhundert Bomben entschärft. Eine junge Journalistin interessiert sich für die Geschichte des „Mannes, der nicht sterben kann“, wie er bewundernd von seinen Kollegen genannt wird. Tatsächlich schafft sie es, Kontakt zu dem Einzelgänger aufzunehmen. Sie lernt einen Mann kennen, der seit dem Verlust seiner großen Liebe innerlich tot ist.

„So lange ich lebe“ spielt in einer Liga mit „Om Shanti Om“ und ist einer der besten Bollywoodfilme, die es nach Europa geschafft haben. Dabei helfen nicht nur die tolle Geschichte und schöne Bilder, sondern auch der Schauplatz: Ein Großteil des Filmes spielt in London. Dazu kommt der wahnsinnig tolle, weibliche Cast: Katrina Kaif als britische Meera ist grandios, und Anushka Sharama als Journalistin sprüht geradezu vor guter Laune.

Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr [2021, Prime Video]
Alter Mann steigt in John O´Groats, im nördlichsten Nordzipfel von Schottland, in einen Bus. Sein Ziel: Lands End in Cornwall, im südlichsten Zipfel Südenglands. Unterwegs trifft er Leute, und Stück für Stück wird enthüllt, warum er sich auf diese Reise machte.

Mit dem Bus durch die Landschaften von Schottland und England! Und zwar ziemlich genau die Strecke, die ich im vergangenen Jahr mit dem Mopped gefahren bin! Tolle Landschaft, skurrile Leute! Das könnte ein nettes Road Movie sein!

Tja, ist es aber leider nicht. Das liegt vor allem am Drehbuch. Die Figur des alten Mannes wächst einem nie wirklich ans Herz, dazu erfährt man zu wenig über ihn. Sein Verhalten ist erratisch, und der Grund seiner Reise wird als großes Geheimnis präsentiert. Als Zuschauer hat man das allerdings nach 20 Minuten erraten, der Film geheimnisst dann aber noch eineinhalb Stunden weiter, ehe zwei Minuten vor Ende alles in Pastellfarben aufgelöst wird. Durch diese Geheimnistuerei geht nicht nur die Plotstruktur ziemlich flöten, auch die zweite Hauptfigur wird als grundunsympathisch eingeführt, obwohl sie das Empathiezentrum des Films sein müsste. Das der Film ab der Hälfte dann gerne noch „Forrest Gump Light“ wäre, macht es nicht besser.

Der 65jährige Timothy Spall („Wurmschwanz“ aus den Harry-Potter-Filmen) spielt den ca. 95jährigen Hauptcharakter unter einer erstaunlich schlechten Maske völlig inkonsistent. Vermutlich liegt das an der Regie, denn Spall kann eigentlich so richtig was.

Der Deutsche Titel ist übrigens völlig wurstig. Der Film heißt eigentlich „Der letzte Bus“, was viel mehr Sinn ergibt und eine ganz andere Dramatik impliziert. Aber die deutschen Verantwortlichen sind geistig wohl immer noch bei bei Titeln wie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ – aber der ist von 2010 und war auch damals schon sperrig und schlecht.

Von daher: Schöne Idee, handwerklich aber so schlecht umgesetzt, dass der Film keinen Spaß macht und völlig belanglos bleibt. Nicht mal schöne schottische Landschaft gibt es in annähernd ausreichender Menge zu sehen.


Spielen:

Death Stranding – Director´s Cut [2019, PS5]
Ein kataklystisches Ereignis hat dafür gesorgt, das sich die Welt der Lebenden und der Toten miteinander vermischen. „Der Tod ist in der Welt gestrandet“, sagen die wenigen Menschen, die die Katastrophe überlebt haben, und verstecken sich in unterirdischen Bauten.

Da mit dem Ereignis auch jegliche Kommunikation zusammengebrochen ist, hockt da nun jeder für sich in seinem Bunker, ohne Kontakt zur Außenwelt. Die einzige Verbindung zwischen den Bunkern sind sogenannte Träger, die Waren zu Fuß hin- und hertragen. So ein Träger ist Sam. Zu Fuß stapft er durch ein Amerika, das aussieht wie Island, und beliefert Bunker mit Paketen und Netzwerkausrüstung. Das finale Ziel: Von Ost nach West über den gesamten Kontinent zu wandern und die versprengten Siedlungen mit einem Netzwerk zu verbinden. Dagegen haben aber Gespenster, verrücktgewordene Postboten und sinistre Maskenträger etwas.

Vor „Death Stranding“ habe ich mich lange gedrückt. Zum einen wurde es auch in der Fachpresse als „DHL-Simulator“ beschrieben, denn die Kernmechanik besteht darin, die Spielfigur ohne zu stolpern durch unebenes Terrain zu steuern und Pakete auszuliefern. Wie unterhaltsam kann das schon sein?

Zum anderen ist es ein Spiel von Hideo Kojima. Der gilt vielen als Gott des Gamedesigns, als einer der letzten Grand Auteurs der Industrie. Ich halte ihn für einen durchgeknallten Spinner, dessen Machwerke vollgestopft sind mit Hirnfürzen, die an der Grenze zur Unspielbarkeit wandeln. Quasi ein David Lynch der Spieleindustrie. Ohne einen ordentlichen Producer, der einfach mal sagt wann es genug ist, stopft der Japaner seine Games einfach endlos mit seltsamen Zeugs voll, bis es einen vor Cringe schaudern lässt.

So ist nicht nur die Grundprämisse von „Death Stranding“, das ein Paketbote zu Fuß die letzte Hoffnung der Menschheit ist, völlig Kuckuck. Nein, der Paketbote muss auch einen einen Fötus in einer Flasche um den Hals tragen, um Gespenster sehen zu können. Er muss sich gegen wahnsinnig gewordene Briefträger wehren. Seine Mutter ist auch die Präsidentin der USA. Seine Schwester ist gleichzeitig irgendwie auch seine Frau. Mads Mikkelsen sein Vater. Und er selbst sein eigens Baby. Ach ja, und Granaten werden aus Sams Badewasser oder seinen Urin gemacht, Gewehrpatronen und Seile aus seinem Blut.

Falls das nicht schon hirnzersetzend genug ist: Es wird immer nur noch schlimmer. Die wenigen Charaktere, denen man beim Pakete austragen begegnet, tragen Namen wie Deadman, Heartman oder Die-Hard-Man. Wenn Regen fällt vergeht die Zeit schneller und verdirbt die Ausrüstung, und einer der Charaktere fällt alle 21 Minuten mit Herzinfarkt um, was Unterhaltungen mit ihm schwierig macht.

Bei so geballtem Quark hilft es dann auch wenig, das der Cast so hochkarätig ist. Sam-der-Briefträger wird gespielt von Norman „Walking Dead“ Reedus, Guillermo del Toro gibt den seltsamen Wissenschaftler, Léa Sedoux ist als Femme Fatale Fragile mit dabei und Mads Mikkelsen als Bösewicht. Diese Figuren gucken immer mal wieder vorbei, in erster Linie um Exposition zu dumpen, dann ist man als Spieler wieder allein in Island mit seiner Paketauslieferung.

In den ersten Stunden zieht einen die ungewöhnliche Spielmechanik durchaus mit, bei der man versucht über Wiesen und Berge zu laufen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Dann interessiert einen für eine gewisse Zeit die Story, denn „Death Stranding“ ist gerade wegen seiner Absurdität wie ein Autounfall, von dem man wissen möchte, wie schlimm es am Ende wirklich wird.

Das Dranbleiben macht einem das Spiel aber nicht leicht, denn das Spieldesign ist teils unter aller Kanone. Das fängt bei ultra-komplizierten und in nanogröße beschrifteten Menüs an, in denen man permanent rumfummeln muss und deren User Experience wirkt, als habe Kojima nie auch nur ein Playstation Game von Nahem gesehen. Alles ist hier anders als es die Konsolenkonventionen vorgeben, und das funktioniert richtig schlecht. Auch nach 40 Spielstunden hatte ich noch nicht den Knopf zum verlassen der Menus verinnerlicht.

Das geht bei der Steuerung weiter, die einen ein ums andere Mal ins Gamepad beißen lässt, weil die Spielfigur sich oft bewegt, also ob sie in Teer feststeckt – was sie häufig sogar wörtlich tut. Sie bewegt sich auch dann eigenwillig, wenn man sich plötzlich auf Schlachtfeldern im ersten Weltkrieg wiederfindet (fragen sie nicht) und das Spiel plötzlich ein Shooter sein will – was hinten und vorne nicht funktioniert, teils weil alles zu träge ist, teils aufgrund von Bugs. In schnellen Feuergefechten ruft nämlich die Taste für die Waffenauswahl reproduzierbar das verkehrte Menu auf. Statt schnell das Gewehr nachzuladen beginnt die Spielfigur dann damit, sich gemütlich Sandalen anzuziehen, und statt zwischen Granaten und Raketenwerfern kann man plötzlich zwischen verschiedenen Sonnenbrillen wählen.

So watet man dann in Zeitlupe durch Teer und versucht die Sandalen wieder auszuziehen, währen ein Weltraumwal (fragen sie nicht) mit Glibber auf einen schießt und unser Briefträger alle zwei Sekunden sämtliche Ausrüstung aus seinem Rucksack verliert, weil er mal wieder gestolpert ist.

Kommt man mal zum Schuss, stellt man schnell fest, das selbst der Mega-Quadruple-Raketenwerfer nahezu wirkungslos ist, oder dass das Sturmgewehr schon wieder zu Staub zerfallen ist, weil es zu viel Zeitregen abbekommen hat. Und zu allem Überfluss schreit auch noch die ganze Zeit dieses verdammte Baby, das man in der Flasche um den Hals trägt. Da ist man dann fast froh, wenn diese Sequenzen hinter sich hat, und das Gameplay sich wieder darauf beschränkt, das unser Postbote im Regen einen Berg herunterfällt.

Nichts davon macht Spaß.

Richtig schlimm ist das Pacing. Nach einem überholpert schnellem Start latscht man in der Welt rum und liefert Pakete aus, während die Geschichte praktisch nicht vorankommt. Nach rund 40 Stunden passiert dann aus dem Nichts ein Megashowdown gegen den Schurken – aber dann ist das Spiel nicht vorbei.

Wie ein Gast, der länger bleibt als er willkommen ist, setzt „Death Stranding“ dann weiter und weiter einen drauf. Nach dem Megakampf kommt ein Showdown mit Schleicheinlagen, der megafrustrierend ist. Keine Ahnung, was Kojima sich gedacht hat, aber mit einer untauglichen Mechanik gegen einen Feind anzuschlecihen, der mit Röntgenblick ausgestattet ist und sich alle paar Sekunden woanders hinteleportiert – wie kann sowas Spaß machen? Aber das ist natürlich nicht das Ende, denn auf diesen spielerischen Müll folgt ein Faustkampf und DANN!! beginnt erst die eigentliche Handlung.

Weil für die wohl kaum noch Zeit war, findet die zum Großteil über Funksprüche statt, während man durch den Regen latscht. Das Finale zieht sich dann auch noch ewig, bis hinein in die sechs(!) Abspannsequenzen und danach gibt es noch einen Kurzfilm. Wirklich, die letzten acht Spielstunden wollte ich wirklich nur noch, dass es vorbei und stöhnte jedes Mal laut, wenn das Spiel mit weiterem Quatsch um die Ecke kam. Schlimm, echt ganz schlimm.

Ganz, ganz selten hat das Spiel seine Momente, etwa in Situationen, wenn man gerade mal wieder allein durch die Landschaft latscht und dann die Kamera ein wenig rauszoomt und ein trauriger Song gespielt wird. Das vermittelt gut die Einsamkeit des Charakters – wird aber gleich wieder durch absurden Quatsch gebrochen, weil man z.B. seine eigene tote Mutter auf dem Rücken trägt, die in 5 Minuten explodiert, wenn man sich nicht beeilt.

Nett ist auch der Einfall, dass nach Durchwandern eines Gebiets Dinge, die andere Spieler gebaut haben, in der eigenen Spielwelt auftauchen. Das reicht von Hilfsmitteln wie Brücken oder Leitern bis hin zu Ausrüstung, mit der andere Spieler helfen. Man kann sogar mit fremden und stets unsichtbaren Mitspielern gemeinsam Straßen oder Seilbahnen bauen und so das Island-Amerika gemeinsam erschließen. Das ist nice, aufgrund ständiger Ressourcenknappheit oder Mangels Transportmöglichkeiten geht das aber nur im Endgame richtig voran, oder wenn man zwanzigtausend optionale Aufträge durchführt und ein Bierfaß über die Alpen trägt und sowas.

Freude am Bauen kann man schon vor dem Endgame haben, aber das will das Spiel nicht – spätestens in Kapitel 13 setzt unangekündigt ein Dauerregen ein, der nahezu alles, was man bis dahin gebaut hat, zerstört. Hat man also den Leerlauf der vorangegangenen Kapitel genutzt und einfach Spaß am Koop-Bauen gehabt, wird das kommentarlos vernichtet.

„Death Stranding“ ist ein weiteres, echtes Kojima-Werk, ganz ohne Zweifel. In meinen Augen bedeutet das: Eine Wundertüte voller Hirnfürze, die einen mehr ärgern als staunen lassen und die viel, viel zu lange geht.


Machen:
– Sperrmüllentrümpelung


Neues Spielzeug:
– Lagerregale, und ein Hochbeet. Der Sommer wird toll.


Ding des Monats:
Das Kleine Gelbe AutoTM – das jetzt auch einen Baumschlag überlebt hat.


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Sperrmüll 1927

Ich mag es nicht, zu viele Dinge zu besitzen. Angesammeltes und unbenutztes Zeug nimmt Platz in Wohnung und Keller weg, und es engt mich gefühlt auch mental ein. Jeder Gegenstand, den man besitzt, trägt ein Stück der eigenen Seele in sich. Ist die Seele auf zu viel Zeugs verteilt, bleibt für einen selbst zu wenig übrig.

Nachdem ich in diesem Jahr gemerkt habe, das ein 16:9-Bild auf einem 4:3 Fernseher mittlerweile doch SEHR klein ist, war klar: Den alten Röhrenfernseher brauche ich nicht mal mehr, um das eine Mal im Jahr „Dschungelcamp“ zu gucken, der kann jetzt nach 26 Jahren wirklich weg. Auch, wenn die Fritzbox dann einen anderen Standort braucht.

Folgerichtig Sperrmüll bestellt. Warnung auf der Website der Entsorgungsbetriebe: Achtung, Termin kann drei Monate dauern. Okay, April oder Mai passt mir, da habe ich noch nichts vor. Dann der Bescheid: Wir holen ihren Kram übermorgen. WTF? Drei Tage statt drei Monate Wartezeit? Respekt! Also schnell ausmisten.

Was kann noch weg? Ah, ja! Der 90er Jahre Vitrinenschrank, den mir die Nachbarin beim Einzug aufgedrängt hat, und gegen den ich mich nicht genug gewehrt habe. Zwölf Jahre sind als Zeitraum, den man ein ungewolltes Geschenk aus Höflichkeit behält, wohl genug.

Sonst noch was? Die Dachbox vom Auto vielleicht? Schade drum, aber nimmt viel Platz weg, will niemand haben und um ehrlich zu sein, habe ich die seit 14 Jahren nicht mehr benutzt. Wie wahrscheinlich ist es, dass ich die wirklich nochmal brauche? Die Zeit, wo ich mit drei, vier Personen im Auto auf Zelturlaub gefahren bin, sind lange vorbei.

Die Alufelgen vom Kleinen Gelben AutoTM können auch weg. Die sind zwar in Ordnung und sehen geil aus, aber das Auto wird nie wieder Sommerreifen bekommen. Okay, und hier noch ein Stuhl und dort ein alter Computer und mein erster „Ingo“-Küchentisch, ein altes Windschild für die ZZR und eines für die Suzuki, eine Kühlbox mit schleifendem Lüfter, ein Reisekleiderschrank und der 13 Jahre alte N90-Helm, und das war es dann.

Oh, Moment! Ich könnte eigentlich mal diese Ecke in der Garage ausmisten! Schränkchen samt Inhalt und der Plunder in der Ecke sind noch von den Vermietern, das kann wirklich mal weg, das braucht nie wieder jemand.

Wieviel Plunder ist denn das in der Ecke? Ach, nur ein paar Holzteilchen, das geht sicher schnell.

Damit nahm dann das Elend seinen Lauf. Wie eine angestochene Eiterbeule quoll ZEUG aus allen Ecken der Garage, in Summe war ich das halbe Wochenende mit Kramen und Sortieren beschäftigt.

Man glaubt es ja echt nicht, was da alles angesammelt war: Alte Ölkanister. Lösungsmittelbehälter. Abschnitte von Holzbalken. Holzleisten. Kurze Bretter. Lange Bretter. Metalleisten. Bleche, angeschnitten. Metallplatten, mehrere Millimeter dick. Türschlösser, der Größe nach von Kirchentüren. Betonplatten. Reste von Marmorplatten, die bestimmt nicht in diesem Haus verbaut sind. Wackersteine.

Hinter der alten Hobelbank ging es weiter. Spanplatten aus alten Möbeln. Mehr Holzleisten. Dachrinnenhalter. Hufeisen. Eine zwei Meter lange Tischplatte(?), oben aus Metall, im Unterbau aus Presspappe. Unausgepackte Blätter für eine Kreissäge, die es hier im Haus nicht gibt.

Wirklich erstaunlich, was hier alles gelagert war. Aber auch kein Wunder, das knuffige Vermieterehepaar war Jahrgang 1927, Kriegsgeneration, da musste ALLES aufgehoben werden – man wusste ja nie, wann man es mal braucht.

Das ist auch der Grund, warum hier krumme, weil gebrauchte Nägel und benutzte Schrauben rumlagen, fein säuberlich aus alten Brettern herausgedreht und dann unsortiert in Kisten gekippt. Dazu Dutzende Schalter, ausgebaut aus Nachtischlampen oder vom Kabel abgeschnitten. Gebrauchte Scharniere. Noch ein Hufeisen. Sardinendosendeckelaufroller. Flaschenöffner. Verrostete Sägeblätter. In Summe bestimmt 10 Kilo gammeliges Altmetall.

Zum Glück durfte ich fast alles wegwerfen, nur an einigen Holzböcken (nicht faltbar, nehmen echt viel Raum ein, werden demnächst auseinandergeschraubt) hing noch das Herz eines Erben. Erinnerungsstücke an den Großvater.

Nachdem ich mich einmal durch Keller und Garage gearbeitet hatte, war eine krasse Menge an Müll zusammengekommen. Sieht auf dem Bild alles ordentlich aus, weil es gut gestellt ist, aber welche Menge an Holz-Kleinteilen sich darunter verbirgt, ahnt man kaum. Und nichts, kein Teil davon war in meinen Augen noch brauchbar.

Am schwersten war es, die vier Meter langen Eichenbretter raus zu schleppen. Die dienten vermutlich zum Gerüstbau beim Bau des Hauses, in den 70ern.

Sie wieder rein zu schleppen war noch schwerer, denn zwischenzeitlich kam ein Nachbar vorbei und wies darauf hin, dass die Dinger für Sperrmüll zu lang seien und man sie auch nicht einfach fix zersägen könnte, weil sie mit Betonschleier überzogen seien und der eine Motorsäge stumpf machen würde. Da hat er wohl recht, der Nachbar.

Tja, nunja. Bleiben die halt noch ein wenig hier liegen, und die Holzböcke halt auch. Aber wenigstens wurde der ganze andere Krempel rückstandslos abgeholt. Die Müllwerker sind meine persönlichen Helden, dank denen sind nun Wohnung, Garage und Keller zumindest etwas leerer – und mein Kopf fühlt sich auch wieder freier an.

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Baumfall

Es gibt so richtige Scheißtage. Auf dem Weg zur Arbeit wird man dreimal fast überfahren, alle drehen am Rad und in Summe klappt nichts. So Tage, wo man besser gar nicht erst aufgestanden wäre.

Bei mir war so ein Tag der Mittwoch vergangene Woche. Weil der Tag sich so flegelhaft gab, beschloss ich früh Feierabend zu machen. Beim Verlassen des Firmengebäudes nieselte es und war windig. Bei der Fahrt den Berg nach Mumpfelhausen hinauf wurde das Kleine Gelbe AutoTM von Windböen durchgeschüttelt, und Regen klatschte auf die Scheiben.

Die Straße über den Berg führt durch einen Wald, und hier wurde es schlagartig dunkel und begann so heftig zu stürmen, wie ich es hier noch nie erlebt habe. Laub und kleine Zweige wehten über die Straße, und der Regen viel nicht mehr von oben nach unten, sondern von links nach rechts. Der Wagen vor mir schlich nur noch dahin. Anstatt Gas zu geben und möglich schnell aus dem kurzen Waldstück rauszukommen, wurde er immer langsamer.

Mittlerweile war es so dunkel wie mitten in der Nacht, und der Sturm wirklich so schlimm, dass ich bei mir dachte: „Scheiße, das wird jetzt echt gefährlich“ – und in dem Moment knallte es, und der Wagen wurde durchgeschüttelt sich. Irgend etwas hatte den Seat Leon getroffen „Uh, ob das wohl eine Beule geben wird?“, dachte ich noch so bei mir. Und dann schaute ich in den Rückspiegel und merkte, dass die Heckscheibe fehlte. Ein Blick in den Seitenspiegel zeigte, dass das Heck des Autos komisch aussah, und alle Fahrzeuge hinter mir an der Stelle anhielten, wo etwas mein Auto getroffen hatte.

Warnblinker an, anhalten. Tür gegen den Sturm aufstemmen, zurücklaufen, auf die Kolonne der wartenden Fahrzeuge zu. Das vorderste Auto war ein großes SUV. Durch die Regenschleier sah ich in dessen Scheinwerferlicht einen Radfahrer. Der hatte sein Rad in den Graben gelegt und schleifte gerade im strömenden Regen einen meterlangen und beindicken Ast von der Straße. Unter den Augen des SUV-Fahrers. Als ich auf hundert Meter ran war, hatte der tapfere Radfahrer es geschafft und freie Bahn für die dicken Autos geschaffen. Ansonsten war anscheinend nichts passiert, es war halt nur dieser dicke Ast runtergefallen – und der hatte mein gelbes Auto getroffen.

Ich lief zurück zu meinem Wagen. Shit. Der Ast war nicht nur in die Heckscheibe gefallen, sondern hatte das gelbe Auto in der linken, hinteren Ecke erwischt. Exakt auf Höhe der C-Säule. Das Blech rundrum war eingedrückt, und – Oh shit. Auch die Heckklappe. In dem Moment wurde mir klar, dass das hier schlimmer war als nur eine Beule und eine kaputt Scheibe.

Ich beschloss, sofort zu der freien Werkstatt zu fahren, die sich zuletzt um das gelbe Auto gekümmert hatte. Unterwegs war immer noch Weltuntergang, dunkler Himmel, Sturm und wirklich strömender Regen, der durch das Loch im Heck natürlich direkt ins Innere pladderte.

An der Werkstatt angekommen machte man mir nicht viel Hoffnung. „Reparatur wirtschaftlich unsinnig, vermutlich nicht mal möglich“. Und ob man es nochmal fahrbereit bekäme, also Heckklappe funktionabel und mit neuer Scheibe, daran meldete man gleich Zweifel an. „Ist ein 20 VT, der hat geklebte Spezialteile auf der Scheibe – und ob man eine Scheibe für ein 22 Jahre altes Auto noch irgendwo bekäme sei mal auch zweifelhaft.

Wir verblieben so, dass die Werkstatt erstmal gucken würden, ob es noch Scheiben gäbe. Dann, ob sie Spoiler und Heckleuchte so rausschneiden könnten, das man sie neu montieren könnte. Und schließlich, wenn das geklappt hätte, dann würden sie versuchen die Heckklappe in Form zu hämmern.

Eine Menge Unwägbarkeiten und, ehrlich gesagt, hatte ich keine große Hoffnung. Das war es wohl mit dem Kleinen Gelben AutoTM. Nach 16 gemeinsamen Jahren trennt uns ein Baum. Wenn doch nur der Wagen vor mir ein wenig schneller gefahren wäre. Oder wenn die dumme Tussi mich aus der Einfahrt gelassen hätte, dann wäre ich zwei Minuten eher da lang gefahren und es wäre nichts passiert. Ich war ernsthaft traurig. Klar, ist nur ein Auto und sicher, man muss ja froh sein, dass es nicht mich oder, viel schlimmer, den Radfahrer erwischt hatte.

Am Wochenende dann mal Gebrauchtwagen recherchiert und direkt vom Glauben abgefallen. Kleinwagen gibt es nur noch wenige, und für einen 8 Jahre alten Twingo oder Fiat 500 muss man bei Händlern aktuell ab 8.000 Dublonen auf den Tisch legen. Wahnsinn. Im Moment ist wirklich ein ganz schlechter Zeitpunkt um einen Gebrauchtwagen zu kaufen.

Und heute dann… Ein Anruf der Werkstatt. Es sei nicht schön geworden, aber das KGA sei wieder fahrbereit!

Tja, und so sieht es nun aus. Die einst schön geschwungene Dachlinie endet jetzt im Crinkle-Look, wie Mudder Silencer es nannte. Aber es hat eine Heckscheibe, und einen weiteren Gelbton.

Der Restwert, der vor einem halben Jahr noch auf 3.500 Euro geschätzt wurde, dürfte damit jetzt bei Null liegen. Aber ich freue mich trotzdem. Rund 970 Euro hat der Spaß jetzt gekostet. Die muss ich selbst tragen. Der Waldbesitzer hat keine Schuld an dem Sturm, und eine Kasko hat der Wagen schon lange nicht mehr. Aber sei´s drum, für 970 Euro gibt es aktuell keinen Ersatz, und so kann ich das Kleine Gelbe AutoTM noch 10 Monate fahren. Im Dezember trennt uns dann wahrscheinlich der TÜV, aber bis dahin werden wir noch ein wenig Spaß haben. Denn klar ist: So ein passendes, spaßiges und vor allem gelbes Auto werde ich nie wieder besitzen.

Vorerst geht sie also weiter, die Saga des Kleinen Gelben AutosTM.

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Momentaufnahme: Januar 2023

Herr Silencer im Januar 2023

Worte des Monats: Das ist der zweitlängste Januar, den ich je erlebt habe

Wetter: Anfang des Monats die heftigste Hitzewelle seit Beginn der Wetteraufzeichunngen, was um diese Jahreszeit Temperaturen von 13-18 Grad bedeutet. Mitte des Monats scharfe Minustemperaturen um die -8 Grad, auch mal mit ergiebigem Schneefall. Monatsende um den Gefrierpunkt. Ab der zweiten Woche viel Regen, keine Sonne. Trotz des Mistwetters immer noch außergewöhnliche Dürre im Boden.


Lesen:


Hören:


Sehen:

Predestination [2014, Prime]
Jane wird bei einem One-Night-Stand schwanger. Bei der Geburt stellt sich heraus, dass sie ein Hermaphrodit ist. Dann kommt es zu Komplikationen, durch die eine Geschlechtsanpassung vorgenommen werden muss. Aus Jane wird John, und der ist nur von einem Gedanken beseelt: Rache an dem Unbekannten, der zur Hälfte für die Schwangerschaft verantwortlich war. Eines Tages trifft John einen Barkeeper, der sich als Zeitreisender Agent entpuppt, und fragt, ob John bereit ist, in die Vergangenheit zu reisen und den unbekannten Schwängerer zu töten. Zurück im Jahr 1963 verliebt sich John aber in sein jüngeres und weibliches selbst und es kommt zu einem One-Night-Stand – und das ist nur ein Teil des Predestinations-Paradoxes.

Sehr spannender und interessanter Film, der auf der Kurzgeschichte „All You Zombies“ von Robert A. Heinlein basiert. Der Plot ist hirnverknotend komplex – so komplex, das sich Leute die Mühe gemacht haben ihn zu visualisieren:

Wikimedia Johnstoo CC BY SA 4.0

Am Ende ergibt alles einen Sinn – man muss nur akzeptieren, dass eine Person sich selbst gezeugt, ausgetrickst und schließlich getötet hat. Ja, Zeitreisen sind so. „Predestination“ ist ein Sci-Fi Kleinod und mit Ethan Hawk und Sarah Snook toll besetzt.

Der Untergang [2004, Bluray]
April 1945. Die rote Armee steht bereits bei Marzahn, in Berlin Mitte hockt die Führung des 3. Reichs in einem Bunker. Alle wissen, das es vorbei ist und der Krieg verloren, und jeder sucht die Schuld bei anderen. Hitler befiehlt Truppen zu verlegen, die es gar nicht mehr gibt, und ergeht sich dann in Tiraden über Befehlsverweigerung, Karrieregeneräle sind orientierungslos, Göring bereitet einen Putsch vor, Himmler versucht zu den Amerikanern überzulaufen und Göbbels ergeht sich in Wahn und gibt „dem Volk“ die Schuld, das ja immerhin durch Wahl der Nationalsozialisten diesen Weg wollte und nun halt mit den Konsequenzen leben muss.

Ein Bernd-Eichinger-Film, mit 13,5 Millionen der drittteuerste und einer der erfolgreichsten deutsche Filme. Kannte ich bisher nur als Ausschnitt auf Youtube, das berühmte „Hitler rants about…“, wissen schon:

Der Film basiert auf den Arbeiten des Historikers Joachim Fest und den Erinnerungen der Hitler-Sekretärin Traudl Junge, die auch in einem Vorwort und Nachwort zu, äh, Wort kommt. Man habe sich bemüht, möglichst exakt die belegbaren Hergänge zu rekonstruieren und darzustellen und nichts aus dramaturgischen Gründen hinzu zu erfinden. Das mag man ob der teils absurden Situationen kaum glauben, aber Experten (wie Joachim Fest) bescheinigen dem ganzen eine hohe Authentizität. Lediglich kleine Fehler seien im Film , wie die falsche Todesart von Magda Goebels.

Ein düsterer und sehr gelungener Film. Besonders gut: Die Darstellung der historischen Figuren. Bruno Ganz als Hitler leistet ganze Arbeit, Heino Ferch gibt einen sehr guten Albert Speer und Ulrich Matthes hat als Goebbels so einen irrlichternden Wahn im Blick, dass man Angst bekommt. es wird sehr schön herausgearbeitet, das jede dieser Figuren eigene Motivationen und Pläne für ihr Handeln hat, und wie sie damit umgehen, dass das Ende naht.

Was kann man aus dem Film mitnehmen? Faschismus ist kopflos, wenn die zentrale Figur des Kults abhanden kommt. Und: Charaktere wie Goebbels übernehmen nie, auf keinen Fall, Verantwortung für ihr Tun – im Zweifel sind die schuld, die ihn gewählt haben. Krasse Erkenntnisse.

Midsommar [2019, Prime Video]
Eine Gruppe egaler Ami-Studis begleitet ihren Kumpel Pelle Wurstgesicht in seine Heimat Schweden. Warum? Um an einer Sonnenwendfeier in der Kommune, in der er aufgewachsen ist, teilzunehmen. Was als putziges „ach guck, die tragen Blümchen in den Haaren“ beginnt, wird bald zunehmend schräg. Die freundliche Kommune hat nämlich so ihre ganz eigenen Regeln und nutzt die Sonnenwendfeier u.a. dazu, um Inzest zu vermeiden und frisches Blut in die kleine Gemeinschaft zu bekommen.

Alter Schwede (SIC!). Hätte fast nach fünfzehn Minuten ausgemacht, weil langweilig und nervig. Der Anfang besteht wirklich nur aus übersteuertem Rumgeplärre einer endnervigen Else, die man als Zuschauer nicht kennt und ihr folgerichtig keine Empathie entgegenbringen kann.

Nach 30 Minuten findet der Film aber seinen Ton, und ab da wird es interessant. Die ganze Studi-Truppe bleibt ein Sammelsurium von Arschgeigen, für die man keine Sympathie empfindet. Umso schöner, wenn diesen Leuten dann schräge Dinge passieren und man, die sind in „Midsommar“ WIRKLICH schräg. Von drogengetränkten Sexritualen bis hin zu Soylent-Green-artigen Zelebrierungen von altersbedingten Freitoden ist hier alles mit dabei.

Neben dem offensichtlichen und expliziten Grusel fühlt man sich als Zuschauer ab der zweiten Filmhälfte zunehmend Unwohl, weil in der Peripherie kleine Dinge oder Verfremdungen passieren, die man erst unbewusst wahrnimmt und sich dann fragt, ob man das wirklich gerade gesehen hat.

Sehr gruseliger Film, mit schnarchigem Anfang und einem gezogenen Mittelteil, der aber so sein muss, um den Punch am Ende vorzubereiten – und der hinterlässt bleibenden Eindruck. Der Film funktioniert auf vielen, vielen Ebenen und lädt dazu ein, über ihn nachzugrübeln.

Ich bin ein Star, holt mich hier raus! [2023, Staffel 16, RTL]
Sehr feine Staffel mit starken Charakteren. Ausfälle waren Claudia Effenberger, dieser „Ich geb Gas ich will Spaß“-Markus und irgendeine blonde Verena, ziemlich egal auch Dressman Papis Loveday und Cecilia Dingens.

Spaß gemacht haben „Madoooona“-Cosimo und Plakativ-Esoterikerin Jana Pallaske sowie Borderline-Persönlichkeit und Veganerin-Karikatur Tessa Bergmeier.

Überraschend:
1. Lucas Cordalis besitzt keinerlei Humor und keine Persönlichkeit, sondern besteht nur aus Fassade. Frei von Entwicklung oder Spaß spulte er seine Rolle ab, zu der das mantrahaft wiederholte „ich will meinen Vater stolz machen“ gehörte. Von Beruf Sohn zu sein ist schon schlimm genug, Lucas Cordalis ist aber von Beruf Ehemann der Katzenberger und von der Persönlichkeit her Sohn und Schwiegersohn, Aszendent Eigenlobler. Auf´s unsympathischste machte er ständig klar, das er der beste sei und quasi Erbanspruch auf die Krone hätte. Mein Sparkassenvertreter ist unterhaltsamer. Trotzdem kam er ins Finale – gewählt mutmaßlich von der Katzenberger-Armee, ZDF-Zuschauerinnen und, so wird geraunt, von angemieteten Callcentern.
2. Die Entwicklung von Krass-Proll Gigi, ungebildet, dabei aber nicht bösartig und messerscharf analytisch, vom unsympathischen Slacker hin zum groben, aber herzlichen Charakter.

Am Ende gewann Djamila Rowe verdient die Krone. Gestartet als Ersatzkandidatin für Martin Semmelrogge, der Vorstrafenbedingt nicht nach Australien einreisen durfte, überraschte sie ab Tag eins mit einer erstaunlich bescheidenen und ehrlichen Persönlichkeit. Der Satz „Ich fühle mich hier wohl, weil ich mal nicht einsam bin“, war schon ein Schlag in die Magengrube. So etwas hätte man unter dem, von zahllosen Schönheits-OPs völlig verunstaltetem, Äußeren nicht erwartet.

Meine persönliche Favoritin war aber Jolina Mennen. Selten eine so clevere, faire und analytische Person im Dschungelcamp gesehen, ihr hätte ich die Krone auch gegönnt. In Summe hat die 16. Staffel wieder mal bewiesen, dass es einzig von den Charakteren abhängt, ob das „Dschungelcamp“ interessant ist. Die 2023er-Ausgabe war das definitiv, und das über weite Strecken ohne Krawall und Toxizität, sondern geradezu harmonisch. Krawall gab es dafür in der Show danach.

Verwanzt [Theater im OP]
Agnes schlägt sich nach mehreren Schicksalsschlägen als Kellnerin durch und versucht ihren Schmerz mit Drogen zu benebeln. Dann taucht Peter auf, ein obdachloser Veteran. Agnes lässt ihn bei sich wohnen. Die beiden teilen Bett, Drogen und – wie sich bald herausstellt – eine Psychose, die sie in den dunklen und letztlich tödlichen Kaninchenbau von Verschwörungsideologien treibt.

Ein Stück, das im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht. Spätestens, wenn die Protagonisten anfangen sich die Haut vom Körper zu schneiden, kommt man aus dem Schaudern nicht mehr raus. Straff inszeniert, nicht zu lang. Besonders beindruckend: Das Spiel von Lisa Tyroller als Agnes. Wahnsinn.


Spielen:

Return to Monkey Island [2022, Switch]
Irgendwo, tief in der Karibik: Guybrush Threepwood ist mittlerweile Pirat, das Geheimnis von Monkey Island versucht er aber immer noch zu finden. Hinter dem ist auch Geister-Zombiepirat LeChuck her.

Awwwww, Monkey Island! Habe ich, wie so viele, eine lange Geschichte mit. Das erste Spiel, „The Secret of Monkey Island“ habe ich 1990 noch auf dem Amiga gespielt. „Return to Monkey Island“ knüpft unmittelbar an „The Curse of Monkey Island“ an, den zweiten Teil von 1991 (11 Disketten auf dem Amiga!) an, dessen seltsames Ende nun 30 Jahre in der Luft hing. Hat sich das Warten gelohnt? Geht so.

Der Grafikstil ist seltsam, geht aber in Ordnung. Die Musik und die Sprecher sind toll. Die Geschichte ist Monkey-Island-typisch schräg und der Humor definitiv lustig. Die Rätsel sind klassisch Point&Click und schon recht schwer, aber nie unfair oder absurd, und falls man wirklich gar nicht mehr weiter weiß, kann man in dem eingebauten und sehr guten Hint-Book nachschauen. Ich muss zugeben, dass ich das zum Ende hin recht häufig nutzen musste, weil ich zwar die richtige Idee hatte, das Spiel die aber leicht anders umgesetzt haben wollte.

Die Steuerung wurde für Konsolen gemacht und geht sehr gut von der Hand, und Quality-of-Life-Verbesserungen wie eine automatische Anzeige nicht-kombinierbarer Elemente machen das Leben schöner.

Warum dann nur „geht so“? Weil SPOILER
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Weil Ron Gilbert zwar wirklich das Geheimnis von Monkey Island lüftet, dabei aber genau den Move pulled, den man schon aus dem Ende von Teil 2 kennt. Im Endeffekt macht er hier das Bobby-Ewing-„Es-war-alles-nur-ein-Traum“-Trope, angereichert um ein laues „Such Dir selbst aus, was das Geheimnis für DICH war“.

Mir war schon auch klar, dass das Geheimnis nach all der Zeit und Legendenbildung nicht befriedigend gelöst werden kann, aber genau diese Umsetzung hier lässt mich leicht wütend zurück: Der ganze Plot des Spiels steuert auf einen Höhepunkt zu, der dann schlicht nicht kommt! Stattdessen wird kurz vor Schluss ALLES an Narration weggeworfen und das Game einfach beendet.

Nicht nur, dass der Schluss damit abrupt und unbefriedigend ist – ganze Handlungsstränge werden nicht zu einem Ende geführt. Das ist schade, denn es gibt spannende Nebenplots – wie der, das Elaine entdeckt, das Guybrush auf der Suche nach dem Geheimnis immer mehr auf Methoden von LeChuck zurückgreift und skrupelloser wird. Das wird sehr deutlich thematisiert, dann aber nicht aufgelöst werden. Dieses Meta-Meta-Ende ist schlicht verschenktes Potential.
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Sei´s drum. Bis man zu dem Ende kommt, dauert es rund 10 Stunden, und die sind mit unterhaltsamen und sehr lustigem Kram gefüllt. Die Dialoge haben mich mehr als einmal kichern lassen und ich hatte wirklich Spaß mit dem Spiel.


Gris [2018, Switch]
Eine junge Frau fällt und fällt und fällt. Als sie zu sich kommt, findet sie sich in einer schwarz-weißen Schneellandschaft voller zersplitterter Statuen und Bauwerke wieder.

Kraftlos und müde kämpft sie sich Schritt für Schritt vorwärts, immer wieder vor Erschöpfung auf die Knie sinkend. Aber dann macht sie Entdeckungen, die Dinge zusammenfügen, und die Welt beginnt Farben zurückzugewinnen. Mit jeder Farbe schöpft die Spielfigur mehr Kraft, wird agiler und findet am Schluss sogar ihre Stimme wieder.

„Gris“ thematisiert Trauma, Verlust und Depression. Die Art und Weise, wie das getan wird, ist alles andere als subtil. Für die Gefühle in einer Depression findet „Gris“ eine plakative Bildsprache, die in ihrer Wortwörtlichkeit manchmal nicht besonders originell wirkt. Beispiel: Das Gefühl, von der Schwärze einer Depression verschluckt zu werden, wird dann halt genau so dargestellt:

Das mag etwas unoriginell erscheinen, aber es ist konsequent umgesetzt. Es gilt, Dinge aus der Vergangenheit zu überwinden, alte Stärken wieder zu finden, selbst zu heilen, wieder ganz zu werden und am Ende zu lernen, sich selbst wieder zu mögen. Das ist stringent erzählt und vor allem eines: Wunderschön gestaltet!

Sowohl die Hintergründe als auch die wenigen Figuren und die fein animierten Zwischensequenzen wirken allesamt wie Aquarelle, und die einzelnen Level sehen an vielen Stellen wie Gemälde aus. Wirklich, Screenshots von „Gris“ könnte man sich genau so auch an die Wand hängen.

Die Wirkung der Bilder wird durch einen passenden, atmosphärischen Soundtrack unterstützt. Ähnlich elegant wie die Präsentation ist das Gameplay, was eine Mischung aus Erkundung, Hüpfen und dem Lösen von kleinen Rätseln ist. Es kommt fast in Gänze ohne Erläuterungen aus, in der Regel muss man experimentieren, um herauszufinden wie Dinge funktionieren und wie man mit ihnen interagieren kann. Sowohl Rätsel als auch Hüpfpassagen sind immer fair und machbar, lediglich an einer komplexen Hüpfstelle bin ich fast verzweifelt.

„Gris“ ist schon ein paar Jahre alt und findet sich daher für ein Paar Mark Fuffzich in Sales. Wer schöne Bilder mag, findet in „Gris“ ein Spiel, was einen über die Spieldauer von ca. 4 Stunden fast magisch in den Bann zieht. Lebenshilfe sollte man sich davon aber nicht erwarten.

Limbo [2010, Switch]
Ein namenloser junge wacht allein in einem dunklen Wald auf und sucht einen Weg hinaus.

Hat jetzt auch nur 12 Jahre gedauert, bis ich mir „Limbo“ endlich mal angeschaut habe – die Switch bringt mich zu Indie-Titeln. Der kleine Puzzleplattformer „Limbo“ erschien initial 2010 für die XBOX 360 und ist seitdem für nahezu jedes System umgesetzt worden. Das hat einen Grund: Das Spiel ist sehr, sehr eigen.

Die Optik ist ganz auch schwarz und grautöne reduziert, es gibt nur wenige Umgebungsgeräusch und keine Musik.

Vor allem ist Limbo aber: Böse. Die Spielfigur des namenlosen Jungen befindet sich wirklich in einer Art Zwischenhölle, in der er zahlreiche, grausame Tode stirbt. Beim allerkleinsten Fehler wird er aufgespießt, zerdrückt, überrollt, ertränkt, zerstückelt usw., und nicht selten sind andere Kinder für seinen Tod verantwortlich. Creepy und schwierig, umso schöner ist es aber, wenn man dann doch wieder eines der komplexen Umgebungsrätsel gelöst hat und der Junge ein Stückchen weiter gekommen ist. Seltsames Game für zwischendurch, bleibt aber halt auch in Erinnerung.


Machen:
Sorgen, um Gesundheitszustand von Freunden, Kolleginnen und Familie.

Kompensationshandlung: Zu Ikea gefahren und Ivars gekauft. Merke: Bis zu 4 x 226 cm-Seitenteile passen problemlos ins Kleine Gelbe Auto, Holz schrauben macht glücklich und Kiefernduft im Wohnzimmer ist was feines.


Neues Spielzeug:


Ding des Monats: Badwäsche
Jahrelang habe ich mich über schlechte Qualität der Handtücher geärgert, die ich mal hier, mal da im Sonderangebot gekauft habe. Die waren dünn, fühlten sich manchmal nicht gut an, saugten erst nach der hundertsten Wäsche und sahen kurz darauf aus, als hätten sie die Räude.

Dann die Idee: Warum nicht Kram kaufen, wie es in Hotels verwendet wird? Das muss doch gut und langlebig sein! Stellt sich raus: Frotteeware des großen Hotelausstatters Zollner gibt es für wenig Geld. Die Qualität ist, abgesehen von ein Paar Nahtfäden, ausgezeichnet und auf Langlebigkeit ausgelegt, dabei aber echt weich und kuschelig.

Die Dusch- und Handtücher in der Grammatur 520g/m2 sind flauschig, aber nicht ZU dick, sofort saugfähig und insgesamt eine echte Wohltat. Weil´s so schön und echt günstig ist, gab es gleich noch eine Großpackung Waschlappen (Stückpreis 95 Cent) und ein Paar Duschvorleger dazu. Hätte es alles auch in anderen Farben gegeben, aber gerade gefällt mir weiß.


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Das war das Jahr, das war (2022)

Jahresende. Zeit für die Rückschau. Was bleibt von 2022? Plus: Beste Bilder.

Lage der Welt:
Es war das Jahr III der COVID-Pandemie, Jahr I des Russland-Kriegs in der Ukraine sowie ein weiteres und sehr heftiges Dürrejahr.

Krieg in Europa – wer hätte gedacht, dass wir das noch einmal erleben müssen. Im Februar überfiel Russland die Ukraine, laut Propaganda um das Land „in einer Spezialoperation“ von „Nazis zu befreien und zu demilitarisieren“. Der schnelle Fall des Landes schien ausgemacht, alle Experten und Politiker nahmen an, dass die Ukraine binnen weniger Tage annektiert sei. Dann die Überraschung: Der Regierungschef, ein ehemaliger TV-Komiker, floh nicht, die Ukrainer wehrten sich und die russischen Truppen erwiesen sich als schlecht ausgerüstet, nicht vorbereitet und unfähig. Es gelang den Angriff zu stoppen und, nach Waffenlieferungen aus dem Westen, im zweiten Halbjahr sogar eine Gegenoffensive zu starten.

Der Preis für die Ukraine ist hoch: Millionen Menschen sind auf der Flucht, die verbliebenen harren oft ohne Strom und Wasser aus. Russland bombt das Land in Grund und Boden, verschleißt dabei aber eigenes Material, verliert viele Soldaten und muss eine Generalmobilmachung ausrufen. Putin verkauft das als Vorwärtsverteidigung gegen die Nato, die angeblich einen Stellvertreter- und Angriffskrieg über die Ukraine führen würde.

In den USA erodiert die Demokratie weiter. Auf Ebene der Einzelstaaten und Countys installieren die Republikaner weiterhin Personen und Mechanismen, die es ihnen erlauben, sich auch dann zu Gewinnern zu erklären, wenn sie nicht die Mehrheit der Stimmen bekommen. Nach wie vor ist die ganze Partei auf faschistischer Linie und Trump hörig, der wie „der Pate“ in Florida hockt und Entscheidungen im Hinterzimmer trifft.

Immerhin werden die Midterm-Wahlen keine Vollkatastrophe für die Demokratie. Zwar geht der Kongress an die Republikaner, der Senat ist aber kurz in der Hand der Demokraten – bis eine demokratische Senatorin, die schon zuvor durch Arbeitsverweigerung auffiel, stiften geht. Nun steht es wieder 50:50.

Getrieben von seinem Ego und anhängigen Gerichtsverfahren will Trump 2024 noch einmal Präsident werden. Soll er mal antreten, mit ihm besteht eine reelle Chance, das die Republikaner verlieren. Die Alternative wäre fürchterlich: Ron de Santis, Gouverneur von Florida, ist ein rechtsextremer selbsternannter „Gotteskrieger“ und kopiert Trumps Methoden, seine Rhetorik und sogar seine Körpersprache, hat dabei aber ein funktionierendes und sehr bösartiges Hirn.

In Brasilien wird Bolsonaro knapp abgewählt, und protestiert dagegen nur verhalten. Der neue Präsident verspricht, die Abholzung der Regenwälder zu stoppen.

Taiwan fühlt sich von China bedroht, das an den Grenzen und in staatlichen Medien einen Krieg vorbereitet.

Aserbaidschan überfällt Armenien, weil die dort stationierten russischen Friedenstruppen gerade anderes zu tun haben.
Ungarn werden endlich EU-Mittel gekürzt, nachdem Orban die Gemeinschaft monatelang mit einem Veto zu Ukraine-Hilfslieferungen(!) erpresste.

Die Türkei wirft ein Veto gegen die Aufnahme von Finland und Schweden in die Nato, um geflüchtete Dissidenten ausgeliefert zu bekommen. Das ist so unwürdig, kleingeistig und rachsüchtig wie es klingt.

Zum Ausgleich sorgt das Unvereinigte Königreich für Amüsement, das bei mir sämtliche strategische Popcornreserven aufgebraucht hat. Erst mach Boris Johnson ein weiteres halbes Jahr groben Unfug, dann wird er von seiner eigenen Partei abgesägt.

Nachfolgerin wird Liz Truss, die eine so offensichtliche Ausgeburt an Inkompetenz und Unwissenheit darstellt, das Börsen abstürzen und Unternehmen das Land noch schneller verlassen als zuvor. Sie bleibt quälend lange 47 Tage im Amt und hält sich damit kürzer als ein Salatkopf, der von der Zeitung The Sun vor eine Webcam gestellt wurde.

Weil UK so lange mit sich selbst beschäftigt war, blieb keine Zeit, das Land auf den Winter vorzubereiten. Energie- und Lebenshaltungskosten explodieren noch schlimmer als in der EU, eine Armutswelle steht bevor, im Dezember laufen die Tafeln des Landes über.

Die hohen Lebensmittelpreise kommen nicht nur durch den Brexit. Überall gibt es Lieferprobleme und explodierende Kosten. Ganze Lieferketten sanieren sich durch, weil jedes Glied Preisaufschläge nimmt. Bei Lebensmitteln kommt hinzu, das mit Russland und der Ukraine die größten Weizen- und Düngerexporteure wegfallen bzw. weniger liefern. Die Inflation galoppiert.

Außerdem war da natürlich noch die Dürre. Rund um den Globus war es den Großteil des Jahres viel zu trocken und sehr, sehr heiß. In Italien fielen 70% der Reisproduktion aus, Flüsse trockneten weg und Meerwasser floss in das Landesinnere. Ähnlich war es in Deutschland, selbst der Rhein lag stellenweise trocken und den Juli konnte man eigentlich nur im kühlen Keller hockend verbringen. Der Backlash kam später, in Form von Stürmen, Eiseskälte und Flutregen. Das ist mindestens das dritte Dürrejahr in den letzten fünf Jahren. Schon krass, wie schnell sich das Klima ändert.


Lage der Nation:
Russland wird mit Sanktionen belegt, mindestens die dortige Tech- und Automobilindustrie brechen daraufhin zusammen. Im Gegenzug liefert Russland unter fadenscheinigen Gründen (Turbine kaputt, Wetter schlecht) massiv weniger Gas, was insbesondere Deutschland trifft.

Spätestens jetzt rächt sich, das in den vergangenen 10 Jahren der Ausbau erneuerbarer Energien nicht verschlafen, sondern von der Regierung aus CDU und SPD massiv beschnitten wurde und eine starke Abhängigkeit von russischen Rohstoffen bestand. Stellt sich raus: Die krassen Guys von der GroKo haben sogar die Gasspeicher auf deutschem Boden an Russland verscherbelt, und Gasprom hat die in Vorbereitung auf den Ukraineüberfall leer laufen lassen. Dementsprechend schwer tut sich Kanzler Scholz auch klare Kante zu zeigen, und immer wieder fordern konservative Politiker aller Parteien die Inbetriebnahme der neuen Nordstream2-Pipeline. Die Entscheidung treffen letztlich aber andere: Die Pipeline wird unterseeisch gesprengt und ist dauerhaft zerstört. Nächste Idee der Liberal-Konservativen: Atomkraftwerke neu bauen. Aber das will außer den Knallchargen CDU und FDP niemand, am Wenigsten die Energiekonzerne.

Ebenjene Energiekonzerne haben sich in diesem Jahr die Penisse vergolden lassen, weil sie nicht mehr wussten wohin mit ihrem Geld, besonders in Deutschland. Wo es in anderen Ländern eine Übergewinnsteuer gab, faselt die FDP was davon, das man Unternehmen so etwas nicht aufbürden dürfte, weil sonst deren Innovationskraft… blabla, da hört dann schon keiner mehr zu, so lächerlich ist das. Am Ende gibt es eine Übergewinnsteuer, die darf bloß nicht so heißen.

Überhaupt, die FDP. Macht Opposition, obwohl sie an der Regierung ist, demütigt Koalitionspartner und verhindert mit Symbol- und Klientelpolitik echtes Vorankommen. Kalkül der Parteispitze: Sie wollen als „konservative Stimme der Vernunft“ wahrgenommen werden. Klappt nur nicht, das ständige Stehen auf der Bremse fällt auch den Wähler:innen auf, was in den Landtagswahlen grottenschlechte Ergebnisse bringt. Vielleicht sollte Parteichef Lindner weniger auf Saufnase Kubicki hören und mehr auf seine Parteibasis. Die wollen nämlich eine moderne Partei, die Veränderungen bringt, die bezahlbare erneuerbare Energie und einen Verkehrswandel und Digitalisierung vorantreibt, und nicht so einen Friedrich-Merz-gefällt-das-90er-Jahre Müll mit „mehr Autobahnen und freie Fahrt für freie Bürger“. Liebe FDP, das Problem eurer schlechten Wahlergebnisse liegt NICHT an den bösen Grünen oder eurer gefühlt zu linken Ampel. Das Problem seid ihr, mit euren erkennbaren Luftnummern und dem destruktiven Verhalten.

In der SPD lief es nicht besser. Kanzler Scholz ist so gut wie unsichtbar in der Tagespolitik, und wenn er dann mal auftaucht, redet er von „Wumms“ und „Doppelwumms“. Klingt wie ein Dreijähriger, passt aber zu der farblosen Knallcharge, die er ist.

Nicht mit Ruhm bekleckert hat sich auch Karl Lauterbach. In der Pandemie fiel er durch kluge Analysen und Vorschläge auf Twitter auf, und man dachte immer: Dieser Mann, wenn der doch nur Gesundheitsminister wäre! Nun ist er es, und er agiert… glücklos, bestenfalls. Seine klugen Vorschläge twittert er weiter, aber in der Politik kann er sich nicht gegen die FDP und besonders Justizmurkel Marco Buschmann durchsetzen. am Ende macht der Gesundheitsminister Lauterbach immer das Gegenteil von dem, was der Twitterer Lauterbach für richtig hält. Schizophrenie, dein Vorname sei Karl.

Ist aber eh´ egal, Corona wurde im April von der FDP für beendet erklärt und die Pandemie im Dezember von Christian Drosten. Das Virus ist jetzt endemisch, das werden wir nicht mehr los. Immerhin sind dank Impfung und doppeltem Booster (insgesamt 4 Injektionen) die akuten Folgen meist nicht mehr dramatisch, über die Langzeitschäden im Körper kann aber noch niemand was sagen. Was die Pandemie auf jeden Fall sichtbar gemacht hat, sind die Risse in der Gesellschaft. Ein guter Teil der Bevölkerung wähnt sich in einer unrechten Diktatur, ergeht sich in Umsturzphantasien und ist komplett Wissenschaftsfern. Es sollte unbedingt eine gesamtgesellschaftliche Diskussion angestoßen werden, wie damit umzugehen und wie dem zu begegnen ist (Hint: Investitionen in Bildung wären ein guter Anfang).

In der CDU hat Friedrich Merz das Ruder übernommen. Er wollte ja schon immer Kalif anstelle der Kalifin werden, nun ist er am Ziel seiner Träume – und verwaltet nur noch Ruinen. Merkel hat nicht nur das Land sediert und Politik als Verwaltungsakt dargestellt, auch die Partei ist nicht mehr leistungsfähig und hat kein kluges Personal. Merz versucht das mit markigen Sprüchen zu übertünchen und Kampagnen aus den 90ern wiederzubeleben („Das Boot ist voll“), erntet dafür aber nur müdes Gähnen von den Wähler:innen und den demokratischen Parteien – und Beifall von der AfD, gegen die er noch im Frühjahr versprach eine Brandmauer errichten zu wollen.

Positiv überrascht haben lediglich Kanzlerin-der-Herzen Annalena Bärbock, die nicht nur die Probleme mit Nordstream und Russland exakt vorhergesagt hat, sonder die auch als Außenministerin weitsichtige und feministische Politik vertritt und selbst schwergewichtigen Außenpolitik-Schlachtrössern wie Sergey Lavrov die Meinung geigt. Ebenfalls gut: Robert Habeck, der als Wirtschaftsminister absolut pragmatisch handelt. Dazu gehört leider, dass er den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken und Braunkohlekraftwerken in seiner Partei durchsetzt, aber auch die recht rabiaten Maßnahmen um Gasfirmen in Deutschland zu verstaatlichen. Mit Erfolg, zu Beginn des Winters sind die Gasspeicher zu über 100% gefüllt und Deutschland erzeugt sogar genug Strom für Frankreich, dessen AKWs zur Hälfte vom Netz sind, weil baufällig. Das die FDP Habeck trotz allem „Ideologiegetriebene Politik“ vorwirft, zeigt deutlich den Realitätsverlust des Porschefahrerclubs.

Es ist einfach unfair. Immer, wenn eine progressive Regierung an´s Ruder kommt, fallen alle möglichen Krisen zusammen und die sind gezwungen, gegen ihre Überzeugungen zu agieren. So wie die SPD die Agenda 2010 einführen musste, um das Land wieder aus der Kohl´schen Krise zu bekommen, so müssen die Grünen nun Energie aus AKWs und Kohlekraftwerken zustimmen. Ich hätte ja gerne mal gesehen was mit so einer Ampelregierung möglich ist, wenn nicht gerade die Welt zusammenbricht.

Unter all den schlimmen Meldungen gab es in diesem Jahr noch eine gute Tendenz und eine, deren Richtung noch nicht ganz klar ist. Die gute: Die Welt hat sich auf weitreichende und tiefgreifende Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen verständigt. Es ist noch ein weiter Weg, bis das auch umgesetzt wird, aber erstmal ein guter Start.

Die unklare Tendenz: Künstliche Intelligenz ist da, und verändert sichtbar Dinge. Werkelten vorher nur kleine KIs in Geräten und Services herum, ist die Firma OpenAI nun mit ChatGPT am Start, und das Ding frisst Turing-Tests zum Frühstück und ist kreativer als die meisten Autoren. Prompt nutzen es die ersten Schüler und Studenten, um ihre Hausarbeiten davon schreiben zu lassen. Ob zum Besseren oder schlechteren: Es wird die Menschheit verändern.

Ich Ich Ich
Beruflich weniger Stress. Sommerhitze gut überstanden. Tour durch UK und Wohnen auf Sardinien. Belastend: Familiäre Situation. Älter werden ist manchmal kein Spaß, und wenn eine anverwandte Person schon immer ein sehr schwieriger Mensch war, wird das durch Demenz nicht besser. Immerhin, Dinge sind angestoßen und werden sich im kommenden Jahr klären. Ein wenig irre macht mich, weil ich nicht weiß, was da auf mich zu kommt.


Und sonst noch?

Worte des Jahres: „London wurde vom Geld verwüstet“ (Annette Dittert)

Zugenommen oder abgenommen: Gleich geblieben. Aber auf zu hohem Niveau.

Die teuerste Anschaffung: Am meisten Geld ausgegeben für die Wartung der Motorräder, aber nun. Teuerste Einzelanschaffung sicherlich das Notebook für rund 690 Euro.

Luxus des Jahres: Drei Bücher, gekauft für zusammen mehr als 350 Euro. Bildbände, um genau zu sein. Ich liebe den Taschen-Verlag. Außerdem: Spontankauf einer Switch + Games.

Mehr bewegt oder weniger: Mehr.

Die hirnrissigste Unternehmung: Zum Mont-Saint-Michel zu Fuß wandern zu wollen. In Motorradstiefeln. In der Hauptsaison. Im Hochsommer. Das gab Blasen!

Ort des Jahres: La Ciaccia.

Zufallspromi des Jahres: Jenna Ortega.

Nervende Person des Jahres: Den Titel teilen sich Friedrich Merz und Elon Musk. Der eine hatte 1992 einen Unfall mit einer Cryo-Maschine und wurde erst jetzt wieder aufgetaut, der andere hat sich radikalisiert. Beiden gemein ist, das sie vielleicht wissen wie Unternehmen funktionieren, aber keine Ahnung vom Funktionieren einer Gesellschaft haben, überaus miese Kommunikatoren sind und dabei denken, dass sie alles könnten und auf alles eine Antwort hätten. Das sind Anzeichen für Soziopathie. Ernsthaft, das Musk sich rechts radikalisiert, während die Käuferschicht seiner Autos zum mittelinks-Milieu gehören und nun bei jedem Tesla, den sie sehen, denken: „Scheiße, wenn ich den Wagen kaufen würde, unterstütze ich einen rechtsradikalen Verschwörungstheoretiker“ – so dumm muss man erstmal sein.

Das beste Essen: Pizza Ogliastrina + Ichnusa im Restaurant von La Pineta, Bari Sardo. Das es das beste Essen war, mag auch an der Gesellschaft gelegen haben.

Das seltsamste Essen: Der Doppel-Steak-Teller, der ohne einen Bissen Fleisch auskam, im „Crown Inn“ in Frampton-Mansell.

2022 zum ersten Mal getan: Darmspiegelung. Dank Propofol kein Problem. Hicks.

2022 das erste mal seit langer Zeit wieder getan: Waschlappen gekauft und benutzt, letzteres habe ich seit ca. 1983 nicht mehr getan. Und: Actionfilme aus den 90ern geguckt, weil die sich noch „echt“ anfühlen und nicht nur aus schlechtem CGI bestehen oder ein Schnittmassaker sind.

Gesundheit: Geht so. Magenprobleme und, auch das erste mal, Ischias. It´s not the years, honey, it´s the mileage.

Ein Ding, auf das ich gut hätte verzichten mögen: Zu merken, das mein Vater Anzeichen von Demenz aufweist und eine Betreuung durch das Amtsgericht bekommen muss.

Gereist? Jahaa! Motorradtour durch das Unvereinigte Königreich und nach Sardinien.

Film des Jahres: „Everything, everywhere, all at once“ ist völlig verquer und überraschend, „Ghostbusters Legacy“ ist ein toller wie würdiger Nachfolger der 80er-Jahre-Filme, „Nobody“ überrascht mit einem superbrutalen Bob „Better Call Saul“-Odenkirk. „Maverick“ kam auch endlich raus und war gut.

Theaterstück des Jahres: „Harry Potter und das verfluchte Kind“ in Hamburg – auf Deutsch fast genauso gut wie im Original.

Musical des Jahres: „Monty Pythons Ritter der Kokosnuss“ bei den Gandersheimer Domfestspielen.

Spiel des Jahres: War in Summe ein schwaches Spielejahr, es gab aber einige Highlights. Meine persönlichen GOTYs: „Horizon: Forbidden West“, das mit toller Protagonistin, Grafik und einer spannenden Story zu begeistern wusste. Außerdem: Das grafisch wie atmosphärisch überwältigende und sehr traurige „A Plague Tale: Requiem“. 30 Jahre nach Erscheinen von Teil eins kam dann noch „Return to Monkey Island“ raus und wäre schon aufgrund des Humors ein heißer Anwärter auf das Spiel des Jahres gewesen, aber das habe ich bis Redaktionsschluss nicht durchgespielt.

Entertainment-Doku des Jahres: „Trainwreck 99“ über die Woodstock-Neuauflage auf Netflix.

Serie des Jahres: „The Sandman“ auf Netflix. Endlich eine angemessene Umsetzung der Vorlage. „Westworld“, Staffel 4 war auch spitze, „Wednesday“ kam überraschend aus dem Nichts und machte die Addams-Family cool.

Buch des Jahres: „Lost Girls“ von Alan Moore und Melinda Gebbie. Ist schon von 1992, habe ich aber jetzt erst entdeckt. Kranker Scheiß, ein Buch wie eine Orgie auf Drogen.

Ding des Jahres: Gleich mehre Sachen machten mich sehr glücklich: Das neue Reisenotebook Asus UM425UAZ-KI023T ist der absolute Hammer, blitzkrank schnell und nach Militärstandard robust. Das Ding lässt die meisten MacBooks und Lenovos im Office-Betrieb alt aussehen, kein Witz. Die Patagonia Micropuff-Jacke hat ausgezeichnete Dienste geleistet, und das Anker 735 GaNprime USB-Ladegerät ist ein Powerhouse und taugt auch als Netzteil für das Asus und ist täglich im Einsatz.

Spielzeug des Jahres: Die PS-Vita. Ich besitze die schon länger, aber in diesem Jahr habe ich gemerkt, wie sehr ich die liebe. Die kleine Konsole ist von 2013. In heißen Sommernächten nachts auf dem Balkon sitzen und Persona 4 spielen oder Games von der PS4 streamen – super.

Originellstes Spiel: Die „Ring Fit Adventures“ auf der Switch. Wahnsinn, was man aus so einem Plastikring an Übungen rausholen kann.

Enttäuschungen des Jahres: Disney. Egal ob Serien wie „Moon Knight“ oder „She-Hulk“ oder Filme wie „Eternals“, „Dr. Strange 2“ oder „Thor 3“ – früher habe ich alles von Marvel gerne geguckt, aber in 2023 war nichts dabei, was ich auch nur ein Bißchen gut fand. „Book of Boba Fett“ war im Bereich Star Wars auch ein Totalausfall. Sonderpreise gehen an „The Brits are Coming“, der ein dampfender Haufen Scheiße von ungekanntem Ausmaß ist, und an „Cyberpunk 2077“. Dessen Nextgen-Update ist, 18 Monate nach Release von Version 1.0, immer noch buggy und unbelebt. Damit holt das selbe Spiel diese Auszeichnung das zweite Mal, nach 2020! Ach ja, und der Doppel-Steak-Teller ohne einen Bissen Fleisch im „Crown Inn“ in Frampton-Mansell, der war auch eine große Enttäuschung.

Unbeachtetes Event des Jahres: Die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Habe ich kein Spiel von geguckt. Aber gut, ich gucke auch sonst keine Spiele von Fußballweltmeisterschaften.

Die schönste Zeit verbracht mit: Auf dem Balkon eines verranzten Appartements auf Sardinien „Westworld“ zu gucken und dabei warme Sommernächte zu genießen.

Anzahl Fiat 500s (seit 2016): 2.364

Vorherrschendes Gefühl 2022: Alles zerfällt.

Erkenntnis(se) des Jahres: Die Welt wie sie war, gibt es nicht mehr. Und: WD40 ist gar kein Schmieröl.

In diesem Sinne: Ich wünsche einen guten Start in ein hoffentlich weniger schlimmes 2023. Sprengt Euch beim Jahreswechsel keine Körperteile weg.

Nekrolog:
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Momentaufnahme: Dezember 2022

Herr Silencer im Dezember 2022

Worte des Monats:

Wetter: Ab Monatsanfang sofort bitterkalt und 15 Zentimeter Schnee. Bis Monatsmitte wird es immer kälter, eine Woche lang Tiefsttemperaturen von nachts -13 und tagsüber -5 Grad. Kurz vor Weihnachten beginnt es zu regnen. Erst gibt es Eisregen auf dem tiefgefrorenen Boden, dann steigen die Temperaturen wieder, an Weihnachten sind es 8 bis 15 Grad mit häufigen und starken Regenfällen, die bis Jahresende anhalten.

Lesen:

Reiseführer.


Hören:


Sehen:


Die Känguru Verschwörung [2022, Amazon Video Kauf]
Marc-Uwe und sein Mitbewohner, das mild-kommunistische Känguru, begeben sich auf einen Road-Trip nach Bielefeld. Grund: Die Mutter der angebeteten Maria hat sich in Verschwörungstheorien verstrickt und leugnet den Klimawandel, und die beiden haben gewettet, dass sie die Mudder wieder in die Realität bekommen.

Der erste „Känguru“-Film war der letzte Film, den ich im Kino sah. Das war am am 06.03.2019, in Frankfurt an der Oder. Während der Pandemie wurde wohl der zweite Film gedreht, und der ist um Klassen besser als der Erstling. Statt einem Best-of-Remix bekannter Gags aus den Büchern gibt es hier eine eigenständige und aktuelle Geschichte.

Reichsbürger, Flat-Earther, Klimaleugner, Impfgegner – der Umgang damit im Film ist herrlich, endlich bekommt die usselige und rechte Baggage mal ihr Fett weg. Dabei funktionieren manche Dinge in der Tiefe tatsächlich nur jetzt. Wenn Marc-Uwe in Ulf-Poschhard-Tonfall „Bidde nich!“ sagt, kann man diesen popkulturellen Gag aktuell entschlüsseln und darüber kichern – in kurzer Zeit wird aber niemand mehr wissen, dass das mal witzig war und warum. Seltsam zahm bleibt ausgerechnet das Känguru selbst, das mit deutlich angezogener Philosphie/Brutalitäts-Handbremse fährt.

Handwerklich ist die Kameraführung meist bieder, das animierte Känguru und die Schauspieler OK. Nerven tut lediglich Marc-Uwe Kling selbst, als Stimme des Kängurus. Ich LIEBE die Stimme in den Hörbüchern, aber hier im Film ist sie zu übertrieben gesprochen und/oder so seltsam gemischt, dass ich davon Ohrenschmerzen bekomme.

Ist aber Wurst, die „Känguru-Verschwörung“ ist ein sehr launiger Film, der an keiner Stelle in flachen oder Pipi-Kacka-Humor abgleitet. Besonders viel Freude werden diejenigen haben, die schon immer mal diese ganzen Verschwörungs-Heinis als die Deppen dargestellt sehen wollten, die sie sind. Empfehlenswert.

Ach ja, das Retro-8Bit-Spiel, das im Film kurz vorkommt, das gibt es wirklich: https://www.kaenguru-game.de/

Blade Trilogy [1998, 2002, 2004 Bluray ]
Wesley Snipes ist der „Daywalker“, ein Mensch/Vampir Hybrid, der zusammen mit Kris Kristofferson Jagd auf echte Vampire macht. Mal bekommt er es mit durchgenknallten Yuppi-Vampiren zu tun, mal mit Mutationen, mal mit Udo Kier, mal mit Dracula persönlich.

Die drei Filme, die um die Jahrtausendwende entstanden sind, erzählen eine lose zusammenhängende Geschichte, sind aber qualitativ stark unterschiedlich. Teil 1 kommt stylisch und überraschend, aber mit grottenschlechtem CGI daher. In Teil 3 ist das CGI besser, aber die Story Banane und die neuen Darsteller (Ryan Reynolds, Jessica Biel, Dominic Purcell) völlig fehl am Platz. Die Spannbreite reicht von Randgruppenperle bis zu Trash.

The Rock [1996, BluRay]
Ein General der US-Armee klaut Raketen mit VX-Gas, stellt die auf der Gefängnisinsel Alcatraz auf und erpresst die Regierung: Entweder, die Familien von im Ausland bei Geheimoperationen gefallenen Soldaten werden über den Verbleib informiert und finanziell entschädigt, oder San Francisco wird mit tödlichem Nervengas beschossen. Auf Verhandlung hat niemand Bock, und so schickt die Regierung den Giftgasexperten Nicolas Cage und den einzigen Mann, der jemals aus Alcatraz ausgebrochen ist und daher den Weg hinein finden kann: Ex-SAS-Agent Sean Connery.

„The Rock“ ist einer der besten Actionfilme aller Zeiten, Punkt. Wenn man mich fragt, welche Actionfilme in den 90ern die besten waren, werde ich immer sagen: „The Crow“, „Armageddon“ und eben „The Rock“. Egal ob die spannenden Expositionsszenen am Anfang, die „Bullit“-mäßige Verfolgungsjagd in San Francisco oder der fesselnde Einsatz auf Alcatraz selbst, der Film ist wirklich keine Minute langweilig. Dabei ist es nicht allein die Action, die trägt.

Einen Großteil der Wirkung wird über das ausgezeichnete Zusammenspiel der Darsteller erzielt. Nicolas Cages Overacting ist ein wunderbarer Kontrast zu Connerys verschmitzt-reduziertem Spiel, mit dem er hier den James-Bond-in-Rente gibt. Ed Harris ist ein großartiger Bösewicht, gerade weil er eigentlich hehre Motive hat, und gibt diese Figur mit großem Fokus und kalter Beherrschung, was ein krasser Gegensatz zu dem Haufen an Hotshots um ihn herum ist. Die Nebenrollen sind ebenfalls großartig besetzt: „Dr. Cox“ John C. McGinley, „Terminator“ Michael Biehn, „Candyman“ Tony Todd, „Green Mile“ David Morse, dazu die göttliche Claire Forlani. Hach.

Technisch ist hier wenig Kritik möglich. Michael Bays Stil der dramatischen Inszenierung und der sich ständig bewegenden Parallax-Kamera hatte sich noch nicht so abgenutzt und wird nicht so rührselig eingesetzt wie in späteren Filmen. Der Soundtrack von Hans Zimmer ist mit seinem Main Theme in die Geschichte eingegangen und wird bis heute für Trailer genutzt. Das Bild und der Ton ist auf BlueRay wirklich exzellent. Ja, „The Rock“ ist wirklich Peak-90er-Action, so wie ich sie mag – und der wahrscheinlich beste Film, den die Produzenten-Legenden Bruckheimer/Simpson und Regisseur Bay je gemacht haben.


Spielen:

God of War: Ragnarök [2022, PS5]
Kratos, der Schlächter aller Götter des Olymp, hat sich zur Ruhe gesetzt – ausgerechnet in Midgard, einer der Welten der nordischen Götter. Dort gerät er mit dem Schicksal aneinander, das detailliert voraussagt, das Kratos Ragnarök auslösen wird. Der alte Mann mit dem Rauschebart hat auf das Ende der Welt aber gar keine Lust, Kriegsgott will er auch nicht mehr sein, und überhaupt will er am liebsten in einer Höhle sitzen und Grummeln. Auch Allvater Odin möchte keinen Konflikt und keinen Weltuntergang. Aber es herrscht bereits Fimbulwinter, der Vorbote von Ragnarök, und je mehr Kratos es versucht zu vermeiden, desto unausweichlicher wird eine Konfrontation mit Odin, Thor, Heimdall und Konsorten. Helfen könnte vielleicht Tyr, der alte nordische Gott des Krieges, aber der ist tot. Und dann hält sich auch noch Kratos pubertierender Sohn Atreus für etwas Besonderes, denn sein nordischer Name ist – Loki.

Ach, fein! Die 2018 im Vorgänger begonnene Geschichte von Kratos-und-seinem-Sohn-im-Norden wird in diesem Spiel komplett zu Ende erzählt, und das, obwohl sich der Stoff von der Menge her für eine Trilogie angeboten hätte. So ist man 35 bis 40 Stunden unterwegs, bis die Story zu einem befriedigendem Ende kommt.

Gameplaytechnisch wechseln sich ruhige Erkundungspassagen, Dialoge mit anderen Figuren und wuchtige Hack-and-Slay Kämpfe ab. Die Kämpfe kommen mit einem ordentlichen Schwierigkeitsgrad daher. Im Vergleich zum Vorgänger teilt Kratos weniger aus, kann aber auch weniger einstecken. Heil-Items sind seltener, und die Zahl der Encounter mit 08/15 Gegnern sind so hoch, dass es immer wieder die Erzählung stört.

Die Grafik auf der PS5 ist schön, aber nicht deutlich besser als beim Vorgänger auf der PS4. Am Vorgängerspiel mochte ich das Perk-System nicht. Es gab viel zu viele Möglichkeiten abseits der Skill-Trees Waffen und Rüstungen zu verzaubern, Runen einzusetzen oder sonstwas damit anzustellen und dadurch irgendeinen Wert um 0,0034 Prozent zu steigern.

Das ist in „Ragnarök“ noch viel schlimmer geworden, die Systeme sind nun um das doppelte überladen. Wer Spaß daran hat, unter Zuhilfenahme von Excel auszurechnen, welche Rune in Kombination mit welcher Rüstung basierend auf den Glücks-Werten des Charakterlevels die Abklingzeit der Axt-Zauber um 1,3 Sekunden senken lässt – nur zu. Ich habe da keinen Spaß dran und fand es stets zum Kotzen, wenn das Spiel mich zwang, mich damit zu beschäftigen.

Das ist aber nicht so wichtig. Der Kern und das Beeindruckendste von „Ragnarök“ ist die Interaktion der Charaktere miteinander und ihre verwobenen Geschichten. Die Dialoge sind toll geschrieben, und die die Story steckt voller Wendungen. Die passieren aber nicht aus Selbstzweck, sondern sind immer den klaren Motivationen der Figuren zuzuordnen.

Die Charaktere selbst sind hervorragend ausgearbeitet. Egal ob der knurrige Kratos, der das Loslassen lernen muss, der Götterchef Odin, der manchmal wirkt wie ein leicht tüddeliger Konzernmanager und wirklich undurchschaubar ist, oder Schmierlappen Heimdall, den man wirklich hassen lernt: Das zu erleben ist spannend, und ich wollte immer wissen, wie es weitergeht.

Star des Spiels ist aber die Stimme von Kratos. Christopher Judge, der Teal´c aus „Star Gate“ spricht den alten Kriegsgott mit einem unnachahmlich rauen Grummeln, und jeder Satz von ihm ist ein Erdbeben. Was für eine Performance!

Kena – Bridge of Spirits [2021, PS5]
Die junge Kena ist eine Geisterführerin. Sie hilft verstorbenen Seelen dabei, vom Diesseits loszulassen. Als sie in einer abgelegenen Region ein entvölkertes Bergdorf findet, bekommt sie eine Menge zu tun. Zum Glück hat sie Verstärkung in Form der Rott, knuffeligen kleinen Geistwesen. In drei unzusammenhängenden Episoden muss Kena Geister ins Jenseits geleiten und am Ende das Rätsel um das Dorf und die Rott lösen. Das tut sie in der klassischen Action-Adventure-Mischung aus Erkundung, dem Lösen von Rätseln und Geschicklichkeitspassagen.

So knuffelig, und gleichzeitig SO SCHEISSEND SCHWER. Ember Labs, das Studio, dessen Erstlingswerk „Kena“ ist, kommt aus der Filmanimation, und das ist deutlich zu merken. Alles ist detailverliebt und sieht aus wie ein Animationsfilm. Was leider nicht gut klappt ist das Gameplay. Kena springt und klettert teils sehr ungenau oder hält sich nicht an Kanten fest, was insbesondere in den (viel zu zahlreichen) Hüpfpassagen mit knackigem Zeitlimit fatal ist.

Nicht viel besser ist es in den Hack&Slay-Kämpfen. Die sind ohnehin superschwer und werden noch schwerer durch die Steuerung, die einfach für das geforderte zu träge ist – Ausweichen oder Blocken erfolgt häufig mit spürbarer Verzögerung, und das bei sehr kleinen Zeitfenstern für erfolgreiches Parieren. Ich habe nach der Hälfte der gut zehn Stunden Spielzeit entnervt den Schwierigkeitsgrad auf die einfachste von fünf Stufen gestellt und hatte immer noch genug zu tun.

Die teils traurigen Geschichten und die putzigen Rott haben mich aber dennoch dazu gebracht, die Zähne zusammen zu beißen und das durch zu spielen. Ich hoffe, es gibt einen Nachfolger, der die Macken beim Gameplay und Balancing ausbügelt und der Figur der Kena etwas Tiefe gibt. Die Welt ist auf jeden Fall zauberhaft.


Machen: Nüscht. Auch mal schön.


Neues Spielzeug:

Eine Xbox. Aber keine aktuelle XBOX Series X (die heißt wirklich so, kein Witz), sondern eine XBOX 360, Modell E, Baujahr 2015, gebraucht gekauft. Eine der letzten 360er, die je gebaut wurden.

Warum lege ich mir so ein Uralt-ding zu? Ganz einfach: Ich habe für die 360 eine umfangreiche Spielesammlung, und einige meiner liebsten Games („The Saboteur“, „Sleeping Dogs“) gibt es nicht auf anderen Plattformen und auch nicht im Backwarts-Compatibiility-Programm von MicroSoft. Vor allem aber: Musikspiele! Sowas wie „Guitar Hero“, „Lips“ und „Rock Band“. Diese Spiele waren von 2008 bis 2011 aktuell (Wir nannten es Plastik Rock) und brachten eigene Hardware mit (dieses Blog wurde sogar berühmt wegen der Kompatibilitätslisten), in meinem Fall brauche ich aber zwingend eine 360 zum Spielen.

Nun fiel aber meine alte Xbox 360 von 2009 langsam auseinander, der HDMI-Ausgang ist wackelig, Audio gab es gar nicht in digital und WLAN hatte die auch noch nicht. Das bringt das E-Modell alles mit, inkl. einer 500 GB Festplatte, auf der die ganzen Musikspiele auf einmal Platz haben.


Ding des Monats:
Viele schöne und nützliche Dinge zu Weihnachten geschenkt bekommen. Danke an Alle Schenker:innen!


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Momentaufnahme: November 2022

Herr Silencer im November 2022

Worte des Monats: „London wurde vom Geld verwüstet“ – Annette Dittert

Wetter: Anfang des Monats nachts wie Tags bei 8 Grad, trocken, heiter bis wolkig. Mitte des Monats Kälteeinbruch mit 15 Zentimeter Schnee und Temperaturen zwischen -8 und -3 Grad. Das Monatsende dümpelt bei feucht-klammen 3 bis 7 Grad. Regen gibt es selten, aber wenn, dann heftig.


Lesen:

Jasper Fforde: One of our Thursdays is missing
Die fiktionale Thursday Next hat es zwar nicht zur Jurisfiction, der Ordnungsbehörde der Buchwelt, geschafft, aber immerhin spielt sie nun die Hauptrolle in den Thursday-Next-Bücher. Doch dann geschehen seltsame Dinge, Bücher lösen sich auf und die Romanfigur beschleicht ein übler Verdacht – ist ihrer Vorlage in der realen Welt etwas Schlimmes passiert?

Band fünf der vierbändigen Trilogie um Thursday Next. Dieses Mal mit starkem Fokus auf die Buchwelt, und insbesondere deren technischen Aspekte. Leider überspannt Fforde den Bogen etwas. Was in den Vorgängerbänden immer wieder für Staunen und Schmunzeln sorgte, steht hier im ersten Drittel des Buches so im Fokus und wird in dermaßen kleine Details seziert, dass es nicht mehr nett zu lesen ist. Dafür schleppt sich der Plot qäualend langsam dahin. Liest sich wie eine Auftragsarbeit oder ein Money Grab.


Hören:


Sehen:

Wednesday [Netflix]
Wednesday Addams ist Teil einer makabren Familie. Als die Teenagerin Piranhas im Becken der Schwimmmannnschaft aussetzt, fliegt sie von ihrer Highschool. Ihre Eltern melden sie daraufhin in „Nevermore“ an, einer speziellen Schule für Werwölfe, Vampire und Sirenen. Plötzlich ist Wednesday, die ewige Außenseiterin, die Normalste – eine Rolle, mit der sie nicht ganz klarkommt. Dann sterben Mitschüler.

Ich konnte mit der „Addams Family“ nie viel anfangen. Vom verrückten Onkel Fester bis zum eiskalten Händchen war das immer bestenfalls lauwarmer Grusel mit flachem Humor. Wirkte alles aus der Zeit gefallen, und das ist kein Wunder: Die „Addams Family“ entstand 1938 als Comic und hatte seine Hoch-Zeit in den 50ern und 60ern mit einer piefigen TV-Serie. Die beiden Kinofilme von Anfang der 90er waren auch nur leidlich unterhaltsam, und „Wednesday“ habe ich eigentlich nur eingeschaltet, damit ich was habe, zu dem ich einschlafen kann.

Dazu kam es dann nicht, denn „Wednesday“ ist etwas ziemlich besonderes. Tim Burton, der auch Regie führt, fährt hier eine spannende Who-Dunnit-Geschichte mit Monstereinschlag auf, vermixt mir Coming-of-Age Story in einem Bizarro-Hogwarts, in dem schon mal „Paint it Black“ von den Stones vom Dach eines Schulgebäudes und auf einem Cello intoniert wird:

Und dann diese Besetzung! Catherine Zeta-Jones als Morticia Addams, Gwendoline Christie als Schulleiterin und die 90er-Jahre-Wednesday Christina Ricci sind einzeln schon eine Schau, aber zusammen ein fantastisches Ensemble. Allein schon wenn die 1,52m große Ricci neben der 1,91m-Frau Christie steht, ist das faszinierend. Den Vogel schießt Jenna Ortega als Wednesday ab. Ihr nimmt man den Teen, der erfahren im Umgang mit Skalpellen und Leichen, aber unerfahren in Sachen zwischenmenschlicher Kommunikation ist, in jeder Szene ab. Ganz großes Guckvergnügen, das in keiner Sekunde altbacken oder bieder ist.

Top Gun: Maverick [2022, Bluray]
Die US Navy steht vor einem absurden Bedrohungszenario, das sich nur lösen lässt, wenn ein uralter Jet von einem durchgeknallten Scientologen geflogen wird. Ein Job für Tom Cruise und seine alte F-18!

Braucht es 37 Jahre nach dem ersten „Top Gun“ eine Fortsetzung? Natürlich nicht, und ich hielt die Idee für bescheuert. „Top Gun“ war ein Kind seiner Zeit, mit Flieger-Porn, Machismo und 80er-Jahre-Drama. Ich habe den Film damals geliebt und x-Mal gesehen, aber hey, ich war erst 10 Jahre alt und habe die Kriegsverherrlichenden Aspekte schlicht nicht geblickt.

Nun also „Maverick“, der von Kritikern wie Fans als „perfektes Sequel“ bejubelt wird. Tatsächlich zupft der Film heftig an den Nostalgienerven. Musik, Bilder, Farben, Storybeats – vieles ist praktisch so eins zu eins vom Vorgänger übernommen, dass man wohlig seufzt und gleichzeitig denkt: „Wie dreist kann man bei sich selbst klauen?“

Darauf ruht man sich aber nicht aus. Neu hinzu gekommen sind Figuren wie Jennifer Connellys Barkeeperin, die arg konstruierte Mission, die letztlich dem Kampf um den Todesstern nachempfunden wurde, und echte Flugszenen. Gerade die Flugszenen kommen wuchtig rüber, und ich kann schon verstehen, dass es einen in den Sitz drückt. „Maverick“ funktioniert über die bewährte Mischung aus Rogue-Action, Fliegerporn und spannende Inszenierung. Das ist auch wirklich gut gelungen und überdeckt für die Länge des Filmes, wie absurd die Geschichte ist. Oder anders: Top Gun 2 ist ein Beispiel dafür, wie unterhaltsam ein guter Plot sein kann, selbst wenn die Story banal bis nahezu nicht vorhanden ist.


Neues Spielzeug:

Eine Nintendo Switch, das neue OLED-Modell in schickem Weiß.

Seltsames Ding. Die Ergonomie ist eine Frechheit, als Handheld ist sie zu groß und arg schwer, die Joycons um der Symetrie willen so gestaltet, das der Bedienkomfort meilenweit von der eines Dualsense oder XBOX-Controller entfernt ist. Das Display ist trotz OLED nicht besonders gut, das kann jedes höherpreisige Handy besser.

Als stationäre Konsole ist sie arg spartanisch. Die Rechenleistung ist läppisch, die maximale Ausgabe ist 1080P, die meisten Games sehen aus wie auf der Playstation 3 von 2006. Apps gibt es so gut wie keine, nicht mal Streamingsender kann die Switch. Vor allem aber: Was ist mit den Buttons los?

Egal ob XBOX oder Playstation, das Buttonlayout ist bei diesen Konsolen immer Y-B-A-X – warum zum Geier macht Nintendo daraus X-A-B-Y? Diese Belegung ist genau umgekehrt, statt Dinge zu bestätigen, breche ich auf der Switch ständig Vorgänge ab. Warum, Nintendo, warum???

Ich bin allerdings nicht Zielgruppe der Switch. Ich spiele unterwegs nicht, und die ganzen Mario-, Yoshi und andere Süßkramspielchen sind nichts für mich. Warum ich sie dennoch gekauft habe? Mangelnde Impulskontrolle: Beim Neffen in der Hand gehalten und haben gewollt, nachdem ich schon einige Zeit mit einer gebrauchten Switch geliebäugelt habe, denn immerhin ist sie das einzige System, auf dem es „Ringfit“ und „Bayonetta“ gibt.

Mal gucken, ob ich abseits davon noch weitere Games finde, die ich darauf spielen möchte. Falls nicht, wird die wieder verkauft und ich kehre ich zur Playstation Vita zurück: Die ist zwar schon 10 Jahre alt, hat aber ein feines Portfolio, übertrumpft in Sachen OLED-Brillanz locker die Switch und hat auch ansonsten technisch wesentlich mehr auf dem Kasten (AR, zwei Kameras, Rückseitiges Touchpad, ordentliche Sticks, ergonomisches D-Pad!) als das Nintendo-Handheld.

Spielen:

Ring Fit Adventures [Switch]
Spieler findet in einem Wald einen magischen Ring, aus dem versehentlich ein böser Drache entweicht. Der ist Bodybuilder und terrorisiert fortan ganze Landstriche. Um dem ein Ende zu bereiten, muss der Spieler zusammen mit dem Ring die Schergen des Drachen besiegen – mittels Sportübungen.

Ich hätte es ja nicht gedacht, aber ich vertraue Kradblatt-Marcus. Der schwört auf „Ring Fit Adventures“, und das zu recht: Es ist großer Spaß. Man schnallt sich einen der beiden Controller der Switch ans Bein, der andere kommt in einen stabilen Kunststoffring, der dem Game beiliegt. Und dann heißt es: Bewegung!

Schon um die Spielfigur auf dem Bildschirm durch die Landschaft zu bewegen, muss man als Spieler auf der Stelle joggen. Begegnet man Monsterchen des bösen Drachen, gilt es die mittels Armpressen, Situps oder Yogaübungen zu besiegen. Das ist ebenso witzig wie motivierend – und durchaus anstrengend.

„Ringfit“ ist nun nichts, was echtes Training ersetzen kann – aber es ist eine nette Ergänzung und für Schreibtischtäter für mich die Motivation, sich wenigstens mal 15 Minuten am Tag zu bewegen – so lange dauert in etwa ein Level. Ich langweile mich ja beim Sport superschnell, deshalb ist die Gamification hier genau das richtige für mich. Das Game ist wirklich, wirklich gut gemacht, lediglich die vielen Einblendungen mit Gesundheitstips nerven. Trotzdem: Danke an Marcus für den Tip!

Bayonetta 2 [Switch]
Bayonetta ist eine Umbra-Hexe, steht mit Dämonen im Bunde und gehört damit einer Fraktion an, die gebraucht wird, um das Universum im Gleichgewicht zu halten. Das ist mal wieder in Gefahr, weshalb sie erst Reihenweise Engel verhauen, dann in die Hölle hinabsteigen muss muss.

Der erste „Bayonetta“-Teil erschien 2009 auf der XBOX 360. Dort fand er eine treue Fangemeinde und heimste begeisterte Kritiken in der Presse ein, ein großer kommerzieller Erfolg war das Prügelspiel aber nicht und wurde folgerichtig nicht fortgesetzt.

Bis 2014 Nintendo ein Exclusive für Erwachsene für die WiiU wollte und das Studio Platinum Games so lange mit Geld bewarf, bis die einen zweiten Teil entwickelten.

Eine Gewaltorgie rund um eine hypersexualisierte Figur, die sogar nackt wird, sobald sie einen Zauber wirkt, ausgerechnet auf der Familien-Knuddel-Konsole? Das ging wieder wirtschaftlich komplett schief, denn Bayonetta hat CoreGamer als Zielgruppe, und die wurden von der WiiU genau nicht abgeholt.

Abseits des verfehlten „Kenne Deine Zielgruppe“ der Nintendo-Manager ist B2 auch als Spiel leider eine Enttäuschung und in allen Bereichen schlechter als der Vorgänger. Das Kampfystem ist überladen, die Kämpfe hektisch und so unübersichtlich, dass man die Hälfte der Zeit vor lauter Wuselei und Spezialattacken einfach nicht sieht, was auf dem Bildschirm passiert. Es gibt auch keinerlei Hinführung an das Kampfsystem, was bei ungeübten Leuten wie mir schnell zu hektischem Button-Mashing führt, was nichts bringt und zusammen mit dem hohen Schwierigkeitsgrad schnell in Frust mündet.

Vermutlich kann man mit sehr, sehr, sehr viel Übung das Ganze irgendwann so beherrschen, dass man die Kämpfe nicht nur überlebt, sondern auch Spaß dran hat – aber ich habe da keine Zeit oder Muße für. Immerhin gibt es einen Anfängermodus. Der ist dann aber gleich so einfach, das er überhaupt keinen Spaß macht.

Storytechnisch ist hier teilweise etwas mehr Stringenz als in Teil 1 drin, dafür nerven ausnahmslos alle Nebencharaktere. Immerhin: Die Downloadversion von B2 für die Switch hat den ersten Teil von Bayonetta kostenlos mit an Bord – und der lohnt sich.

Mafia Definitive Edition [2019, PS4]
New york in den 1930er Jahren: Tommi di Angelo ist einfacher Taxifahrer. Eines Nachts springen zwei Gangster in seinen Wagen, die auf der Flucht vor einer verfeindeten Gang sind. Di Angelo gerät zwischen die Fronten und schließt sich einer Gang um den „Restaurantbesitzer“ Don Salieri an. Fortan gehören Autodiebstahl, Schutzgelderpressung und schließlich sogar Auftragsmorde zu Tommis Job – bis er beim Don selbst in Ungnade fällt.

„Mafia“ ist die Art von Open-World, die ich liebe. Es gibt eine komplette Stadt, aber die ist nicht vollgestopft mit Nebenaufgaben und Gedöns, in das man 100 Stunden Lebenszeit investieren muss. Nein, hier ist die offene Welt lediglich eine Kulisse, in der ganz stringent von einem Storykapital zum nächsten gesprungen wird. Die Geschichte steht im Vordergrund, und wird sehr clever und in verschachtelten Rückblenden erzählt, wie ein 10 Stunden langer Mafiafilm.

Das Spiel selbst ist schon 20 Jahre alt, aber dieses Remake aus 2020 hat außer der Geschichte wenig mit der PS2-Version gemein. Die Grafikengine und das Beleuchtungsmodell sind auf ziemlich neuem Niveau, die Zwischensequenzen wurden mit Motion Capturing neu gedreht und die Sprachausgabe komplett neu eingesprochen.

Lediglich der Schwierigkeitsgrad, im Original als legendär schwer berüchtigt, ist nach wie vor auf 90er-Jahre-Niveau. Aber das lässt sich zum Glück runterregeln. Es ist keine Schande, „Mafia“ auf „Easy“ zu spielen. Auf normalem Schwierigkeitsgrad sind die Gegner nämlich Bulletsponges und halten bis zu drei Kopfschüssen aus, und Zeitlimits für Missionen sind viel zu eng.

Apropos Zeitlimits: Neben denen gibt es noch weitere Missionsdesigns aus der Spieledesignhölle, u.a. müssen Autorennen gegen fiese Computergegner mit dem ersten Platz absolviert oder verwundbare Ziele eskortiert werden. Kotz im Strahl!

Trotzdem ist „Mafia“ ein tolles Spielerlebnis, wegen der sehr guten Geschichte – und weil es nicht lang genug ist, um zu nerven.

Mafia II [XBOX 360, 2009]
1945: Vito Scarletta kommt aus dem zweiten Weltkrieg zurück und findet seine Familie in New York hoch verschuldet vor. Um die Schulden begleichen zu können, arbeitet er für die örtliche Mafia – und wird prompt geschnappt und wandert für 10 Jahre in den Bau. Als er wieder herauskommt, ist die Welt eine andere. Die Kriegswirtschaft ist vorbei, jetzt geht es um Rock´n Roll und Petticoats.

Auch hier wieder: Die Stadt ist Kulisse für einen relativ gradlinigen Shooter, der als Besonderheit eine filmische Inszenierung mitbringt. Leider ist die Geschichte arg in unzusammenhängende Episoden zerstückelt und geht nie in die Tiefe, weshalb die Charaktere blass bleiben und schnell vergessen sind. Besonders unbefriedigend ist das offene und abrupte Ende.

Gänzlich sparen kann man sich die DLCs „Jimmys Vendetta“ und „Joes Adventures“, die patchen quasi nur Open-World-Krempel ins Hauptspiel oder bringen Missionsdesigns aus der Hölle zurück (Verfolgungsjagden unter Zeitdruck und so Unfug)


Machen:

  • Rücken haben

Ding des Monats:


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Momentaufnahme: Oktober 2022

Herr Silencer im September 2022

Wetter: Anfang bis Mitte des Monats tagsüber um die 15 Grad und sonnig, nachts 4 bis 1 Grad. Dann kommt der Sommer zurück. Zweite Monatshälfte auch Nachts meist zweistellig warm, tagsüber noch bis 20 Grad. Heizung bleibt aus!


Lesen:

Jasper Fforde: First Among Sequels
Thursday Next hat mal wieder Herausforderungen. Zwar arbeitet sie offiziell nicht mehr für die Literaturpolizei, aber hinter dem Rücken ihrer Familie unternimmt sie doch noch Reisen ins Innere von Büchern. Dort findet sie Sonden, die der (wieder) böse Goliath-Konzern dort hingeschickt hat. Außerdem drohen fleissige Multiversumsersionen ihres Sohnes Friday die ranzfaule Version umzubringen, die bei ihr zu Hause den Tag verschläft, weil sonst nächsten Samstag die Welt endet. Alles wie immer!

Nicht mehr ganz so unterhaltsam wie die ersten drei Bände, aber immer noch skurril und voller toller Einfälle. Kurzweilig.

Jeremy Clarkson: ´Til the Cows Come Home
Das zweite „Diddly Squat“-Buch, gesammelte Kolumnen aus Clarksons Jahren zwei und drei als Farmer. Zeigt wortgewaltig und witzig die Probleme eines Bauern in England, der von der Politik im Stich gelassen wird: Die britische Regierung kompensiert die weggefallenen EU-Förderungen nicht, schließt dafür aber Freihandelsabkommen mit Australien. Die Folge: Der Brexit-Markt nun mit Billigfleisch überschwemmt, britische Landwirte sind nicht mehr konkurrenzfähig. Dem lapidaren Rat der Tory-Regierung, dass die Bauern sich halt breiter aufstellen müssten, wirken in der Realität die (Tory)-Stadträte entgegen, die jegliche Veränderung – und sei es nur ein Café auf dem Bauernhof – verhindern.

Wenn man Clarksons Kolumnen schon länger verfolgt, stellt man in diesem Buch zwei bemerkenswerte Dinge fest. Erstens: Der erzkonservativ-liberale Autor verliert den Glauben an seine Tories und bemerkt, dass erstarrter Konservatismus toxisch ist. Zweitens: Clarkson macht sich jetzt ernsthaft Sorgen um den Zustand und die Zukunft der Welt. Beängstigend, denn Clarkson hat in der Vergangenheit nie etwas ernst genommen.


Hören:


Sehen:
Nostalgiemonat bei Herrn Silencer.

The Expendables 1-3 [2010, 2012, 2014, BluRay]
Sylvester Stallone ist Chef einer Söldnergruppe. Die besteht u.a. aus Arnold Schwarzenegger, Chuck Norris, Jason Statham, Jet Li, Dolph Lundgren, Bruce Willis, Terry Crews und anderen, die in völlig egalen Stories gegen Mel Gibson, Eric Roberts oder Jean Claude Van Damme antreten.

Resteverwertung von allem, was im Actionkino der 1980 bis 2000er-Jahre Rang und Namen hatte, das ist das Konzept. Die alten Haudegen werden in möglichst absurden over-the-Top-Actionszenen noch einmal auf die Leinwand zu gezerrt und mit selbstironischem Humor garniert. Natürlich ist das alles völlig Banane – Story gibt es hier nicht, und in der Summe ist das alles einfach Quatsch – aber wenn Chuck Norris als wandelnder Chuck-Norris-Witz auftritt und alles einfach Bumm macht, dann ist das schon sehr spaßig.


The Transporter 1-3 [2002, 2005, 2008, BluRay]
Jason Statham fährt Dinge von A nach B, meist ohne Umweg über C. Die Dinge sind oft illegal, und um damit klar zu kommen hält er sich streng an seine selbst gesetzten Regeln, außer in den Fällen, wo er es nicht tut. Dann gibt es meist Ärger, der sich nur durch Autofahren beheben lässt.

Storytechnisch absurd bis dumm, Autostunts auf „Alarm für Cobra 11“-Niveau, das ist Luc Bessons „Action made in Europe“. Ich mag die Filme trotzdem, wegen der Schauplätze (Südfrankreich!) und der Schauspieler. Der ehemalige Kunstturmspringer(!) Statham macht sich gut als grimmer Actionheld, und die weiblichen Hauptrollen sind auch nicht aus der Beliebigkeitsmaschine gefallen.

Taxi 1-5 [1998, 2000, 2003, 2007, 2018, BluRay]
Daniel weiß alles über Autos und wäre gerne Rennfahrer, seiner Maman zu liebe ist er aber Taxifahrer in Marseille. Immerhin hat er es sich nicht nehmen lassen, sein Taxi zum Rennwagen zu pimpen. Aufgrund seiner Skills muss er aber immer wieder dem Polizisten Emilien helfen. Der ist zwar clever, kann aber gar nicht Autofahren.

Ach ja, das waren unschuldige Zeiten, in denen dieser harmlose Frankreich-Spaß entstanden ist. „Taxi“ ist wieder mal Luc Besson, der eine seiner zwei Storyideen (Mann fährt Dinge von A nach B ODER knochiges Model wird Geheimagentin) verwurstet. Wieder mal gibt es Cobra-11-Niveau und hahnebüchenen Storyunsinn mit albernen Gags („Ninja!“ -„Dingsda!“).

Aber: Es gibt auch wieder coole und liebenswerte Charaktere und gute Schauspieler (Samy Naceri! Emma Sjöberg! Marion Cotillard!). Heimliche Hauptdarsteller sind das Taxi und die Stadt Marseille. Die Filme sind auch nach 25 Jahren noch kurzweilig und unterhaltsam, ohne peinlicher zu sein als damals, und das ist mehr, als man über viele Filme aus der Zeit sagen kann.

Ausnahme ist der 5. Teil, das Reboot von 2018 ist so schlecht, das es körperlich weh tut. Von der alten Besetzung ist nur noch das Taxi und Marseille übrig, statt Charme gibt es hier Pipikaka-Humor garniert mit Bodyshaming, Rassismus und Mobbing. Das ist nicht lustig, kommt aber dabei raus, wenn man ein Vin Diesel-Lookalike das Drehbuch schreiben, Regie führen und die Hauptrolle spielen lässt. Das wirkt in Summe, als hätte man den lieblosen Quatsch nur gemacht, um die Namensrechte nicht zu verlieren.


Spielen:

Stray [2022, PS5]
Eine kleine Katze fällt bei einem Streifzug durch eine menschenleere Welt in ein Rohr und findet sich unversehens in einer unterirdischen Stadt wieder. Die wird von Robotern bewohnt, die menschliche Verhaltensweisen imitieren, und das das anscheinend schon seit Jahrhunderten. Die Katze versucht wieder aus der Stadt herauszukommen, und schließt dabei Freundschaft mit einigen der Maschinenwesen und einer kleinen KI, die auf der Suche nach ihren Erinnungen ist.

Ach, das ist nett. „Stray“ ist kein „Spiel mit Katze“, sondern ein echtes Katzenspiel. Will meinen: Hier hat man nicht einfach bloß einen Katzen-Avatar in ein beliebiges Spiel gesteckt, sondern wirklich die Welt und das Gameplay rund um eine Katze und ihre Fähigkeiten designt. Zumindest zum größten Teil, einige Elemente, wie das Inventar, werden mit SciFi wegerklärt, aber ansonsten ist hier alles sehr katzig. Es gibt eine Taste zum Miauen, man kann sich auf Personen und Kissen zusammenrollen und einschlafen, sich in Kartons verstecken, Gegenstände von Tischplatten pföteln oder die Krallen an Türen und Sofas wetzen.

Die Animationen sind super, und auch wenn Entdeckung oder Rätseln hier nicht an erster Stelle stehen und alles recht linear ist, macht es Spaß, als Katze durch die Gegend zu stromern. Die Grafik ist hübsch, und sehr cool ist das haptische Feedback. Keine Ahnung wie das genau gemacht wird, aber die Zurg, kleine, sind mit ihren wuseligen, weichen Eigenschaften im Controller spürbar.

Das gameplaytechnisch alles sehr simpel gehalten ist, macht dabei nicht viel aus, denn das Spiel ist mit rund 6 Stunden zu kurz, um repetitiv oder nervig zu werden.

A Plague Tale: Requiem [2022, PS5]
Mittelalter: Pestratten überfallen ganze Städte und scheinen dabei einem kleinen Jungen zu folgen, der schwarze Male am Körper trägt. Seine 14jährige Schwester Amicia versucht ihn schützen – vor den Ratten, der Inquisition und einem seltsamen Geheimorden, und ein Heilmittel für die Male zu finden. Die beiden fliehen nach Südfrankreich. In Arles scheint die Welt noch in Ordnung, aber das bleibt leider nicht so.

Ich mochte den ersten Teil, das 2019 erschienene „A Plague Tale: Innocence“, sehr – das war sogar mein Spiel des Jahres. Die Geschichte um Amicia, die erst langsam ihren entfremdeten, kleinen Bruder kennenlernt und ihn schließlich beschützt, war gut geschrieben und schön umgesetzt – zumal für eine Double-A-Produktion, die damals das erste, eigenständige Werk eines französischen Studios war, das vorher quasi niemand kannte.

Den Vorgänger sollte man auch zwingend gespielt haben, denn „Requiem“ setzt die Geschichte der Geschwister nahtlos fort, ohne viel zu erklären. Das ist schade, denn der Einstieg ist zwar rasant, das erste Drittel des Spiels dann aber doch etwas träge und nur eine Variation der aus „Innocence“ bekannten Themen und Mechaniken. In Schleichpassagen gilt es, Soldaten aus dem Weg zu gehen, während Unmengen von bissigen Ratten für Rätseleinlagen herhalten müssen. Das ist manchmal etwas langatmig und hätte m.E. ohne Verlust stark gekürzt werden können.

Erst ab der Hälfte der rund 18 Stunden Spielzeit gibt es neue Elemente und signifikante Charakterentwicklungen, und dann dreht auch die Geschichte auf und wird spannend und gut und ebenso rührend wie brutal – manche Rezensionen vergleichen „Requiem“ mit „The Last of Us, Part II“ und dem „Tomb Raider“-Reboot.

Das ist natürlich im Detail Quatsch, aber ich kann verstehen, wie man zu dem Vergleich kommt. Alle Spiele haben weibliche Hauptfiguren, die keine Power-Fantasy ausagieren, sondern durch ihre (erkennbar falschen) Entscheidungen in großes Leid gezwungen werden und dadurch eine Charakterentwicklung durchmachen. Zudem sind Tonalität und emotionale Investition bei allen Spielen ähnlich.

Abseits davon hat mich immer wieder die Grafik erstaunt. Egal ob die Klippen der Mittelmeerküste, das belebte Arles oder eine bunte Mittelmeerküste – alles ist wunderschön in Szene gesetzt, die mit Photogrammetrie erstellten Texturen sehen fantastisch aus, und die Details und die Beleuchtung sowie die Effekte in der proprietären Engine kommen fast auf das Niveau des Decima-Frameworks von „Horizon“. Noch besser wird es in den Zwischensequenzen, die einfach nur fantastisch inszeniert sind und noch besser aussehen.

Lediglich während der Gamepassagen sind die Gesichter der Figuren sind unbeweglich und tot. Dafür gibt es mehr Ratten: Waren im Vorgänger bis zu 50.000 Viecher gleichzeitig am Start, fluten nun regelrechte Tsunamis aus angeblich bis zu 300.000 Rattenleibern die Sets, mit ganz eigener Physik und Dynamik. Auch wenn diese Massenszenen auf der PS5 manchmal zu Framerateinbrüchen führen, ist das ebenso faszinierend wie widerlich anzusehen.

Apropos PS5: Auch „Requiem“ nutzt das haptische Feedback des Dualsense Controllers. Man spürt Anstrengungen der Protagonisten – und die Ratten. Das ist schon sehr eklig. Aber Cool. Aber eklig.

In der Summe ein sehr gutes Spiel und das beste Action-Adventure, das ich in diesem Jahr bislang gespielt habe. Offen bleibt lediglich die Frage, warum Amicia jetzt plötzlich wie Natalie Portmann aussieht, aber meine Güte, es gibt sehr viel Schlimmeres.


Machen:

Tour mit der Barocca, um den Sommer verlängern. Spart Heizkosten.


Neues Spielzeug:

Auto und Motorrad in der Werkstatt, da bleibt kein Geld für Spielzeug 😦


Ding des Monats:

Ein TP-Link TL-WR902AC750 Nano-Router. Die Streichholzschachtelgroße Kiste ist Router, Accesspoint und Client für WLAN. Hängt jetzt am LAN-Port des neue Rechners, der nur begrenzt mit WLAN-Stricks arbeiten wollte.


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Momentaufnahme: September 2022

Herr Silencer im September 2022

Wetter: In der ersten Woche noch sommerlich, aber ab der zweiten ist der Herbst deutlich zu merken: Es wird kühler. Nachts noch neun Grad, tagsüber noch um die 20. Ein paar Tage Regen. Ende des Monats schon Temperaturen um die null Grad.


Lesen:

Jasper Fforde: Lost in a Good Book und The Well of Lost Plots und Something Rotten [2002, 2003, 2004 Kindle]

Die Polizistin Thursday Next hat viele Probleme: Jemand versucht sie mittels unglaubwürdiger Zufälle umzubringen, ihr Ehemann wurde aus rein geschäftlichen Gründen aus der Zeitlinie entfernt und ihr Dodo hat ein Ei gelegt. Zum Glück kann Thursday in Bücher hineinspringen und mit den fiktionalen Charakteren interagieren. So versteckt sie sich in einem Groschenroman, arbeitet für Jurisfictom, die Polizei in der Buchwelt und bereitet dort eine Strategie vor, um mit Superschurken, Megakonzernen und Mutterschaft fertig zu werden.

Das hier ist Peak-Fforde: Eine fantastische Welt und viele tolle Einfälle, locker von einer Rahmenhandlung zusammengehalten. Allein schon die Idee, dass Bücher ein eigenes Betriebssystem haben und untereinander verbunden sein können ist großartig, vollends super wird es dann, wenn eine Superschurkin mittels verminderter Entropie Morde begeht oder die Charaktere der fiktionalen Welt über das „Footnoterphone“ kommunizieren und das tatsächlich in den Fußnoten des Buches tun. „Lost in a good Book“, „Well of Lost Plots“ und „Something Rotten“ erzählen eine durchgehende, wendungsreiche und spannende Geschichte. Plock.


Hören:


Sehen:

Auf der Jagd [1998, Bluray]

Wesley Snipes ist ausgebüchst, Tommy Lee Jones versucht ihn wieder einzufangen. Ihm zur Seite: Robert Downey Jr.

Ah, diesen Film gucke ich immer wieder gerne. Es ist eine Fortsetzung zu „Auf der Flucht“, nur das hier nicht Dr. Kimble durch die Szenerie stolpert. Tommy Lee Jones gibt hier wieder Sam Gerard, den unbarmherzigen Deputy des US-Marshall-Service, der schon Harrison Ford das Leben schwer machte und der sich wie ein Bluthund an die Fährte der Flüchtigen heftet.

Was ich an dem Film so mag ist die Tatsache, dass in dem nicht überkomplexen Plot ausnahmslos alle Figuren schnell, clever und überaus kompetent agieren. Niemand ist hier unfähig oder ein wenig dumm. Der Flüchtige, die Verfolger, die Bösewichte – alle haben nachvollziehbare Motive und handeln intelligent, und es ist ein Genuss, den bis in die Nebenrollen hinein wirklich guten Schauspielern bei der Arbeit zuzusehen. Der Film ist hervorragend gealtert und immer noch spannend.

Fun Fact: Die Figur des Sam Gerard war tatsächlich lange Zeit mein Role-Model was Führung angeht.


Spielen:

The Last of Us, Part I [2022, PS5]
Ausführliche Rezension des Originals HIER.

Die 2022er Neuauflage für die PS5 ergänzt diesen Meilenstein der Videospielgeschichte um bessere Grafiken. Den Charakteren kann man die Emotionen jetzt an den Auge ablesen, was die emotionale Wucht dieser sehr fordernden Geschichte unterstreicht. „The Last of US“ ist auch in der PS5-Variante und mit dem Zusatz „Part I“ ein verdammtes und sehr mitnehmendes Meisterwerk.


Machen:

Tour mit der Barocca, um den Sommer verlängern. Spart Heizkosten.


Neues Spielzeug:


Ding des Monats:


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Momentaufnahme: August 2022

Herr Silencer im August 2022

Wetter: Anfang des Monats leichte Abkühlung und danach nur noch angenehm warm, aber schon in der zweiten Woche kommt die nächste Hitzewelle. Die letzten Tage wird es merklich kühler, mit 9 bis 24 Grad, regnen tut es aber die ganze Zeit über nicht.

Der schlimmste Dürresommer seit 500 Jahren, sagt man. Selbst große Flüsse führen kaum noch Wasser, Hungersteine – die ich bis dato gar nicht kannte – kommen zum Vorschein. Atomraftwerke können nicht mehr gekühlt werden, zu Kohlekraftwerken fahren keine Schiffe mit Kohle, und Wasserkraft – naja, man kann es sich denken.


Lesen:


Hören:


Sehen:

The Sandman [2022, Netflix]
England, 1916: Roderick Burgess ist ein selbsterklärter „Magus“, der – ähnlich wie Aleister Crowley – okkulte Rituale durchführt. Sein Ziel: Er will den Tod gefangen setzen. Durch Zufall gerät er in den Besitz eines echten Bannspruchs, und nach einer theatralischen Beschwörung materialisiert sich eine hagere, bleiche Gestalt im Bannkreis – aber es ist nicht Tod, sondern ihr jüngerer Bruder: Traum.

105 Jahre bleibt Morpheus, der Herr des Traumreiches, im Keller des Burgess´schen Herrenhauses gefangen. Seine Abwesenheit hat schlimme Folgen für die Welt: Eine „Schlafkrankheit“ breitet sich aus, Menschen können nicht mehr richtig träumen oder verlieren sich ihnen.

Als der Herr der Träume im Jahr 2022 endlich freikommt, hat er viel zu tun. Er muss wieder zu Kräften kommen, die Schäden im Traumland reparieren und entflohene Albträume einfangen. Und dann gibt es noch ein weiteres Problem: Ein junges Mädchen wird zu einem Vortex, einer Entität, die die Grenzen zwischen Träumenden einreißen und so das Universum vernichten wird. Es ist Traums Pflicht, das Mädchen zu töten.

„Every Frame a Picture“ hat selten so gestimmt wie bei dieser Serie. Beinahe jede Szene könnte man als Standbild ausdrucken und als Gemälde an die Wand hängen. Noch schöner: Die Geschichte zwischen den Standbildern ergibt einen Sinn! Dabei galt die Vorlage, die zwischen 1989 und 1996 entstandene Comicreihe, eigentlich als unverfilmbar. Viele, viel komplexe Geschichten werden darin auf über 2.000 Seiten erzählt, und oft ist Traum – der ernste, stoische, immer schlecht gelaunt wirkende Herr der Träume, nur ein stiller Beobachter, eine Nebenfigur oder ein Katalysator der Ereignisse.

Das greift die Serie wunderbar auf. Nachdem die erzählerischen Fundamente in den ersten vier Folgen gelegt sind, wagt man sich schon ab der fünften Episode an Nebengeschichten wie die von Hob Gadling, der sich über die Jahrhunderte alle 100 Jahre mit Traum in einem Pub in London trifft. Ab Folge sieben gibt es dann einen neuen Story-Arc, und ich hoffe, dass „Sandman“-Neulinge davon nicht überfordert sind – für mich als Kenner der Bücher ergibt das alles einen Sinn.

Die Erzählung der Serie ist dem Quellmaterial wunderbar nachempfunden. Die Macher:innen haben eines verstanden: Auch wenn die Vorlage als Graphic Novel schon ein stark visuell ist, so reicht es nicht, einfach exakt deren Bilder und Dialoge in das Medium Film zu übertragen. Zac Snyder hat das nie verstanden, und das ist der Grund warum sich seine Comicverfilmungen, von „300“ über „Watchmen“ bis hin zu „Batman v. Superman“ so seelenlos und schlecht anfühlen.

Nein, „Sandman“ ist eine Interpretation der Essenz der Comics, und Neil Gaiman selbst hat darauf geachtet, dass die Drehbuchautor:innen den Geist der Vorlage transportieren, ohne eine (zwangsläufig schlechtere) 1:1-Kopie zu sein.

Dazu kommt ein fantastischer Production Value. Echte Sets, dazu ein großartiger Cast – allein Stephen Frey als „Gilbert“ oder Mark Hamill als Kürbis sind eine Schau, aber Tom Sturridge als Traum, Boyd Holbrook als Corinthian und Vanesu Samunyai als Rose Walker rocken alles weg. Und bei der Performance von Kirby Howell-Baptiste als Tod, die in „The Sound of her Wings“ Menschen voller Mitgefühl und Liebe ins Jenseits geleitet, hatte ich ernsthaft Tränen in den Augen.

Dass der Cast divers, und das Geschlecht mancher Figuren ein anderes ist als in der Vorlage stört kein Bißchen, denn wie geschrieben: Der Geist der Vorlage findet sich wieder, überall, und was spricht dagegen die Rollen weißer Männer mit starken, farbigen Frauen zu besetzen? Lediglich die Besetzung von Lucifer ist ein Griff ins Klo. Ich liebe Gwendoline Christie, aber in dieser Rolle funktioniert die 1,91 große „Game of Thrones“-Ritterin leider gar nicht.

Was bei der ganzen Kunst ein wenig auf der Strecke bleibt ist das Pacing. Die Serie nimmt sich am Anfang wesentlich mehr Zeit, als sie tatsächlich für die Einführung in die komplexe „Sandman“-Welt bräuchte. Gerade die ersten vier Episoden verlassen sich ein wenig zu sehr auf ihre Bilder und erzählerische Dramatik missen.

Comicverfilmungen sind meistens eines von zwei Extremen: Marvel-Popcorn oder schlecht. Die hier ist keines von beiden. „The Sandman“ erzählt ernste, erwachsene Geschichten. Oft sehr unfantastisch, abgründig und geerdet, manchmal mit so fantastischen Bildern, das man sich wirklich in einem Traum wähnt.

Große Kunst – aber nicht perfekt. Manche Dinge sind zu glattgeschliffen, wie die 11. Episode um Kalliope, wo eine starke Geschichte um Mißbrauch und Vergewaltigung zu einem bloßen Gefangenendrama wird. Andere sind holprig – ab Episode 6 geht die Qualität der Effekte manchmal sehr merklich runter.

Trotzdem: Ein starker Start. Man kann hoffen, das erzählerisch in den (hoffentlich kommenden) nächsten Staffeln das Tempo etwas anzieht und man noch mutiger wird. Denn der gedruckte „Sandman“ war immer dann besonders stark, wenn es um Abgründe ging oder um Themen wir Trauer, Verlust und Suizid. Ich hoffe stark, das wird nicht des Mainstreams wegen ausgespart.

Trainwreck: Woodstock 99 [Netflix]
Dreißig Jahre nach dem Original Woodstock-Festival soll eine Neuauflage für die Massen her, optimiert auf maximalen Profit. 250.000 Menschen kommen auf eine abgelegene, ehemalige Luftwaffenbasis, aber schon am Einlass geht das Drama los: Es ist heiß, und die Besucher sollen am Eingang ihre Wasserflaschen abgeben und auf dem Festivalgelände etwas kaufen – für bis zu 12 Dollar die Flasche! Die meisten Festivalbesucher sind im Nu pleite, aber das ist nur der Anfang. Zu wenige Toiletten, schlechte Organisation und Hitze sorgen für eine aggressive Stimmung, die dann auf Wutmetal und die Partydrogen der 90er trifft. Am Ende trinken die Leute Fäkalien, reißen Bühnen ein und setzen die Anlage in Brand.

HBO-Doku, die unaufgeregt, aber eindrücklich anhand von Zeugenaussagen rekonstruiert, wie durch schlechte Planung und schlechtere Entscheidungen die Neuauflage des „Festivals der Liebe“ zu einem Albtraum wird, gegen den Sodom und Gomorrha harmlos wirken. Die Bilder von Tag drei sind wirklich apokalyptisch – die Menschen gebärden sich wie Tiere.

Everything, everywhere, all at once [2022, Bluray]
Evelyn und Waymond betreiben einen Waschsalon, was mehr schlecht als recht zum Überleben reicht. Sorgen macht sich aber nur Evelyn, ihr Mann hat Quatsch im Kopf und albert sich durchs Leben – bis er plötzlich sehr ernst und sichtbar verändert davon spricht, dass es viele Versionen von uns gibt, dieses Multiversum aber gerade in Gefahr ist und nur eine Evelyn es retten kann. Aber vielleicht nicht diese Evelyn.

Ein irrer Film, der einem ab Minute 1 hohe Konzentration abverlangt. Das Multiversum, springen zwischen Persönlichkeitssplittern, Fähigkeitentransfer dank falsch angezogener Schuhe – das hier ist ein High-Concept Film, aber anders als die Nolan-Streifen nimmt dieser hier sich nicht ernst und liefert zwischendurch auch schon mal grandiosen Quatsch.

Grandios liefern tut auch Michelle Yeoh. Die 60jähige brilliert hier in zig unterschiedlichen Rollen und springt irgendwann so schnell zwischen den Persönlichkeiten, das einem schwindelig wird. Dazu kommen wahnwitzige Actionszenen und eine Jamie Lee Curtis als übergewichtige, alte, verbitterte Finanzbeamtin/Wrestlerin.

Dagegen ist das Marvel-Multiversum ein Witz, und „Evyerthing, Everywhere, all at once“ schon jetzt mein Film des Jahres. Mit der Meinung bin ich nicht allein: Das Comdey-Drama erreicht auf Rotten Tomatoes einen Tomato-Score von 95% bei den Kritikern und 89% beim Publikum. Unbedingte Guckempfehlung.

Monty Pythons Ritter der Kokosnuss [Gandersheimer Domfestspiele]
931 nach Christus, England: Artus macht sich auf den Weg, Ritter für seine Tafelrunde zu rekturtieren und den heiligen Gral zu finden.

Sehr geile Umsetzung des bekannten Films „Die Ritter der Kokosnuss“ – Wortwitz und Situationskomik kommen auch in der Theaterfassung rüber, die zudem tolle Musicalelemente enthält. Durch eine Erweiterung ergibt die ganze Geschichte sogar deutlich mehr Sinn als die Filmvorlage. Das Ensemble spielt und singt hervorragend, besonder Miriam Schwan als Fee aus dem See ist eine Schau.

Das Bühnenbild ist leider wieder grottig. Minimalismus ist ja OK, aber kann man nicht wenigstens die gute Baumarktfarbe benutzen, damit nicht überall das Sperrholz durchscheint? Egal, „Spamalot“ ist großer, cooler Spaß.

Der kleine Horrorladen [Gandersheimer Domfestspiele]
Ein heruntergekommener Stadtteil New Yorks, in den 60ern: Der Blumenladen von Mr. Mushnik läuft schlecht. Das ändert sich, als eines Tages der leicht tolpatschige Gehilfe Seymour eine seltsame Pflanze ins Schaufenster stellt. Ab diesem Moment rennen die Kunden den Laden ein. Aber die Pflanze hat ein Geheimnis: Sie ernährt sich von Menschenfleich, und davon will sie viel.

Sehr launiges Musical. Bühnenbild ist unpraktisch, aber okay. Cast ist sehr toll und passt auf den Punkt, Highlights sind hier klar Lina Gerlitz als liebenswert-naive Audrey und Guido Kleineidam als Mr. Mushnik.

Miriam Schwan muss schon deshlab den Roswitha-Ring bekommen, weil sie hier in zig Rollen, unter anderem als lachgassüchtiger Schläger-Zahnarzt, zeigt, wie wandlungsfähig sie ist. Das Ganze ist zum Glück so straff inszeniert, das es keine Hänger gibt – 90 Minuten füllt der Stoff halt, bei mehr würde es langweilig. Und: Es ist die Fassung ohne Happy End, was sich der 1986er Film mit Rick Moranis ja nicht getraut hat.


Final Destination 1-5 [2000-2011, DVD/BluRay]
Arschloch-Teenager entkommen zunächst knapp dem Tod, aber der schmiedet neue Pläne und holt sich einen nach dem anderen.

Lebt von den absurden Todesarten, die fast an Rube-Goldberg-Maschinen erinnern. Platter und goofy Spaß. Der fünfte Teil macht einen netten Zirkelschluss zu Teil 1.

Young Sherlock Holmes – Das Geheimnis des verborgenen Tempels [1985, DVD]
London, 1890: Mehrere angesehene Männer sterben. Der Schüler Sherlock Holmes geht dem nach und findet einen ägyptischen Tempel unter London.

Ich habe diesen Film als Kind geliebt, und nach dem Anschauen weiß ich wieder warum: Er sprüht vor tollen Einfällen und fantastischen Ideen, er hat großen Respekt vor dem Quellmaterial und er nimmt seine Figuren ernst. Ja, das hier ist ein Film für Kinder, aber das hat 1985 niemanden davon abgehalten, auch gruselige oder traurige Szenen einzubauen. Die verfehlen ihre Wirkung nicht, denn ein junges Publikum merkt, wenn man es ernst nimmt und es begeistern will.

Das tut dieser Film, auch heute noch. Spannend und gruselig wird er vor allem wegen der Todesarten: Die Opfer halluzinieren, dass sie von Truthähnen, Kleidergarderoben, Kirchenfenstern(!) oder Sahnetörtchen(!!) angegriffen werden. Viele der Effekte sind praktisch und taugen deshlab auch heute noch (die Törtchen!) andere, wie der CGI-Ritter aus Glas, waren damals technologisches Neuland, was vorsichtig betreten wurde – und deshalb auch heute noch gut aussieht. Toller Streifen.


Spielen:

Resident Evil 3 [PS5]
Jill Valentine findet sich in einer von Zombies überlaufenden Stadt wieder, die in wenigen Stunden durch einen Atomschlag ausradiert werden soll. Verzweifelt sucht sie einen Ausweg und ein Heilmittel, wird dabei aber von einem unerbittlichen und unbesiegbaren Gegner verfolgt.

Wieder eine Kombination aus rätseln, gruseln und kämpfen, während ständig „Nemesis“ hinter einem her ist.
Atmosphärisch nicht ganz so stark wie der Vorgänger, aber mit mehr und größeren Schauplätzen und dramatischeren Geschehnissen. Das komplett neu gebaute Remake des im Jahr 2000 erschienenen Spiels für die PS4 bringt im PS5-Modus Raytracing mit – das sieht toll aus, ruckelt aber an einigen Stellen. Spielt aber keine Rolle: Das Gameplay entwickelt einen mächtigen Sog, und ich wollte immer wissen wie die Geschichte weitergeht. Sehr tolles Game.

Außerdem: Titanfall 2. Rezension davon hier.


Machen: Probefahrten mit V-Stroms.


Neues Spielzeug:

 

Ding des Monats:
 

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Momentaufnahme: Juli 2022

Herr Silencer im Juli 2022

Wetter: Mitte des Monats rollt eine Hitzwelle über Europa, mit Temperaturen an oder über 40 Grad. Überall Waldbrände, kein Regen. Das ist kein Spaß mehr. Letzte Woche wieder erträgliche 20 Grad.


Lesen:

Jeremy Clarkson: Can You Make This Thing Go Faster? [Kindle]
Gesammelte Zeitungskolumnen von Ex-Top Gear, Ex-Grand Tour, jetzt Farmer Jeremy Clarkson aus 2018-2020. Scharfsinnig, meist sehr lustig. So erfährt man, wie es war für „Grand Tour“ in Rohöl zu baden oder warum Fischen ein Hobby für Menschen ist, die ihre Kinder hassen. Zudem enthält das Buch eine erstaunlich präzise Vorhersage aus 2019 über das Schicksal von Boris Johnson: „Brexit wie die Tories ihn versprechen ist nicht machbar, und wenn irgendwann die Nummer des lustigen Clowns als Ablenkung nicht mehr zieht, wirst du abgesägt werden. Genieß die Zeit bis dahin, lange wird das nicht dauern.“

Was mich am meisten erstaunt hat: Clarkson hält sich selbst für eine Konservativen, der in jedem zweiten Text Jeremy Corbyn, den damaligen Labour-Chef, als Wahnsinnigen darstellt, der in Kürze den Kommunismus in UK ausrufen wird. Dabei ist Clarkson, und das schimmert immer wieder durch, im Kern ein Grüner. Interessant.


Hören:


Sehen:

Der Name der Rose [1986, BluRay]
Mittelalter: In einem Kloster sterben reihenweise Mönche. Sean Connery ermittelt.

Internationale CoProduktion! Bernd Eichinger! Sean Connery! Christian Slater! Teuerster europäischer Film aller Zeiten!

1986 bekam man sich gar nicht mehr ein, der Film löste bei Erscheinen einen wahren Mittelalter-Boom aus, in dessen Fahrtwasser die Leute wie bekloppt Mittelalterromane („Die Nebel von Avalon“ und Konsorten) und Schallplatten mit Mönchschorälen („Gregoriansche Gesänge“) kauften.

Aus heutiger Sicht ist das Werk überschätzt. Ich habe den Roman nie gelesen, weil mich Umberto Ecos all zu bemühte in-Your-Face-Parallelen (Adson = Watson, demnach William von Baskerville = Sherlock Holmes) gleich zu Beginn nervten. Viel davon wird im Film weggelassen. Ja, Setbauten und Ausstattung sind nach wie vor größtenteils toll, aber schon bei Regie und Schauspiel fängt es an auseinander zu fallen, und über mangelnde Dramaturgie, schlimmes Pacing und falsche Schwerpunkte wollen wir gar nicht erst reden. Definitiv kein Meisterwerk, aber damals zog´s halt.

Der Name der Rose [Gandersheimer Domfestspiele]
„Der Name der Rose“ ist robuster Stoff, dem kann nicht mal diese Inszenierung nachhaltig schaden – obwohl sie es wirklich versucht. Das Stück ist über weite Teile unterlegt mit dem Quäken einer einzelnen Jazzposaune, was meist mehr unpassend und nervig ist als das es das Spiel unterstreicht.

Die modernen Kostüme (eine Art Arztkittel als Mönchskutten, dazu Baseballcaps ohne Schirm) und das bis zur Unwirksamkeit reduzierte und scheddrig gebaute Bühnenbild ist leider auch keine Glanzleistung.

Es wirkt, als hätte die Inszenierung verschiedene Ideen und Ansätze gehabt, um dem Stück einen frischen Drall zu geben – und am Ende alle umgesetzt, aber jeweils nur zur Hälfte und irgendwie so lieblos, dass keiner wirklich originell ist oder funktioniert. Durch dieses sitzen zwischen Baum und Borke fallen die Längen im Stoff umso mehr auf. Das dann im Ensemble noch ein Schauspieler ist, der wie der junge Christian Slater aussieht, dessen Rolle er aber nicht spielt, weil Frauenquote – geschenkt. „Der Name der Rose“ in dieser Bühnenfassung ist eine recht lieb- und freutlose Angelegenheit, aber genau darum geht es ja im Kern der Geschichte: Der Mensch soll keine sinnlose Freude haben, und schon gar nicht lachen.

The Sadness [Prime]
Ein Virus bricht aus und verwandelt alle Menschen in blutrünstige Bestien. So weit, so Zombie. Aber hier ist es anders: Die Menschen werden nicht zu herumschlurfenden, hirnlosen Kreaturen. Sie behalten ihre höheren Hirnfunktionen, allerdings werden die neurologischen Zentren für Befriedigung und Gewalt direkt miteinander vertüddelt. Die Folge: Infizierte laben sich mit sadistischer Wolllust daran, ihre Mitmenschen auf möglichst grausame Weise zu verstümmeln, zu foltern und zu zerstückeln.

Gilt als filmisches Meisterwerk, dieser taiwanesische Bodyhorrorfilm, deshalb musste ich den leider gucken. Tatsächlich passiert hier aber nicht viel interessantes – die Seuche bricht aus, und dann sieht man einfach 100 Minuten wie Menschen böse zu anderen Menschen sind. Das kann man genauso gut im Baumarkt oder auf Facebook angucken, da gibt es nur nicht literweise Kunstblut.

Naja, im Ernst: Handlungstechnisch ist der Film Banane, und die völlig ausufernden und sehr, sehr grausamen Gewaltdarstellungen finde ich abstoßend. Für das Genre sicher sehr konsequent, von mir aber ein großes BÄH.


Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse [BluRay]
Dumbledore bringt ein recht großes Ensemble in Stellung, um den faschistischen Vormarsch seines alten Lovers Gellert Grindelwald zu stoppen.

Ich mag den ersten „Tierwesen“-Film supergerne, wegen seiner fantasiereichen Geschichte und den tollen Charakteren. Der zweite glänzte durch tolle Ausstattung, war erzählerisch aber eher meh und die Charakter machten dauernd Dinge, die kein normaler Muggle nachvollziehen kann. Nun also der dritte Teil, und der wirkt seltsam verstolpert.

Zwar sind auch hier Schauspieler und Design ganz toll, aber die Zahl der Hauptcharaktere ist viel zu groß, und irgendwie kommt die Geschichte so abrupt zu einem Halt, als ob jemand kurz vor Ende der Produktion gesagt hätte: „Übrigens, wir machen doch nicht 5 Filme, sondern nur drei, also kommt zu Potte“. Das Ergebnis ist eine Triple-A-Produktion, die am Ende so lieblos zusammengebunden wirkt, als hätte man kein Budget mehr gehabt um was Anständiges zu filmen.


Spielen:

Resident Evil 2 [PS5]
Leo und Claire begegnen sich eines Nachts zufällig an einer Tankstelle. Kurze Zeit später stellen sie fest, das die Stadt, die sie aufsuchen wollten, von Zombies überrannt wurde. Sie suchen Unterschlupf im örtlichen Polizeihauptquartier. Dort trennen sich ihre Wege, und die Suche nach einem Ausweg beginnt – denn das verwinkelte Gebäude ist nicht nur voller Untoter, es war früher mal ein Museum, und es ist immer noch voller geheimer Gänge und Rätsel.

Was für ein Meisterwerk! Das Original ist von 1999 und war für die Playstation 1, das wäre mit seinen statischen Kameras heute unspielbar. Die Version, die ich hier gespielt habe, ist ein von Grund auf neu gebautes Remake für die PS4, das nun noch ein kostenlose PS5-Upgrade bekommen hat. Ich wusste nicht was mich erwartet und hatte mit einem Shooter gerechnet, aber RE2 ist tatsächlich ein eher langsames und bedächtiges Rätselspiel mit gelegentlichen Grusel- und Schießeinlagen.

Absolut beeindruckend ist die Narration, die fast komplett im Gameplay und im environmental Storytelling stattfindet. Hier wird viel mehr gezeigt als erzählt, und der Effekt ist umwerfend. Es stellt sich wirklich ein Gefühl von Erkundung und Abenteuer ein, aber auch die Beklemmung, das jederzeit schlimme Dinge gestehen können. Spätestens wenn nach der Hälfte der Spielzeit eine unheimliche Figur auftaucht, die den eigenen Charakter unaufhaltsam verfolgt, steigt das Stresslevel enorm an. Allein die schweren Schritte des Verfolgers, den man nie los wird, lösen hohe Anspannung aus.

Erzählerisch ist RE2 wirklich Kunst. Man kann sich entscheiden, ob man mit Leon oder Claire spielen möchte. Mit diesem Charakter erlebt man dann die komplette Geschichte. Ist man damit am Ende, wird ein zweiter Run freigeschaltet, den man mit der anderen Spielfigur absolvieren kann, und in dem manche Passagen angenehm abkürzt werden, der aber die Lücken in der Hauptgeschichte füllt oder deren Erzählung erweitert. Für die vollständige Spielerfahrung braucht es daher mindestens zwei Durchläufe, will man alles erleben sogar deren vier. So ein Niveau an verschachtelter Erzählung und perfekt passender Erzählung habe ich echt noch nie gesehen.


Machen: Esel streicheln in Sidmouth auf einer kleinen Tour durch Frankreich, England, Wals und Schottland.


Neues Spielzeug:

Ein Steckerladegerät, ein Anker 735 „GaNPRIME“. Zeitgemäß mit zwei USB-C- und einem USB-A-Anschluss. Das kleine Teil hat 65 Watt Leistung und eine vernünftige Ladeelektronik. Damit kann es aktuelle Smartphones schnellladen, aber auch das komplette USB-C-Netzteil vom Notebook ersetzen. Das und ein anderes Ladegerät können dadurch zu Hause bleiben – was mir ordentlich Platz und Gewicht im Reisegepäck spart. Mit der leichten Gummierung hat es außerdem eine wertige Haptik.

Passend dazu: Ein USB-C-Kabel mit einem winzigen Display im Stecker, auf dem der aktuelle Stromdurchfluss angezeigt wird. Spielkram, aber ich find´s cool.

 

 

Ding des Monats:
Eine Steppjacke mit dem schrägen Namen Patagonia Micropuff. Mit 200 Gramm superleicht und bis auf die Größe von zwei Tennisbällen zusammenpackbar, dabei aber mollig warm und winddicht. Geburtstagsgeschenk von Mudder Silencer (Danke!) und zum ersten Mal in Schottland getragen, dort aber dann jeden Abend. Bin völlig begeistert von dieser kleinen und sehr guten Reisejacke.

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Momentaufnahme: Juni 2022

Herr Silencer im Juni 2022

Ding des Monats: Die PS-Vita

Wetter: Anfang bis des Monats wechselhaft: Sonne, aber auch mal kühlere Tage. Das schaukelt sich auf in einem Wechsel aus knalleheiß und richtig kühl, von Nachts 6 Grad bis tagsüber über 30. Am Monatsende dann Hitzewelle. Wenig bis gar kein Regen.


Lesen:


Hören:


Sehen:

Obi-Wan Kenobi [Disney+]
Geschichte knurk, Optik selten hui, McGregor holla, Vader staun!, restliche Schausteller hrmpf, Kinder nerv. Charaktere wackel und örgs, Pacing knack. Insgesamt: Ach.

 

The Batman [2022, BluRay]
Gotham City, Lederlappen, Schrecken der die Nacht durchflattert, usw.

Die Geschichte geht ungefähr so: Als alle noch dachten, das Zak Snyders DC-Universum ganz töfte würde, wollte Ben Affleck einen Batman-Film schreiben, produzieren, Regie führen und die Hauptrolle spielen. Als der Mann mit den Nazieulen dann aber den erwartbaren Müll ablieferte und das DC-Universe grandios gegen die Wand fuhr, fing Affleck vor Frust an zu saufen und das Studio bekam kalte Füße und wollte umfangreiche Änderungen. Mit jeder Drehbuchüberarbeitung hatte Affleck Dann weniger Bock – erst wollte er „seinen“ Batman nicht mehr verantworten, dann nicht mehr spielen, dann nicht mehr produzieren. Gut so, denn danach übernahm Matt Reeves, schmiss alles weg und konzipierte den hier vorliegenden Solo-Film.

Der möchte kein Action-, sondern ein Thriller und Detektiv-Film sein. Klingt nett, weil der Detektiv-Aspekt des „Mitternachtsdetektivs“ bislang in keinem Kinofilm beleuchtet wurde. In der Umsetzung beschränkt sich das aber darauf, dass Robert Pattison schlecht gelaunt an Tatorten rumsteht, sich irgendwas in den Bart brummelt und dann plötzlich die Lösung herausposaunt, ohne das man wirklich wüsste, wie er darauf gekommen ist – durch Detektivarbeit jedenfalls nicht. Actionsequenzen zur Auflockerung gibt es tatsächlich nur wenige, und die sind unspektakulär.

Reeves fokussiert auf Unterhaltungen zwischen den Charakteren. Da die Dialoge aber meist platt sind und die Figuren vornehmlich grimmig gucken und ihre Motive unklar sind und sich alle, allesamt, wie Arschgeigen benehmen, bleiben die Interaktionen sehr egal.

„Der Batman“ möchte kein Actionfilm sein, sondern ein Thriller im Stil von „Seven“ – das gelingt ihm aber nicht, zu unspannend und langatmig ist die Geschichte erzählt, und wenn man als Zuschauer über drei Viertel der Laufzeit von fast drei Stunden nicht mal weiß, um was es geht oder was auf dem Spiel steht, wird´s halt arg zäh.

Highlight ist Zoe Kravitz als Einbrecherin. Der Rest ist stylisch und düster, aber auch beliebig und letztlich Wurst. Eine düster dröhnende Wurst, aber eben Wurst und ganz sicher kein „Super-Noir-Thriller“ als den die Werbung den Streifen verkauft. Kann man angucken, ist kein Totalausfall, aber eben auch keine bleibende Erinnerung.

Nobody [BluRay, 2021]
Vorstadt, Frau, Kinder, immer der gleiche Alltag – Bob Odenkirk hat ein ruhiges Leben. Das ändert sich, als eines Nachts Einbrecher seine Familie bedrohen. In der konkreten Situation wirkt der Familienvater gefasst, aber hilflos. Kurz darauf stellt sich heraus, dass der Zwischenfall eine alte Sucht in ihm geweckt hat.

Holy Shit meine Güte WAS IST DAS?!

„Nobody“ ist mit Sicherheit einer der brutalsten Filme, die ich seit langer Zeit gesehen habe. Aber was will man erwarten, wenn der Drehbuchautor von „John Wick“ ein Drehbuch schreibt, das vom Regisseur von „Hardcore Henry“ umgesetzt wird?

So überraschend wie die handgemachte Action ist auch die Besetzung. Bob „Better Call Saul“ Odenkirk hätte man den Actionhelden nie zugetraut, aber hier prügelt, schnetzelt, schießt und blutet er sich hier durch gefühlt Dutzende von Situationen. Jede Actionsequenz ist übrigens so gefilmt, dass man immer weiß wer wo steht und was gerade passiert – Schnittmassaker mit 25 Schnitten in 10 Sekunden, wie in jüngsten Actionfilmen aufgrund von Unvermögen passieren oder, wie im Fall der Liam Neeson-Streifen, um zu kaschieren das der Protagonist schon weit im Rentenalter ist, passieren hier nicht. Auch, weil Odenkirk wirklich fit ist. Der Rest vom Cast ist ebenfalls überraschend – ich habe ein wenig Schnappatmung bekommen, als ein alter Bekannter aus „Zurück in die Zukunft“ auftauchte.

Storytechnisch gibt es durchaus interessante Einfälle. Das die Motivation des „Helden“ mal nicht von Außen kommt, sondern intrinsisch ist und nicht auf dem Wunsch nach Rache oder Schutz der Familie basiert, ist schon spannend, das hat man so noch nicht gesehen.

Wer gute Actionfilme á la „John Wick“ oder „The Hunt“ mag, der muss „Nobody“ gesehen haben.

 

Titane [Amazon Video, 2021]
Alexia hat als kleines Mädchen einen Autounfall und bekommt deswegen eine Titanplatte in den Schädel gesetzt, worauf sie sich sexuell zu Fahrzeugen hingezogen fühlt. Nach einer Nacht in/mit einem Auto wird sie schwanger und Motoröl läuft aus ihren Brustwarzen und ihr Bauch droht von einer Titankugel gesprengt zu werden. Doof, das es ausgerechnet jetzt mit ihrem Hauptjob als Mörderin auch nicht so doll läuft, und so verändert sie ihr aussehen und gibt sich als Mann aus.

Bodyhorror ist eigentlich ein tolles Genre, Filme wie „Die Fliege“ gruseln bis heute. Aber warum sind die Geschichten oft so verquast? „Titane“ anzugucken ist Zeitverschwendung, weil die teils interessanten Szenen ab einem gewissen Punkt keinen Sinn mehr ergeben und nicht mehr sind als eine verwürfelte Nummernrevue von Ekligkeiten.

Kunstkritiker sind natürlich begeistert darüber, das sich hier ein hormongeschwängerter Boomermann die Bauchmuskeln anzündet und jodeln darüber als „Entzieht sich Interpretationen“, „Feministische Freiheit im Umgang mit dem Körper“, „Dekonstruiert Geschlechterrollen“ und „Radikale Erfindung der eigenen Identität“ und ich sehe auch die Punkte – aber ich erkenne halt auch schlechtes Storytelling und Beliebigkeit, und das Verzeihe ich nicht, nur um mich an meinem eigenen Kunstwissen zu berauschen oder zu behaupten Titane“ sei der nächste „Parasite“. Ist er nicht. „Titane“ hat genau eine nette Idee, aber die Macherin hat zu viel Cronenberg geguckt und ist im Schnitt versumpft.

Dr. Strange in the Multiverse of Madness [Disney+]
Sumthing sumthing Dr. Strange und irgendwas mit der Scarlett Witch.

Tja, ach. Nett gemacht, aber etwas ohne Vorwissen und Kontext unverständlich. Nett: Das hier zur Hälfte ist ein Sam Raimi-Film, inkl. „Army of Darkness“-Referenzen und Bruce Campbell. Das macht Spaß. Die andere Hälfte ist zu lange gekauter Kaugummi.


Matrix Ressurections [BluRay]
Neo und Trinity sind wieder da, aber niemand hat eine Erinnerung an die vorhergehenden Ereignisse und überhaupt: Warum sind sie wieder da?

Ja, „warum nur“ habe ich mich ohnehin gefragt. Muss man „Matrix“ 25 Jahre nach dem ersten Film fortsetzen? Und falls ja: Wie setzt man eine Geschichte fort, die sich ins popkulturelle Gedächtnis bis auf Meme-Ebene eingebrannt hat? Dinge wie „Bullett Time“ oder „Agenten“ oder „ach guck zwei schwarze Katzen, das ist ein Fehler in der Matrix“ kennt jeder, und der Glauben, in einer Simulation zu leben wird ja selbst von Querdenkern oder Elon Musk vor sich hergetragen.

Dieser Film macht etwas Interessantes aus diesem Dilemme und reitet genau diese Memes und das Wissen um die Matrix auf einer Meta-Ebene, über die Keanu Reeves erstaunt guckend stolpert, während das Drehbuch die ganze Zeit den Zuschauern ein „Hier, kennste, kennste?“ zuzwinkert und sich wonnig in Selbstreferenzialität suhlt wie ein Schwein im Schlamm. Das wird viel zu lange gemacht – wenn es endlich losgeht und die Geschichte halbwegs an Fahrt gewinnt, ist bereits Minute 100 erreicht. Das Ende rettet diese unnötige Fortsetzung, insgesamt aber leider kein guter Film.

 

 


Rambo: First Blood [1982, Bluray]
Vietnamveteran John Rambo hat nach Ende des Kriegs kein Ziel mehr und streift durch die USA, um ehemalige Kollegen zu besuchen. In einer Kleinstadt wird er von der örtlichen Polizei erst drangsaliert, dann mißhandelt. Dadurch brechen bei Rambo alte Traumata aus der Kriegsgefangenschaft auf. Er flieht in die Wälder und liefert sich einen blutigen Kampf mit Polizei und Nationalgarde.

Ich kannte die Rambo-Filme nur als popkulturelles Bild, als Meme („blaues Licht“) und hatte immer gehört, das der erste Film gar nicht schlecht sei. Das stimmt tatsächlich: Handgemachte und oft für das Budget erstaunlich gute Action, und als unterliegendes Thema der Umgang der Zivilgesellschaft mit einer Generation von Männern, die alles für ihr Land gegeben haben, und nun nicht mehr gewollt sind.


Rambo: First Blood Part II [1985, Bluray]
Rambo soll Kriegsgefangene in Vietnam suchen, aber nicht befreien. Als er das doch tut und sich nebenbei mit Russen anlegt, sind die USA nicht erfreut.

Ganz, ganz schlimmer Scheiß, schlecht erzählt, mies gefilmt und geschnitten und Stallone spielt, als hätte er einen Schlaganfall gehabt. Jegliche tiefere Moral ist weg, hier geh es nur noch um Knall-Bumm.


Rambo III [1988, BluRay]
Irgendwas mit Afghanistan und blauem Licht.

Auch ganz, ganz schlimmer Scheiß, nicht ganz so handwerklich schlecht wie Teil 2, aber immer noch schlecht.


John Rambo [2008, BluRay]
Irgendwas mit Burma, und am Ende schießt Rambo alles weg.

Wirkt so als hätte jemand die Rambo-Parodie aus Hotshots nochmal in Ernst verfilmt. Nebenbei macht sich das Drehbuch über humanitäre Helfer lustig. Die unterliegende Botschaft des Films lautet: Wer an Frieden glaubt ist naiv, nur Waffengewalt ist eine Lösung. Schrecklich.

Rambo: Last Blood [2018, BluRay]
Rambo lebt auf der alten Farm seines Vaters in Arizona. In unterirdischen Tunnels sprengt er mexikanische Menschenhändler weg.

Dieser Film ist unnötig brutal, offen rassistisch und gefährlich dumm. Damit traf der Streifen vermutlich den Nerv der Trump-Jahre, und zwar so sehr, das einem als normaler Mensch schlecht wird. Mexikaner werden nahezu durchgehend als Diebe, Verräter und Verbrecher dargestellt, die amerikanische Frauen rauben.

Vom Story-Konstrukt fangen wir lieber nicht an. Allein die Idee, das Rambo unter seiner Farm ein kilometerlanges Tunnellabyrinth buddelt, weil er ja in Vietnam in Tunnels traumatisiert wurde, ist so dämlich, dass man sich jeglichen Kommentar sparen kann.


Spielen:

Persona 5 Golden [PS Vita]
Japan, ein kleiner Ort auf dem Land: TV-Geräte, die auf keinen Sender eingestellt sind, zeigen nur verrauschten Schnee. Aber in nebeligen Nächten, genau um Mitternacht, sind in diesem statischen Rauschen die schemenhaften Umrisse von Personen zu sehen. In den folgenden Nächten werden die Umrisse deutlicher erkennbar, und kurze Zeit später werden die Personen, die im „Mitternachtskanal“ aufgetaucht sind, tot aufgefunden.

Eine Gruppe Highschool-Kids entdeckt das sie die Fähigkeit haben, von der realen Welt durch Fernsehgeräte in die TV-Welt zu wechseln, in der sie über Zauberkräfte verfügen. Gemeinsam machen sie sich daran die Personen zu retten, deren Tod der Nebel ankündigt.

Bizarres Szenario, aber toll gemacht. „Persona“ ist ein rundenbasiertes Action-Rollenspiel, bei dem es nur sinnvoll weiter geht, wenn neben den Kampfeinlagen in der TV-Welt soziale Beziehungen in der realen Welt aufgebaut und gepflegt werden und der Schulalltag gemeistert wird. Zeit mit Freunden, Arbeit und Studium zu verbringen ist genauso wichtig wie Monster verhauen und Menschen retten, und beides in Kombination macht einen irren Spaß – zumal hier stets die Motivationen klar sind und (nie unfaire) Zeitlimits dafür sorgen, dass hier keine Beliebigkeit entsteht. Die Grafik ist selbst auf der PS Vita super und der Soundtrack einfach mitreissend.

Persona 4 kam 2008 für die Playstation 2 raus, die „Golden“-Version erschien 2012 für die Playstation Vita und 2021 für den PC. Sie glänzt durch mehr Charaktere, einen neuen Epilog und besseres Gameplay – und ja, das macht auch nach den über 110 Stunden noch Spaß, die ich in die spannende Story versenkt habe.


Machen:


Neues Spielzeug:

Ein ASUS Zenbook mit dem kryptischen Namen UM425UAZ-KI023T. Mit 14 Zoll und 1,2 Kilo ein wenig größer als es mir für ein Reisenetbook lieb ist, hier hatte das lüfterlose Asus X205 mit 11,6 Zoll und 900 Gramm Maßstäbe gesetzt. Das Zenbook löst in Teilen das Medion-Netbook ab, dessen Tastatur wegen zu kleiner, runder und rutschiger Tasten einfach nicht vernünftig nutzbar ist.

Die neue Kiste bringt eine ordentliche und beleuchtete Tastatur mit, dazu ein gutes Display, gute Lautsprecher, 16 GB RAM, 1 TB Speicher, Windows 11 und eine Laufzeit von 14 Stunden. Alles „nach Militärstandards zertifiziert“ in Hinblick auf Temperatur, Feuchtigkeit und Schlagfestigkeit. Nicht hundertprozentig ideal für Reisen, war aber gerade um 500 Euro runtergesetzt und ist gut für den Moment.

Archiv Momentaufnahmen ab 2008

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Impressionen eines Wochenendes (34): Die verrückte Kirche

Wenn man zum Sonnenaufgang um 05:00 Uhr aufsteht und gleich losfährt, dann kann man eine ausgedehnte Motorradtour machen und bereits wieder zu Hause sein, wenn die anderen Verkehrsteilnehmer erst so langsam mit Frühstücken fertig sind.

So früh am Morgen sind die Straßen noch leer. In der Nacht hat es ein wenig geregnet, und wo die Sonne hinscheint, beginnen Wiesen und Asphalt zu dampfen. Gegen die Sonne zu fahren macht keinen Spaß, manchmal gleicht es einem Blindflug. Aber ich kann ja so langsam fahren wie ich möchte, ich bin ja allein unterwegs.

Im Harz bietet sich immer noch das Bild der vergangenen Jahre. Ganze Täler voller toter Bäume, Ergebnis von Klimawandel und Borkenkäfer.

Das tote Holz bleibt auch so liegen, das ist das Konzept des Naturparks. Bislang zumindest, denn die Tourismusbranche protestiert heftig und möchte die toten Wälder am Liebsten vor den Besuchern verstecken.

Auch die Besitzer von Wäldern am Rande des Naturparks maulen. Argument ist hier immer: Das Totholz ist das Las Vegas für Borkenkäfer, und von dort aus fressen sie sich durchs Umland.

Die Naturparkleitung lässt sich davon bislang nicht unter Druck setzen und experimentiert sehr gelassen mit südeuropäischen Laubbäumen. Den Fehler, nochmal das ganze Mittelgebirge mit Fichten vollzustellen, den will man nicht nochmal begehen.

Es ist recht klar zu erkennen, woher die Namen der Orte im Harz kommen. Sorge. Elend. Tanne.
Mein Weg führt nach Stiege. Hier steht seit Neuestem eine Stabkirche am Ortsrand.

Hölzerne Kirchen dieser Art findet man viel in Skandinavien, und für die Region hier sind sie auch nicht außergewöhnlich. Aber diese Kirche hier ist wirklich interessant, denn auch wenn sie erst seit 4 Wochen hier steht, ist sie doch schon 115 Jahre alt.

Einige Kilometer von Stiege entfernt schlängelt sich eine Schmalspurbahn durch das Selketal.

Ich lasse die V-Strom stehen und folge einer alten Straße in den Wald hinein. Nach kurzer Zeit finden sich Zeichen, das es hier einmal Bauten gab.

Tatsächlich ist das hier das Gelände eines ehemaligen Lungensanatoriums, dem Albrechtshaus. Um das Jahr 1900 herum hatte jede gute Krankenkasse so ein Lufterholungsheim im Harz. In Wernigerode sind noch schmiedeeiserne Hallen erhalten, wo Mitglieder der AOK sich zum Atmen reinsetzten. DAs Albrechtshaus gehörte der Landesversicherungsanstalt Braunschweig, bis 1993 wurde es als Lungen- und Tuberkulose-Klinik genutzt. 2013 wurde es Opfer eines warmen Abrisses, seitdem verfällt der große Gebäudekomplex, hier das Pförtnerhaus.

Wo Gebäude verfallen gibt es Vandalismus, und der traf auch die Stabkirche, die auf dem Gelände des Sanatoriums stand. Genau hier:

Dass immer wieder die Buntglasfenster der kleinen Kirche eingeworfen und Graffiti hinterlassen wurde, missfiel den Einwohner:innen von Stiege. Gemeinsam sammelten sie für den Erhalt der Kirche, aber irgendwann wurde klar: An ihrer einsamen Position im Wald wird sich die Kirche nicht schützen lassen. Also sammelte man noch mehr Gelder, und nach 6 Jahren war es soweit: Die Kirche wurde transloziert, also an ihrer Stelle im Wald Stück für Stück abgebaut und am Rand von Stiege wieder neu errichtet.

Dort ist sie seit neuestem jeden Sonntag von 13:00 bis 16:00 Uhr für Besichtigungen geöffnet.

Dreizehn Uhr, da wird jede Straße hier im Harz von Motorengebrumm erfüllt und ich schon lange wieder zu Hause sein. Aber erst einmal genieße ich es, den Asphalt für mich allein zu haben und von den Bergen Sachsen-Anhalts über die Kornfelder Thüringens wieder zurück nach Niedersachsen zu fahren.

Tour des Tages: Rund 220 Kilometer.

Tour des Tages: Rund 220 Kilometer.

Frühere Wochenendeindrücke

Kategorien: Gnadenloses Leben, Impressionen | 2 Kommentare

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