Momentaufnahme: Februar 2017

Herr Silencer im Februar 2017
„Meins!“

Wetter: Monatsanfang pendelt so um den Gefrierpunkt rum, dann kommt der Regen. Es schüttet wie aus Eimern, bei Temperaturen zwischen 1 und 8 Grad. Sonne lässt sich nur minutenweise blicken.

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Lesen:

Neil Gaiman: The Ocean at the End of the Lane
Er braucht ein wenig Abstand von der Welt und kehrt deshalb zurück in den Ort, an dem er als Kind aufgewachsen ist. Dort erinnert er sich an seine Jugendfreundin Lettie Hempstock. Die hatte einen Teich hinter dem Haus, den sie „ihren Ozean“ nannte. Dann erinnert er sich an mehr, an den Tag im Wald, von dem er etwas mit zurückbrachte. Etwas, das nicht aus dieser Welt war und dafür sorgte, dass er eines Nachts von zu Hause fliehen musste, aber Lettie wusste Rat.

Ein kurzes Buch von Gaiman, der einmal mehr mit seinen „die alten Götter/Dämonen/Dings kommen auf die Erde zurück“-Tropes spielt. Das tut er aber auf so zauberhafte, kindheitserinnerungsvernüddelte Weise, dass man bei „Ozean“ keine Ahnung hat wie es weitergehen oder enden wird. Die Geschichte überrascht auf nahezu jeder Seite, und das macht „Ozean“ zu etwas Besonderem. Zwischendurch liest es sich fast wie ein Stephen-King-Buch, aber diese Charakterisierung ist für sich nicht ausreichend. Und da Gaiman das Kunststück hinbekommt, das Ende so zu gestalten, dass es KEIN Happy End und trotzdem tief befriedigend ist, kann das Fazit nur lauten: Sollte jeder für sich selbst entdecken.

Neil Gaiman: Neverwhere [Kindle und Graphic Novel]
Richard Mayhew lebt in London. Sein Leben ist die geordnete Biedermannhölle: Seine Tage verbringt er im Büro, Abends lässt er sich von der Verlobten sagen wie die Zukunft auszusehen hat, und am Wochenende geht es mit den Kumpels in den Pub. Das ändert sich, als er einer jungen Frau hilft, die ihm verletzt vor die Füße fällt. Kurz darauf passieren seltsame Dinge: Richard scheint nicht mehr zu existieren, sein Leben verschwindet aus der Welt. Im Büro kennt ihn niemand mehr, Menschen ignorieren ihn. Um sein altes Leben wiederzubekommen, folgt er der jungen Frau nach London Below, der Welt der vergessenen Orte und Dinge.

Faszinierendes Buch, fantasievoll und voller Überraschungen. Am schönsten ist die Idee, für die Unterseite von London die Namen der U-Bahn-Haltestellen wörtlich zu nehmen. Am Earls Court hält wirklich ein Earl Hof, in Shepards Bush gibt es wirklich Schäfer, usw. Die Story ist spannend und kurzweilig, die Charaktere super.

Eigentlich wurde „Neverwhere“ als TV-Serie konzipiert, die in den 90ern von der BBC billig und lieblos verfilmt wurde. Neil Gaiman setzte sich dann hin und machte daraus eine ordentliches Buch, dessen Geschichte ihn über Jahre nicht los ließ. Für neue Auflagen dokterte er alle paar Jahre wieder daran herum, baute Teile um und fügte neue Ideen ein. Die jetzt für den Kindle erhältiche Fassung ist quasi der „Ultimate Directors Cut“ und sehr lesenwert. Zuletzt habe ich das Buch vor 12 Jahren in der Hand gehabt, und die Geschichte ist heute immer noch so gut wie ich sie in Erinnerung hatte. Ein zeitloser Klassiker.

Weil ich gerade mal dabei war, las ich auch gleich noch die 2007 erschienen Graphic Novel, die seit einiger Zeit ungelesen im Regal stand. Sie basiert auf einer älteren Fassung der Story, nutzt aber die Eigenarten des Mediums Comic voll aus – einfach mal einen Charakter, bestehend nur aus schwarzer Tinte, zu tuschen, dass muss man sich auch erstmal trauen.


Neil Gaiman: How the Marquis got his Coat back
[Kindle]
Während der Geschehnisse von „Neverwhere“ wird der Marquis de Carabas getötet, in den Fluss geworfen und seine Leiche und sein Besitz später von den Flußleuten einzeln verkauft. Die Kurzgeschichte spielt in der Woche nach „Neverwhere“ und erzählt, wie der wiederbelebte Marquis seinen seltsamen wie liebgewonnenen Mantel sucht. Dabei führt ihn seine Reise an den einen Ort, den er nie sehen wollte: Zu den Hirten von Shepards Bush, wo er sich prompt mit dem Elefanten von Elephant & Castle anlegt.

2015 erschien dieser Nachklapp zu dem damals schon 17 Jahre alten „Neverwhere“ – nicht weniger interessant als die Hauptstory. Wer „Neverwhere“ mochte, sollte sich diese 60seitige Kurzgeschichte, die es für 99 Cent im Buchhandel gibt, nicht entgehen lassen.

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Hören:


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Sehen:

Finding Dorie [PSN]
Fisch Dorie, die blaue Nervtröte aus „findet Nemo“, sucht ihre Eltern und geht dabei verloren. Nemo und AMrlin suchen sie.

Ach, Pixar war mal originell und hat tolle, herzergreifende Geschichten erzählt. „Findet Dorie“ leider nur hektische, slapsticküberladene und herzlose Sequelkacke.

Miss Peregrines Home for Peculiar Children [PSN]
Der junge Jacob geht Geschichten seines Großvaters nach. Der fabulierte immer davon, dass er seine Jugend mit unsichbaren Jungen, fliegenden Teenagerinnen und andere Mutanten verbracht habe. Was sich wie Spinnereien anhört, wird für Jacob unversehens Realität: Durch ein Zeitloch gerät er ins Jahr 1943. Dort, eingefroren in der Zeit, existiert die Insel der besonderen Kinder bis heute. Aber nicht mehr lange, denn das zeitlose Kinderheim von Miss Peregrine wird von einem grimmassierenden Samuel L. Jackson bedroht.

Endlich mal wieder ein echter Tim Burton-Film! Herrlich Düster, toll ausgestattet, toll gespielt. Eva Green und Samuel L. Jackson haben sichtlich Spaß an der absurden Story, die Kinderdarsteller nerven nicht, die Geschichte ist straff erzählt und nie langweilig. Ein Fantasy-Abenteuer- und Coming-of-age-Film zum Verlieben – aber Achtung, er IST stellenweise gruselig. So wohlig Tim-Burton-Gruselig, nicht Horror-gruselig.

The Imitation Game [Amazon Video]
Der zweite Weltkrieg. Die Alliierten verzweifeln an der deutschen Kommunikation, die mittels der Enigma-Maschine verschlüsselt ist. Im englischen Bletchley sammelt der britische Geheimdienst Linguistinnen, Schachweltmeister und Mathematiker, die gemeinsam die Verschlüsselung brechen sollen. Einer von ihnen weigert sich im Team zu spielen. Alan Turing ist ein brillianter Mathematiker, kann aber nicht mit anderen Menschen umgehen. Von seinen Mitstreitern verspottet, bastelt er an einer Maschine, die die Enigma brechen soll – den ersten Computer. Jahre später gerät Turing mit dem Gesetz in Konflikt. Er ist homosexuell, und das ist in den 50ern in England verboten. Er wird zu chemischer Kastration verurteilt, bekommt von der Hormonbehandlung Depressionen und begeht Selbstmord.

Das Leben des Alan Turing bietet viele Ansatzmöglichkeiten um eine interessante Geschichte zu erzählen. Seine Arbeit war brilliant, er war einer der ersten Computertheoretiker, ein hervorragender Sportler, sein Wirken für den Geheimdienst spannend, der Umgang mit Homosexualität ein Zeitzeugnis und sein Lebensende ist beschämend für die britische Gesellschaft.

Das Problem des Films ist nun, dass er all diese Ansatzmöglichkeiten auf einmal zu erzählen versucht und noch zusätzliche dazu erfindet, dabei aber keinen richtig ausarbeitet und dadurch letztlich zusammenbricht. Der Film ist schlicht überladen, und zwar sowohl mit realen als auch mit fiktiven Darstellungen. Als hätte die Kryptoarbeit oder die Homosexualität in den 40ern nicht ausgereicht, wird Turing im Film auch noch als Autist dargestellt, der Zwangsstörungen mitbringt und zusätzlich einen dermaßenen Sprung in der Schüssel hat, dass er seinen Computer nach seiner toten Jugendliebe benennt und mit ihm spricht. Benewatch Cumberdick macht einen guten Job, aber eine dermaßen überladene Figur kann den Film nicht trage. Der geht in der Folge baden und bleibt blass und belanglos Film, und man fragt sich, wie man DIESE Vorlage so dermaßen versägen konnte.

Inferno [PSN]
Unglaublich feiger, schlechter Film. Besprechung gestern.

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Spielen:

Uncharted: A Thieves End [XBOX One]
Keine Zeit zum Spielen und ausserdem Jahreszeitbedingte Spieleflaute, deshalb zwischendurch mal ein moderner Klassiker mit unfassbarer Story und bislang unerreichter zwischenmenschlicher Tiefe. Besprechung hier.

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Machen:
London!

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Neues Spielzeug:
Wird noch nicht verraten.

Archiv Momentaufnahmen ab 2008

Kategorien: Momentaufnahme | 14 Kommentare

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14 Gedanken zu „Momentaufnahme: Februar 2017

  1. Ursus310

    Ich hab „Miss Peregrines Home for Peculiar Children“ im Kino gesehen und kann Deinen Kommentar weitgehend teilen. Nachdem ich alle drei Bücher aber schon kenne (der Film ist eine schnelle Zusammenfassung des ersten Buchs mit einem Ende, das in den Büchern nicht vorkommt) – geht leider einiges verloren … drei Teile wären besser gewesen, Material ist in den Büchern ausreichend vorhanden -> Insel, Stadt und Biblopthek der besonderen Kinder (Ransom Riggs) kann ich auf jeden Fall als Lektüre/Hörbuch auch empfehlen.

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  2. Ah, danke für den Hinweis! Die Bücher muss ich mir mal ansehen, zumal mit weiteren Filmen wohl eher nicht zu rechnen ist. Burton macht ja leider keine Fortsetzungen mehr, da kann man eigentlich nur noch hoffen, dass sich HBO oder Netflix dem Stoff annehmen und eine ordentliche Serie über alle Bücher draus machen.

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  3. Machen: 3 Wochen SriLanka mit Demonstration, was man nicht unbedingt im Überfluß braucht.
    Spielzeug: Dieses Mal was zum Anziehen: Sarong. Herrlich für den Sommer.

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  4. Albrecht: Ach, guck an, und ich hatte mich schon gewundert, weil Du Dich so lange nicht hast hier blicken lassen. Schön, dass Du wieder da bist!

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  5. Grins……muß ja wieder herkommen in die Kälte, damit ich länger frisch bleibe.
    Wow……Pflanzenexplosion im Reiseland. Jetzt kann ich mit neuer Kraft an meinem Reiseplan für Osteuropa (Türkei hab‘ ich schon in die EU geworfen) feilen.

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  6. Hier hast Du wenig verpasst. Aber das hier wird Dich interessieren: https://pbs.twimg.com/media/C5-6UpBWYAAk_uM.jpg

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  7. Das fatale dran im Reisen…….in Punkto weitweitweg ist das beste Preis-Leistungsverhältnis der Flieger. Weiter als der indische Kontinent geht hin&rück für 400 Dollar. Da bin ich im europäischem „Nahverkehr“ mit dem Möpp deutlich teurer.

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  8. Hubbs, sogar mit sinnigem V. Ich habe alle Fahrzeuge…außer Schlepper….mit Anfangsinitialen. (Marotte). So als V-Anfang: Fühlst dich wohl? Ist ja nen Stück größer. Wenns von unten rauf zu mager wäre, kann man mit nem kleineren Ritzel nachhelfen. Ich selbst bevorzuge es im Originalzustand. Glückwunsch.
    Im Reiseland war max. 60 angesagt, weshalb Mopeds um die 125-200 ccm reichen. Nächste Evolutionsstufe dann Tuktuks, Autos und dann Busse, die überholen alles.

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  9. Von dem lustigen Verkehr da habe ich schon gehört 🙂

    Man beachte: Da sind noch keine Siegel drauf, ich fahre noch nicht. aber freu Dich mal, denn DU bist derjenige, der mir den Floh ins Ohr gesetzt hat.

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  10. Noch nen Floh: Solltest du nicht zufrieden sein, kaufe ich dir das Mopped ab.
    Voraussetzung wäre kein mechanischer oder sichtbarer Schaden.
    Hast du mit Händlergarantie- oder Gewährleistung gekauft? Wenn ja, dann die ersten 6 Monate voll testen, denn danach gilt die Beweislastumkehr.

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  11. Mal langsam, Du weisst ja gar nicht WAS ich mir da genau zugelegt habe.

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  12. Na klar, Möpp mit Schlumbs…..ne RZZ im Sonderangebot mit negiertem Generator und
    Quietschbremsenanteil, angereichert mit gebrochenem Kofferträger sowie garniert an Ausfallwehweh.

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  13. 😀 Genau: Könnte eine DL1000 von 2002 sein, die ich jetzt mühsam wieder hochpäppele. Oder eine uralte VMAX. hehe.

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  14. Hab doch extra im Hindu-Tempel genug Blumen hingelegt für dich, daß keine weiß-blaue in deine Hand kommt. Waren vielleicht doch die verkehrten Blüten.

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