Corona-Tagebuch (22): Föderalismus, du dumme Nuss

Weltweit: 55.736.846 Infektionen, 1.390.900 Todesfälle
Deutschland: 843.757 Infektionen, 13.159 Todesfälle

Tag 251 seit Beginn der ersten Corona-Maßnahmen.

Ganz zu Beginn der Pandemie hörte ich im Radio die Ansage eines Epidemiologen, dass Schulen die Orte seien, die die Ausbreitung von Krankheiten massiv beschleunigen und vorantreiben. Das klingt logisch und kann jeder bestätigen, der selbst Kinder in Kitas oder Schule hat. Die Lütten sind immer alle kollektiv verrotzt, haben gemeinsam Läuse oder Magen-Darm. Deshalb war es auch Folgerichtig, dass im Frühjahr die Schulen geschlossen wurden, um the curve zu flatten.

Für diese effiziente Maßnahme haben einige Landespolitiker aber wohl so dermaßen Schelte bezogen, dass sie sich das nun nicht mehr trauen. Der „Lockdown Light“ heißt ja auch deshalb so, weil Schulen und Geschäfte weiterhin geöffnet sind.

Bringen tut er freilich wenig. Zwar sind die Rate der Neuansteckungen nicht mehr exponentiell, aber krass linear und die Intensivstationen fast voll. Der Bundeskanzler Frau Merkel drängt auf strengere Maßnahmen, aber die Landeschefs mauern, fühlen sich vom Kanzleramt überrumpelt und wollen lieber, äh, irgendwas anderes machen. Förderalismus is a bitch.

Das sind übrigens dieselben Bundesländer, die – so weiß ich aus dem eigenen Bekanntenkreis, in dem sich auch Schulleiter tummeln – alle Vorschläge für Hybridunterricht, Klassenteilungen und schichtweisen Unterricht, die die Schulen über den Sommer erarbeitet haben und im Herbst umsetzen wollten, schlicht abgelehnt haben. Weil: Lüften reicht ja. Arbeitsverweigerung bis zur Verantwortungslosigkeit.

Wie es weitergeht, sieht man schon in Österreich und der Schweiz. Horrende Todeszahlen, Triage, harter Lockdown. Also das, was uns in Deutschland in Kürze auch bevorsteht.

Good News, everyone!

Sieht aus, als wären nicht nur ein, sondern zwei wirksame Impfstoffe gefunden worden. Bis das bestätigt ist, ggf. der Kram ausreichend produziert und alle geimpft worden sind, wird es vermutlich Ende 2021. Aber immerhin.

Ausland

Alles erbärmlich: In den USA weigert sich der abgewählte Trump auch wirklich abzutreten und konzentriert alle Energie darauf, die Wahl juristisch zu kippen. Gegen die Pandemie macht seine Regierung genau nüscht und sagt das auch so. Der neu gewählte Präsident kann aber noch keine Planung für seine Anti-Corona-Maßnahmen aufstellen, weil Trump ihm Zugang zu Infos verweigert.

Derweil, in Europa, dachte die Leyen-Kommission allen Ernstes es sei voll clever, die Abstimmung über den Haushalt der kommenden sieben Jahre plus 1,8 Billionen Corona-Hilfen an die Einhaltung von rechtstaatlichen Grundregeln zu knüpfen. Ja, nee, sagen da Polen und Ungarn und nun sind alle fürchterlich überrascht und im Krisenmodus. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Diktator Orban und die traurige, alte Kartoffel Kacynski machen immer genau das, was sie vorher ansagen. Rechtsstaatlichkeit bedeutet freie Presse und unabhängige Justiz, und das können sie nicht brauchen. Das man ihnen dann nicht zutraut gegen Hilfen zu stimmen, von denen beide Länder massiv profitieren, ist naiv. Denn egal was die beiden tun: Sie profitieren immer davon, im Zweifel durch eine Opferhaltung und indem sie die EU als böse darstellen. Und während die Ost-Könige weiter ihre Demokratien zerstören, gehen die südeuropäischen Länder vor die Hunde, die die Hilfen dringend bräuchten.

Gelacht

Laut gelacht habe ich, als ich das hier im Edeka um die Ecke sah: Hamstern von Klopapier wird bestraft, die Einnahmen aus den Strafzahlungen an die Tafeln gespendet. Sehr gut!

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Kategorien: Corona-Tagebuch | 6 Kommentare

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6 Gedanken zu „Corona-Tagebuch (22): Föderalismus, du dumme Nuss

  1. Und schaust du heute nach Berlin: PACE-Flaggen neben Phantasieflagge in schwarz-weiß-rot mit Reichskriegsadler, dazwischen noch eine Türkeiflagge. Okay… Also sind wir für preussische Genauigkeit (mit kaiserlichem PflichtImpfgesetz) in einer friedlich-autokratischen Türkei? Ich komme nicht mehr mit. Vielleicht hat das Virus ja noch weitere Symptome die bislang nicht bekannt waren?

    Sich voneinander zu distanzieren hat auch wieder nicht geklappt. Vor allem der Abstand zwischen rechtsradikalen und den Bewahrern von demokratischen Grundrechten sehe ich nicht die notwendige Abgrenzung.

    Selbst wenn Opa dann wie in Italien* in der Klinik auf dem Klo stirbt wird da wohl keiner seine Haltung überdenken – befürchte ich jedenfalls.

    *Cardarelli-Spital in Neapel

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  2. Das ist nicht nur die Politik. Es ist schon der Hammer, wie sehr sich Schulen dem Fernunterricht und den Möglichkeiten der digitalen Medien verschliessen. Und die traditionelle Technikfeindlichkeit der Pädagogen wird nun auch zu einem gesundheitsgefährdenden Faktor. Wichtig wären konsequente Schulschliessungen und der Hinweis an die Lehrpersonen, dass sie nicht versuchen sollten einzig mit dem Hellraumprojektor Fernunterricht zu machen.

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  3. X-Fish: Was da an B1118 passiert ist, ist echt erschreckend. Zwar mit Ansage, aber Reichstag von Innen und außen belagert, das hat schon eine neue Qualität. Völlig irrsinnig sind solche Aktionen dann auch vor der Perspektive, das wir etliche Tatsächliche Freiheiten in den letzten Jahren verloren haben – und da hat niemand so laut protestiert. Oder hat irgendwer mitbekommen das die temporären Sonderbefugnisse, die Polizei und Geheimdienste nach 09/11 bekommen haben, erst X-Mal verlängert und vor zwei Wochen entfristet wurden?

    Thomas: Das ist zum Teil richtig. Die Technikaversion und -verweigerung mancher Lehrkräfte (geschätzt: 30-40 Prozent) war früher sogar der entscheidende Hemmschuh. Mittlerweile klemmt es aber woanders. Viele junge Lehrkräfte wollen und könnten digitale Mittel einsetzen, aber dann fehlt es am politischen Willen oder an der Ausstattung. In Niedersachsen kommt Fragmentierung hinzu: Für Digitales gibt es keine zentrale Stelle, es sind die Schulträger zuständig, und das sind nach Region mal eine Stadt, mal ein Landkreis. Denen kannste auch keine Vorgaben machen. Föderalismus im Föderalismus.

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  4. Nach meiner Info wurde das vorvergangene Woche in einer Spätabendsitzung durchgewunken.

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  5. Vor lauter total »wichtiger« Infos wie #jana22kassel geht sowas leider unter… 😦

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