Beleidigt

Es begab sich einmal, vor vielen, VIELEN Jahren, dass ich in diesem Blog über eine Person A schrieb, die einer Person B sehr ähnlich sah.

Person A war in der Bezirkspolitik für die CSU tätig, Person B war eine Größe im Satiregeschäft. Im Wahlkampf 2008 fiel dann irgendjemandem auf, das Person A der B wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sah, und weil ich das lustig fand, machte ich einen Screenshot von der Wahlkampfwebsite von Person A und fragte in einem kurzen Blogeintrag „Unterwandert Komiker B die CSU?“.

Das war so mittellustig und würde ich heute auch so nicht mehr machen. Zum einen war damals das Blog Sammelstelle für alle möglichen Webfundstücke, und über die Jahre hat sich die Ausrichtung doch deutlich geändert. Bildchen mit Sprüchen oder so lustiger KLeinkram, das gibt es hier heute nicht mehr.

Zum anderen haben wir aktuell gerade ein Klima, in dem sich gewählte Volksvertreter oft übelsten Hasskampagnen ausgesetzt sehen. Solchen Entwicklungen will ich keinen Vorschub leisten, nicht mal mit lustig gemeinten und, wie im damaligen Fall passiert, als „Satire“ und „Fun“ gekennzeichneten Beiträgen.

Oktober 2008, das war eine andere Zeit. Das Internet war noch unbelastet von der Güllegrube des Hasses (aka Facebook), und nicht nur ich fand die Ähnlichkeit von A und B damals zum Schmunzeln: Noch heute gibt es rund 130 Beiträge im Netz, auf Seiten wie der Münchner Abendzeitung oder der Titanic, mit Titeln wie „schlecht geklont“ oder „die besten heimlichen Zwillinge“, auf denen Person A und B miteinander verglichen werden.

Um diese Beiträge heute noch zu finden muss man aber schon sehr gezielt nach Person A und B suchen, und anscheinend hat genau dieses die Person A nun gemacht. Owley hinterließ damals den letzten Kommentar, wo er sinngemäß schrieb „Sind die beiden schon mal in einem Raum gesehen worden? Müsste man mal fragen“.

Heute Nacht um 01:37 Uhr (SIC!) tauchte ein neuer Kommentar unter meinem 11 Jahre alten Artikel auf. Autor: Person A. Inhalt:

„Ich bin nicht Person B und ich beantworte keine Fragen. Ich habe diesen Schwachsinn satt!“

Echt jetzt? Elf Jahre später googelt jemand mitten in der Nacht seinen Namen und wird dann dünnhäutig? Zweifel an der Echtheit der Person habe ich übrigens nicht. Niemand außer konservativen Politikern, Rechtsanwälten und Handwerksbetrieben nutzt heute noch Mailadressen von AOL. (Ja, die gibt´s noch und ja, so habe ich auch geguckt).

Ich habe den Artikel offline genommen, weil: Siehe oben. Trotzdem bin ich einigermaßen überrascht, und zwar zuvorderst von der Instinktlosigkeit und der digitalen Inkompetenz, die es unter Politikern immer noch gibt. Jede Person, die irgendwie im öffentlichen Leben steht, sollte schon mal etwas vom Streisand-Effekt gehört haben. Der besagt, dass eine Sache nur noch größer wird, je mehr man versucht sie aus dem Netz zu bekommen.

Zum Zweiten: Die Faschisten von der AFD haben es allen Ernstes geschafft, in den letzten Wochen das Thema „Meinungsfreiheit“ auf sämtliche Agenden zu setzen. „Man darf in Deutschland ja nichts mehr sagen“, ist deren Behauptung. Das ist natürlich Quatsch, aber aus unerfindlichen Gründen haben alle großen Zeitungen diesen groben Unfug aufgegriffen. Und in diesem Klima nun geht ein Politiker rum und klopft beleidigt an Blogs an, weil ihm die, von der Meinungsfreiheit gedeckten, Beiträge über ihn nicht gefallen? Wirklich? Sollte die Person das eskalieren wollen, wäre das ein wahrhaft katastrophales Signal.

Ich will mal stark hoffen, dass der beleidigte Kommentar nicht die Vorstufe zu rechtlichen Schritten war. Ich habe keine Lust meine Zeit in eine Auseinandersetzung um einen 11 Jahre alten Satireartikel zu investieren. Was aber weitaus Schlimmer wäre: Ich müsste dann wirklich die Meinungsfreiheit gegen einen gewählten Politiker und eine Person des öffentlichen Lebens verteidigen. Das so eine Konstellation überhaupt möglich ist, noch dazu im aktuellen Klima, das hätte ich vor 11 Jahren nicht geglaubt und bis vergangene Nacht auch nicht.

Kategorien: Ganz Kurz, Meta | 5 Kommentare

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5 Gedanken zu „Beleidigt

  1. Ich sehe, Du lernst … 😉
    Ich kann mich noch gut erinnern, daß, als ich Deinen Blog entdeckte, Du von der Standfestigkeit der Demokratie überzeugt warst und es als eine Katastrophe ansahst, daß die Briten die EU verlassen wollten. Ich bin bei diesem Thema durchaus zwiespältiger Ansicht.
    Aber es fällt mir auf, leider negativ in der Bedeutung, daß ich nur mehr selten ausgelacht werde, wenn ich die Entwicklung skizziere, von der ich glaube, daß sie unabwendbar und unumkehrbar ist für Deine und natürlich meine Generation.

    Rechtliche Schritte ? Kann schon sein, wenn es jemandem in den politischen Kram paßt. Aber vllt kriegst Du Gutpunkte, weil Du sofort nach Deinen Möglichkeiten Schadensbegrenzung betriebst – so stark müßte die Demokratie schon noch sein, denke ich…

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  2. Ach ja, selbst ich bin lernfähig 🙂

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  3. … und nichtmal beleidigt … 😉

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  4. »Das Internet vergisst nichts« – stimmt. 😀

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  5. Jo

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