New Ride: Toyota Aygo 1.0

„Ich habe einen großen Penis, ich brauche kein großes Auto“, habe ich immer gesagt. Bis ich mich dann tatsächlich dem Downsizing von einem Sportwagen auf einen Kleinstwagen gestellt habe – und es spontan hasste. Eine Zwischenbilanz nach sechs Monaten und 2.000 Kilometern.

Im Februar 2023 fiel ein Baum auf das Legendäre Gelbe AutoTM, und über Tage war nicht klar, ob es noch zu reparieren war. In der Zeit sah ich mich nach einem Gebrauchtwagen um. Genauer: Nach einem sehr kleinen und gebrauchten Auto, weil ich schlicht kein großes oder leistungsstarkes Fahrzeug benötige.
Sagt die Vernunft.

Ich bin halt meist allein und auf Kurzstrecke unterwegs. Da reicht was kleines, leistungsschwaches – auch, wenn das keinen Spaß macht. Aber Vernunft macht halt keinen Spaß, oder? Dazu kommt noch: Für einen Moppedfahrer im Herzen sind Autos generell irgendwie ungeil und kein Objekt der Begierde.

Schnell stellte ich drei Dinge fest:

  1. Es gibt praktisch keine Kleinstwagen mehr. Die ganze Fahrzeugkategorie der kleinen Flitzer für unter 10.000 Euro ist seit 2017 quasi ausgestorben. Elektrische Kleinstwagen gibt es schon gar nicht, und daher auch keine Gebrauchten (der e-Up oder der BMW i3 zählen nicht, die wurden nur in homöopathischen Auflagen gebaut und erzielen auf dem Gebrauchtmarkt Mondpreise).

  2. Der Gebrauchtwagenmarkt war im Jahr 2023 insgesamt völlig überhitzt, Mondpreise für Schrottkarren die Normalität.

  3. Wenn es schon ein Verbrenner sein musste, war mein Wunschauto seit Jahren der Fiat 500. Bei genauerer Beschäftigung stellte sich aber raus: Der hatte gravierende Probleme mit Qualität und Zuverlässigkeit. Als Mietwagen nett, besitzen möchte ich so ein Groschengrab dann aber doch nicht.

Nach einiger Recherche war klar: Wenn ich einen gebrauchten Kleinstwagen möchte, der einigermaßen zuverlässig und in Unterhalt sowie Anschaffung richtig günstig ist, scheiden alle elektrischen und meine erste und zweite Wahl bei Verbrennern, der Fiat 500 und der Twingo, aus.

Als „Klein und zuverlässig und günstig“ blieb eigentlich nur ein alter Toyota Aygo. Was eine Ironie ist, denn den Aygo hielt ich immer für eine ziemlich unsägliche und schlimm designte Schleuder. Aber: Aygos sind günstig, haben so gut wie keine technischen Probleme, rosten nicht und der Motor gilt als unkaputtbar.

Aber leider, leider auch hier: Völlig überzogene Preise. Vor zehn, zwölf Jahren kostete eine Aygo neu um die 9.000 Euro, heute wollen Verkäufer für Kisten, die jahrelang von Pizzalieferanten und Pflegediensten mißhandelt wurden und schon 150.000 km auf der Uhr haben, noch um die 5.000 bis 8.000. WTF?

Zum Glück kam das Legendäre Gelbe AutoTM nach dem Baumfall vor einem Jahr noch einmal auf die Räder. Aber der Zufall wollte es, das mir ein Arbeitskollege seinen 2012er Aygo anbot. Ein Aygo 1.0 mit Facelift, sehr gut gepflegt und mit einem spektakulär niedrigem Kilometerstand von 46.000. Mir war zu dem Zeitpunkt schon klar, dass das Gelbe Auto nicht mehr zeitgemäß war und einiges an Reparaturen anstehen würde, wollte ich es weiterfahren. So kaufte ich im Spätsommer 2023 den Aygo – und lagerte ihn erst einmal ein, denn fahren mochte ich den nicht. Zumindest nicht, so lange der gelbe Seat noch vor der Tür stand.

Erst im November wurde das Legendäre Gelbe Auto verkauft, der Aygo wieder zum Leben erweckt und ich versuchte, mich mit dem Winzauto anzufreunden.

Das war nicht einfach, denn die Unterschiede zwischen dem Toyota Aygo 1.0 von 2012 zum Seat Leon 1.8 20VT von 2001 waren schon superkrass:

  • Das Legendäre Gelbe Auto hatte 180PS aus einem Vierzylinder Turbomotor mit 20 Ventilen unter der Haube, der Aygo hat gerade mal drei Zylinder mit einem Liter Hubraum, aus dem er irgendwie 68 PS quetscht.
  • Der Seat beschleunigte wie eine Rakete bis auf 240, die sechs Gänge ließen sich präzise durchschalten und er bremste mit seinen riesigen Scheibenbremsen aggressiv bissig. Der Aygo reagiert auf Gas wie ein Gletscher, die Fünfgangschaltung ist im dritten Gang hakelig und die räudigen Bremsen müssen vor Benutzung aus dem Winterschlaf geweckt werden.
  • Das Gelbe Auto hatte ein Sportfahrwerk und eine entsprechende Lenkung, der Aygo wackelt beim Lenken auf der Landstraße wie ein Lämmerschwanz.
  • Das Gelbe Auto hatte eine Lederausstattung und Recarositze, der Aygo… naja, reden wir nicht drüber.
  • Das Gelbe Auto hatte genug Raum für 220 Zentimeter Ivar-Regale, der Aygo hat gar keinen Kofferraum; Das schmale Fach hinter der Sitzbank reicht nicht einmal für eine Kiste Wasser. Will man mehr transportieren als einen Brühwürfel, muss man die Sitzbank umklappen.

Ich habe die ersten Wochen gehasst.

Das ganze Autochen ist aus billigem Dosenblech gemacht, ab Tempo 130 (wenn man mal bis dahin kommt) versteht man sein eigenes Wort nicht mehr, der Kofferraum ist nicht vorhanden, die Bedienelemente für die Heizung sehen aus wie ein billiger Seifenspender.

Unverkleidetes Blech in Wagenfarbe im Innenraum, das habe ich zuletzt Anfang der Neunziger bei einem baligrünen VW Derby gesehen, und der war von 1978.

Es gibt serienmäßig nicht mal eine Klappe für das Handschuhfach! Am Allerschlimmsten aber: Dieses Cockpit! Beim Seat glühten rote Präzisionsinstrumente vor dem Fahrer, die einem wirklich alles Relevante verrieten. Der Aygo erzählt einem nichts – es gibt ein Rundinstrument für die Geschwindigkeit, einen Kilometerzähler und eine Tankanzeige – das war´s! Kein Drehzahlmesser, keine Kühlertemperatur, keine Außentemperatur – nicht mal die Uhrzeit zeigt die Kiste an!

Das alles machte den Abschied vom Legendären Gelben AutoTM natürlich nicht einfacher. Das Downsizing von einem 20V Turbo auf diesen Nähmaschinenmotor war echt ein harter Schnitt. Vernünftig sein macht halt keinen Spaß.

Grummelig fuhr ich mit dem kleinen Spielmobil durch die Gegend. Erst über die Zeit entdeckte ich nach und nach seine Qualitäten.

Was ich schon vermutet hatte: Ein Winz-Auto reicht mir völlig aus. Ich bin meist allein unterwegs. Das bei dem Zwerg quasi der ganze Kofferraum fehlt, merke ich im Alltag kaum. Einkäufe stelle ich halt einfach auf die Rücksitze, da brauchte ich mich nicht mal umgewöhnen – das habe ich beim Seat auch schon gemacht, weil häufig das Kofferraumschloss nicht mehr öffnen wollte. Im Notfall lässt sich halt die Rückbank mit einem Handgriff umlegen, dann geht selbst in den Aygo erstaunlich viel rein, der senkrechten Heckklappe sei Dank.

Wobei der Aygo ohnehin ein erstaunlich geräumiges Winz-Auto ist. Vorne hat er gigantisch viel Platz, gefühlt mehr als in so manchem SUV, und  im Fond sitzen selbst mittelgroße Menschen sehr bequem und kommen dank fünf Türen auch gut rein und raus. Die Übersichtlichkeit ist super, anders als neuere Wagen hat er eine schmale A-Säule, die insbesondere im Stadtverkehr praktisch ist, weil sich dahinter keine Radfahrer verstecken können. In die A-Säule sind auch zwei der sechs Airbags verbaut, denn der Zwerg ist für seine Größe ein recht sicheres Auto.

Durch die geringe Größe, die Übersichtlichkeit und einen engen Wendekreis kommt die Kiste gut durch den Stadtverkehr, und einparken ist fast ein Vergnügen.

Die Lenkung ist überdirekt und reagiert auf kleinste Bewegungen, weshalb sie sich auf der Landstraße oder bei höheren Geschwindigkeiten (haha) wacklig anfühlt, in der Stadt aber genau richtig und schön leichtgängig ist. Das Fahrwerk ist verhältnismäßig hart und nicht so wabblig wie bei anderen Kleinwagen , dadurch liegt der Aygo recht gut auf der Straße, die sich noch vernünftig spüren lässt.

Die Beschleunigung ist bestenfalls mäßig. Obwohl der Wagen recht leicht ist, schafft der 68PS-Motor es nicht, ihn spritzig zu bewegen. Beim festen Druck auf´s Gaspedal spürt man… nichts. Der Aygo bewegt sich mit der Beschleunigung einer Wanderdüne. Das reicht, um hier auf dem Land die ganzen 80jährigen in ihren Mercedes SUV zu überholen, allzu knapp sollte die Überholstrecke aber nicht ausfallen.

Was mir im Laufe der Zeit aufging: Der Aygo nicht billig, sondern preiswert konstruiert und produziert. Das ist ein wichtiger Unterschied. Klar, alles ist aus Dosenblech und Plaste und nicht wertig, aber alles ist belastbar, nicht labbrig oder unangenehm anzufassen. Da knarzt und knirscht nichts, im Gegenteil: Das ist schon gut gemacht und gut verarbeitet.

Viele Detaillösungen sind sogar wirklich clever. Um den Preis des Autos zu senken, sind Fahrer- und Beifahrersitz identisch. Komponenten sind so gebaut, dass sie schnell austauschbar sind – immerhin wurde dieser Aygo, mit leicht anderen Scheinwerfern, auch als Citroen C1 und als Peugeot 107 verkauft, hier ein Aygo mit Citroen-Skin:

Hinten gibt es keine Fenster zum Kurbeln, sondern Ausstellfenster. Eine Kofferraumklappe gibt es nicht, das Heck des Autos wird nur von einer Glasscheibe verschlossen. Solche Lösungen reduzieren die Herstellungskosten und das Gewicht, das bei nur 845 kg liegt.

Auch die Verschleiß- und Ersatzteile sind extrem günstig. Eine komplette Tür kostet neu nur 300 Euro, und selbst die besten Reifen liegen pro Stück gerade mal knapp 50 Euro. Da der Wagen von drei Herstellern millionenfach auf die Straße gebracht wurde, herrscht an gebrauchten Teilen kein Mangel.

Der Aygo ist nicht nur preiswert in der Herstellung, sondern auch im Unterhalt. Zwar ist der innerstädtische Winterverbrauch mit aktuell 5,5 Litern alles andere als gering, aber immer noch weit von den 9,5-10 Litern des Seat entfernt.

Die Steuern sind ein Witz – gerade mal 20 Euro pro Jahr will der Fiskus haben. Auch die Versicherung ist überraschend günstig – der Aygo kostet mich mit Teilkasko für das ganze Jahr genau so viel, wie sechs Monate Nur-Haftpflicht für den Seat gekostet haben.

Auch nett ist die Sonderausstattung meines speziellen Aygos. Eine Klimaanlage bräuchte ich jetzt nicht unbedingt, das Autochen hat aber eine – auch, wenn der Motor an der Ampel anfängt zu rumpeln, wenn man die anmacht. Und ein versenkbares Navi ist auch nett. Gut, den iPhone-Anschluss mit dem 32-Pin-Sock-Connector, der ist nicht mehr wirklich zu gebrauchen.

Einige Zusatzteile habe ich hinzugefügt: Die lange Antennenpeitsche wurde gegen eine Stummelantenne ausgetauscht, das Handschuhfach bekam einen Deckel und der Schaltknauf ist jetzt ein mit Leder überzogener – auf diesen kleinen, haptischen Luxus wollte ich nicht verzichten.

Mittlerweile habe ich den Wagen auch ein wenig eingefahren. Vermutlich hatte der vorher zu wenig Bewegung gehabt, und nach einigen Wochen bei meiner Fahrweise, einigen längeren Fahrten und ordentlichen Bremsungen ist der Motor drehfreudiger, die Beschleunigung besser und die Bremsen brauchen keine schriftliche Einladung mehr, um ihrer Arbeit nachzukommen – im Gegenteil bin ich überrascht, wie schnell das ABS immer wieder eingreift. Daran sind dann aber wohl eher die schmalen Kinderkarrenreifen schuld, die die Verzögerung nicht auf die Straße bringen können.

Nach jetzt fast sechs Monaten bleibt festzuhalten: Der Aygo ist ein rundum vernünftiges Auto. Er belohnt mit einem günstigen Unterhalt, und die Einsparungen kann ich in Dinge investieren, die mir wichtiger sind als ein Auto [HrmpfneuesMoppedhrmpf].

Letztlich muss man einfach ehrlich zu sich selbst sein. Ich bin ich im Jahr maximal 4.000 Kilometer mit dem Auto unterwegs, und das meist in einem Bereich von 20 Kilometer um meinen Wohnort – dafür ist der Aygo weit mehr als ausreichend. Hell, eigentlich bräuchte ich gar kein Auto. Wäre unbequem, ginge aber zur Not. Von daher ist selbst der Kleinstwagen ein Luxus.

Mittlerweile, nach jetzt 2.000 Kilometern, ertappe ich mich schon dabei, eine diebische Freude an dem kleinen Winzauto zu haben. Gerade wenn es wieder irgendwo durchwitscht, wo ein SUV warten muss, oder in einer Lücke parkt, bei der größere Fahrzeuge passen müssen…

Wer weiß, vielleicht schließen sich Spaß und Vernunft ja doch nicht gegenseitig aus?

Kategorien: kleines gelbes Auto | 10 Kommentare

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10 Gedanken zu „New Ride: Toyota Aygo 1.0

  1. Au weia, das wär kein Auto für mich, Ich vermute, dass Ich mit meinem Gewicht von mittlerweile jenseits der 170 kg auch Probleme hätte da überhaupt rein zu kommen (Ich sitze wegen meines Gewichts EXTREM breitbeinig auf dem Fahrersitz).

    Wenigstens hat er den Tacho hinter dem Lenkrad und nicht wie bei Mini in der Mittelkonsole (der Ingenieur der sich das ausgedacht hat gehört auch verflucht).

    Ansonsten hast du recht, wenn du sagst: Wie oft nutzt man denn die volle Größe seines Autos aus, gerade als Single. Das ist ja keine neue Erkenntnis, dass man oftmals Autos nicht danach kauft, was man braucht, sondern danach, was man damit vielleicht irgendwann einmal machen können wöllte (Den PAX von IKEA selber nach Hause fahren, Sonntagsausflug mit der Familie, alle Getränkekisten für die große Gebnurtstagsfeier auf einmal holen…)

    Nein, Ich denke, da hast du deinen Bedarf richtig erkannt und dich gut entschieden!

    Möge dir das Autochen lange treu ergeben sein!

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  2. Hehe, was Du beschreibst, habe ich bei meiner Nachbarin erlebt. „Ich glaube, ich kaufe nicht den gebrauchten Polo, sondern den Volvo-Kombi. Wie soll ich sonst einen Kühlschrank transportieren?“ „Jutta, Du bist fast 70, wieso willst Du Kühlschränke transportieren? Und wie häufig hast Du das in den vergangenen 20 Jahren gemacht?“

    Letztlich muss man halt ehrlich sein. Und wenn man doch mal einen Kühlschrank oder Pax oder einen Getränkemarkt transportieren will, holt man sich halt mal für einen Tag einen Mietwagen.

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  3. FrauZimt

    Hah, ich wusste ja, das du den Kyōdai Aygo noch liebgewinnen wirst!

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  4. Was ist Kyōdai?

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  5. FrauZimt

    Bruder. Weil er doch der japanische Bruder von Mon Petit ist. 🙂

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  6. 😁 Ah Okay. Kannte ich nicht, den Ausdruck – ich habe Ani für älterer und Otooto für jüngerer Bruder gelernt 🙂

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  7. Autos, die wirklich Spaß machen, sind sowieso unpraktisch, unbezahlbar und meistens beides. So what… ?!

    Dach drauf, vier Räder und die kleinen Freuden genießen. Bei meinem Ford Transit Connect Kastenwagen L2 mit 3-Zylinder Benziner ist es der Platz und die Zuverlässigkeit.

    Der Aygo würde mir auch gefallen, wenn ich nicht den Laderaum und die Zuladung bräuchte 🙂

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  8. Rrrright! Sehr pragmatische Denke 🙂 Der Transit ist auch nur ein Dreizylinder? Krass!

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  9. Bei meiner Körperfülle wäre das Auto auch nix für mich.

    Der Oppel Combo, eigentlich als Fahrradtransporter und Mini-Camper angeschafft aber nie genutzt, geht Ende September aus dem Leasing raus. Nachfolger wird ein…..uffgebasst: so viel verachtetes….. SUV-Coupe aus dem Hause Renault. Immerhin als Voll-Hybrid.

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  10. Schön geschrieben, mit Happy End, das ich gar nicht mehr erwartet hatte! Viel Spaß mit dem vernünftigen Auto!

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