Albtraumhosenkauf
Die Ăberschrift ist doppeldeutig. Wer hier ein Drama erwartet wie bei dem Elend des Jackenkaufs, das sich drei Monate hinzog, der wird enttĂ€uscht werden. Die Anschaffung einer neuen Hose ging erstaunlich schnell. Der Hosenkauf war also kein Albtraum, ein Albtraum sind aber die gerade am Markt verfĂŒgbaren Hosen. Völlig erstaunlich, was sich die Hersteller trauen fĂŒr einen MĂŒll in die GeschĂ€fte zu hĂ€ngen. Gibt es in deren Designabteilungen keine Tourenfahrer? Ich habe mich durch einige Hosen probiert und eine wĂŒtende Meinung dazu.
Hintergrund: Nach sieben Jahren in Wind, Wetter und Sonne sollte nun auch meine treue Mohawk Hose in der Sympatex-Version ersetzt werden. Nach Möglichkeit wieder eine Textilhose, nach Möglichkeit wieder mit Leder an den sturzgefĂ€hrdeten Stellen. Allerdings nicht nochmal eine Mohawk. Grund: Die hat zwar dickes Leder an den Knien, HĂŒften und am Hintern, was bei einem Unfall und beim Rutschen ĂŒber den Asphalt die Haut ganz gut schĂŒtzen sollte.
Der Schwachpunkt sind aber die ĂbergĂ€nge, insb. die NĂ€hte unter und ĂŒber de Knie, die Leder und Polyamid verbinden. Die doppelten NĂ€hte und das dicke Leder sehen stabil aus, sind es aber an genau diesen Nahstellen nicht unbedingt: In Foren habe ich unschöne Bilder gefunden, die Mohawks zeigen, bei denen beim Sturz das Leder aus dem Cordura oder direkt an den NĂ€hten gerissen ist. Nachdem sich dann die Hose aufgelöst hatte, pellte sich dann Haut und Fleisch wie eine Mandarine vom Knie des Fahrers. Merke: Niemals Materialmix und NĂ€hte unmittelbar vor Gelenken und quer zur Sturzrichtung!
Da Leder-/Textil-Kombis gerade total out sind, gibt es gar nicht all zu viel Auswahl. In der örtlichen Polo-Filiale probierte ich mich dann durch diverse Modelle.
Was ich da so sah, hat mich echt erstaunt. Auch im hochpreisigen Segment gibt es jede Menge Pfusch und Murks. “Abenteuer”-Hosen ohne LĂŒftungen, andere ohne vernĂŒnftige Taschen, wieder andere “locker und bequem” geschnitten, dass darin die Protektoren Rumschlabbern wie nichts Gutes.
Eine, ansonsten recht gute, Tourenhose von Reusch hat Hosentaschen, die so klein sind, dass man schon ZwergenhĂ€nde braucht um ĂŒberhaupt reinfassen zu können. Dazu passt die kleine und fummelige LĂŒftung mit filigranen ReissverschlĂŒssen. Und wer auf die Idee gekommen ist, den Stiefelverschluss auf der RĂCKSEITE anzubringen, gehört gehauen. Ich ziehe mir meine Stiefel selber an, fĂŒr diese Hose brĂ€uchte man einen Stiefelknecht!
Als NĂ€chstes: Die “Pharaoh”-Hose. Sieht man oft an Bloggern und Filmern, die von Polo gesponsort werden. Ich wĂŒrde das Ding nicht mal geschenkt nehmen. Sitzt wie ein nasser Sack, hat einen Reissverschluss im Schritt, der nicht mal halb gut abgedeckt und deshalb Einfalltor fĂŒr Feuchtigkeit (von AuĂen!) ist, und wer auf die Idee gekommen ist, den Stiefelabschluss statt mit einem Reissverschluss mit Klett zu versehen, der gehört ĂŒbers Knie gelegt! Im Ernst, ich habe sehr wohlgeformte und schlanke Beine, und diesen Klettverschluss konnte ich mir zweimal um die fesseln wickeln. Stopft man die Hosenbeine nicht in die Stiefel, flattern die im Wind. Es mĂŒssen allerdings verdammt groĂe Stiefel sein.
Letztlich blieb nur die “Matata II” von Held ĂŒbrig.
Ich war ja sofort miĂtrauisch – welcher Hersteller nennt bei einer Reisekombi die Jacke “Hakuna” und die Hose “Matata”? Gibt es dazu demnĂ€chst die Handschuhe “Timon” und die Stiefel “Pumbaa”?
Egal. Die Matata II ist auch weit weg von Ideal. Der Schnitt ist flatterig, im Bund ist ein Gummizug ohne Verstellmöglichkeit und der kleine Riegel am Hosenbein, der wie ein (sinnvoller!) Beineinsteller aussieht, ist nur ein Dings um eine LĂŒftung aufzuhalten. Nutzen: Zweifelhaft.
Der gröĂte Witz ist aber: Zwar ist KĂ€nguruleder verarbeitet, aber NICHT an den Knien, sondern nur am Hintern und den Waden. Sollen ditte? FĂŒr Endurofahrer mag das ja nett sein, aber kein Endurofahrer mit einem Funken Ehre im Leib wĂŒrde so eine Hose tragen. Immerhin gibt es unter den Knien keine NĂ€hte, und darĂŒber sind StretcheinsĂ€tze, die lange Strecken angenehm machen sollten.
Nett ist das Konzept, das Hosenfutter samt Membran herausnehmen zu können. Dadurch wird die Hose sehr leicht. Ganze 1,4 Kg wiegt das Beinkleid ohne Innenfutter, aber mit voller Protektorenausstattung. Im Vergleich dazu: Die Mohawk-Hose wiegt 2 Kg.
Ebenfalls schön: Gigantische LĂŒftungsöffnungen an Ober- UND Unterschenkel. Bei dem, was ich dieses Jahr vor habe, eigentlich genau das richtige. Aber. Ich erwarte eigentlich, dass eine LĂŒftung auch nicht mehr lĂŒftet, wenn sie geschlossen ist. Welcher Lurch bei Held auch immer es toll fand, grobe ReiĂverschlĂŒsse an diesen Stellen einzusetzen, gehört ebenfalls an den Pranger gestellt. Durch die Dinger pfeift der Fahrtwind auch dann, wenn sie geschlossen sind. Auch ansonsten ist die Matata II “cool”, im wahrsten Sinne des Wortes, denn im Schritt fehlt eine ordentliche VerstĂ€rkung – der Willi bzw. die Mumu wird also immer schön durchgelĂŒftet.
Der Sitz ist ganz OK, wenn auch fĂŒr Leute gemacht, die moppeliger sind als ich und Gelenke wie BaumstĂ€mme haben. Bei 1,70 Meter KörpergröĂe ist die LĂ€nge in M bei mir perfekt, aber die BeinabschlĂŒsse zu weit und zu der nicht verstellbare Bund so umfangreich, dass sie einem ohne GĂŒrtel vom Hintern fĂ€llt, wenn man nicht gerade 100 Kilo wiegt. Der Hersteller meint denn auch, dass “M” Personen ab 1,72 bis 1,80 Meter passen soll. Haha. Als ob Hochwasserhosen schon wieder in Mode wĂ€ren. Aber Held schneidert sowieso fĂŒr Aliens, anders sind auch die ĂŒberlangen Daumen an deren Handschuhen nicht zu erklĂ€ren.
Bei der Matata II hĂ€ngen auch die Knieprotektoren dort, wo vielleicht Aliens, nicht aber Menschen ihre Knie haben. Bei mir hingen die knapp unter dem Knie und auf dem Schienbein. Da nĂŒtzt auch die Höhenverstellung nichts, die sitzen auch auf der höchsten Einstellung zu tief. Habe ich letztlich dadurch gelöst, dass ich die Protektoren entfernt und in separate Halter gestopft habe.
Das ist etwas umstÀndlicher zum Anziehen, hat aber den Vorteil, dass die Dinger immer an der richtigen Stelle sitzen.
Und: Ich kann die auch mal unter einer Jeans tragen.
Die Knieprotektoren sorgten fĂŒr eine Ăberraschung: Auf dem Etikett der Hose ist angegeben, das Held Level 1 Protektoren von SAS verbaut. Dem ist nicht so, zutage kamen welche mit Schutzlevel 2 (was besser ist!).
Die Dinger sind beeindruckend dĂŒnn und leicht und schĂŒtzen besser als die alten “Supershield”-Protektoren, die ich bislang in den Protektorentaschen hatte. DafĂŒr umschlieĂen sie das Knie nicht so weitrĂ€umig.
Wie jede andere Hose am Markt auch hat auch die Matata II keine HĂŒft- oder SteiĂbeinprotektoren. Sie ist aber dafĂŒr vorbereitet, und wer schon mal auf der StraĂe gelegen hat, weiĂ, dass HĂŒftprotektoren Gold wert sind. Die “Quattrotempi” fĂŒr die Matata II sind zwar eine Ă€sthetische Zumutung…
…aber sie sind flexibel und leicht.
Dazu kommt, dass sie echt fett sind – aber dafĂŒr auch Schutzklasse 2 haben, das leisten sonst nicht mal die Nucelon-Protektoren aus Alpine Stars Bio Armor-Serie. Sind sie unförmigen Quattrotempi aber erstmal verbaut, merkt man sie kaum. Nur beim Griff in die Hosentasche wird man daran erinnert, dass man Körperpanzer trĂ€gt – die Ausleger der Wabenstruktur schubbern am Portemonnaie.
Der SteiĂbeinprotektor ist dagegen geradezu zierlich.
Sind alle Protektoren an ihrem Platz, ist der Sitz der Hose deutlich besser als im Kaufzustand.
Auf den AuĂenseite der Knie gibt es Gleitpads. Bei Alpine Stars sind die mit Keramik beschichtet, um Rutschpartien ĂŒber den Asphalt zu ĂŒberstehen. Die von Held sehen dagegen nach Fake aus, vermutlich Gummikram, das nur cool aussieht.
Was wiederum schön ist sind die groĂen Hosen und Seitentaschen, die ordentlich groĂe ReflektorflĂ€chen haben. Ach ja, und meine Berufsbezeichnung steht auch drauf.
Ist das jetzt eine gute Hose? Nicht unbedingt, fĂŒr mich sind da einige Detail zu vermurkst, und man muss ich mit dem Schnitt arrangieren können. Traue ich der? Um ehrlich zu sein, nicht wirklich. Kein Polyamidgemisch erreicht die Festigkeit von Leder, und ich bin sehr skeptisch, was die Leistung der Matata II bei einer Rutschpartie ĂŒber den Asphalt angeht. Warum habe ich die dann gekauft? Weil ich ihr zumindest soviel zutraue wie der alten Mohawk, aber dabei ist die Held wesentlich leichter, hat bessere Protektoren, eine bessere LĂŒftung und bessere Taschen. FĂŒr spezifisch die Sachen, die ich in den nĂ€chsten Wochen vor habe, ist sie vermutlich die richtige Hose – eine wirklich gute Allrounderin sieht aber anders aus. Ist halt eine Reihe von Kompromissen, die ich nur eingehe, weil die Konkurrenz noch scheissiger ist.
Von daher wird sie mich jetzt erstmal auf die Sommertour begleiten, aber sobald was besseres meinen Weg kreuzt, ist die Matata II wieder weg. Bleibt die Erkenntnis: Hosen bauen muss verdammt schwer sein, oder in den Designabteilungen der groĂen Hersteller sitzen nur noch Kiffköppe, die sich an die Zielgruppe derjenigen ranwanzen wollen, die mit AdventureausrĂŒstung ins Eiscafe fahren.
9 Gedanken zu „Albtraumhosenkauf“
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Das mit den KlamottenwĂŒnschen, die der Markt nicht erfĂŒllt, kenn ich https://blablog.de/archives/255-Dann-eben-reparieren.html .
Ich steh auch auf den Materialmix Stoff-Leder, der tatsĂ€chlich immer schwerer zu bekommen ist. Wobei mir ein VerkĂ€ufer letztens sagte, mit Kevlar-Durex-wasweiĂich wĂŒrde man das gleiche erreichen.
Als Standardhose trage ich seit jeher schlichte Lederjeans. Die sind zwar schwer, aber universell nutzbar. Sie halten Regen, kalten Wind und die AbwĂ€rme vom Motor ab, was sie von -10° bis +30° nutzbar macht. Im Sommer so ab 25° trage ich im Nahbreich mittlerweile Moppedjeans, aber ĂŒber 25° bei langsamem Tempo wird das arg warm von unten.
Diese separaten Knieprotektorenhalter, wo gibts die unter welchem Namen? Die könnten mein was-soll-der-Knieprotektor-auf-der-Wade-Problem auch lösen.
Bla: Ja, Lederjeans sind prima, hatte ich frĂŒher auch. Nur. Und immer die Beine zu kurz abgeschnitten đ Dazu passen in der Tat gut die Protektoren mit dem Halter. Die werden fĂŒr rund 25 Euro bei Polo unter dem Namen “Safe Max Gelenkprotektoren mit Schlauch” angeboten.
Die Bilder sind irgendwie… Kaputt? Musst mal schauen was da schiefgegangen ist.
BezĂŒglich Hosen: Ich habe heute die von dir erwĂ€hnte Mohawk 2.0 im Laden angeschaut. Hing dort einsam und verlassen in der Ecke der reduzierten Sachen mit kleinen Fehlern. Okay, sie war nicht allein. Eine Tasche mit defektem ReiĂverschluss und eine XXXXL Hose lag auch noch herum. Was die fĂŒr ein Problem hatte weiĂ ich nicht, waren mir so viele X das ich sie nicht weiter angeschaut habe. đ
Nun denn: Mohawk 2.0 Hose mit Glattleder am Knie mit dem Makel “Kein Innenfutter”. Ich schaue mir die NĂ€hte an und lasse sie hĂ€ngen. Die GröĂe hĂ€tte u.U. sogar gepasst, aber irgendwie hat das auf mich alles recht filigran gewirkt. Also mehr abenteuerlich als fĂŒr Abenteuer geeignet. đ
Meine alte Polo Mohawk 1.0 Hose (ohne MVS-1) ist mir da am Knie deutlich sympathischer.
Wenn du mit den Hosen dann komplett fertig bist -> ich plage mich mit Handschuhen herum. Gesucht wird ein abstreifsicheres SommerhandschĂŒhchen (als Paar) mit guter BelĂŒftung. Eventuell hast du dann da ja auch einen Tipp fĂŒr mich? đ Held Sambia (kurz) war bisher der Favorit, da drĂŒckt es mich beim Zupacken am Griff dann blöderweise beidseitig am kleinen Finger… Hmpf…
X_Fish: Danke fĂŒr den Hinweis. Habe ich schon erwĂ€hnt, dass ich die WordPress-App hasse? Korrigierste einen Schreibfehler, dafĂŒr macht sie dir die HĂ€lfte der Bilder kaputt.
Die Mohawk MVS 2012, die ich habe, sieht nahtmĂ€Ăig super aus, wie ein Panzer. Das tat die 2008er aber wohl auch, deren zerlegte OberflĂ€che im Bild im V-Stromforum kursiert.
Handschuhe sind auch Pain in the Ass. Hast recht, die habe ich nun nicht durchgetauscht. DafĂŒr reichen auch die finanziellen MIttel gerade nicht mehr. Deshalb mĂŒssen meine schlichten Reusch Sommerhandschuhe noch eine Saison durchhalten, da habe ich leider aktuell keinen Tip. Doch, einen: Was immer Du tust, nimm nicht die Vanucci Summer Dry II. Schwitzte Dich tot drin, und die Membran ist schlecht laminiert.
Silencer: Danke, da fahr ich bei nÀchster Gelegenheit vorbei und probier die aus.
Habe mir die âGelenkprotektoren mit Schlauchâ geholt. Passen perfekt und ich habe sofort die ollen, schlecht platzierten Protektoren aus meinen Stoffhosen geholt. In meinem SchlĂ€uchen stecken leider die Level 1 Protektoren. Noch mal vielen Dank fĂŒr den Tipp!
Cool, das freut mich! Level 2 Kram kann man auch mal nachkaufen, wenn die Kasse das erlaubt. D3O-Zeug ist ziemlich geil.
Schwitzt man unter diesen »Gelenkprotektoren im Schlauch« nicht tierisch? Ging mir so bei meinen alten Knie- und Ellenbogenschonern vom Inlineskating.
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Handschuhfrage bei mir ĂŒbrigens geklĂ€rt: Als luftiger Sommerhandschuh ist es ein PĂ€rchen Held Sambia geworden. GröĂe 8 (damals nicht vorrĂ€tig) und GröĂe 9 verglichen. Siehe da in GröĂe 8 gibt es das Problem nicht. Zu viel Material scheint das Problem gewesen zu sein.