Reisetagebuch (3): Keine Nachricht von Rosa

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Im November 2015 begeben sich Modnerd und Silencer auf Reisen. Das Besondere: Silencer hat die Reise geplant, Modnerd dagegen keinen blassen Schimmer wohin es geht oder was ihn als nächstes erwartet. Kontrollverlust und Überraschungen sind das Konzept dieser Reise. Dies sind die Tagebücher der beiden. Am dritten Tag wird die Krone Apuliens besucht, Modnerd schämt sich und ich hoffe auf keine Nachricht.

Montag, 2. November 2015, Matera, Basilicata, Italien

Keine Nachricht von Rosa. Das ist gut. Ich seufze erleichtert und packe das Telefon weg. Keine Nachricht von Rosa ist genau das, was ich heute möchte.

Die Morgensonne scheint über Matera, als wir über die Treppen der Altstadt von unserem Höhlenhotel zur Neustadt hinaufsteigen, wo der Mietwagen steht.

Sowohl Matera als auch die Geisterstadt Craco, die wir gestern besucht haben, sind übrigens beliebte Filmkulissen. Die engen und verwinkelten Gassen mit ihren Treppchen und Absätzen und den ineinander verschachtelten, weißen Häuschen müssen häufig als Orte im nahen Osten herhalten. Matera ist häufig in italienischen Filmproduktionen zu sehen, auch das 2016er Remake von ben Hur wird dort gedreht. Carco kam schon in mehr als 20 Produktionen vor. Es musste als Jerusalem in Mel Gibsons „Passion Christi“ herhalten, war im Bondfilm „Quantum of Solace“ zu sehen und der „Wonder Woman“-Film, der nächstes Jahr anläuft, wird ebenfalls dort gedreht.

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Mit dem Auto geht es nach Nordosten, durch die hügelige Kulturlandschaft der Basilicata, die mittlerweile von Windrädern gekrönt wird. Dazwischen verstreut liegen kleine Ortschaften. Alles sieht gepflegt aus, und damit anders, als ich es von dieser Ecke Süditaliens erwartet hätte.

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Modnerd steuert den Qubo über eine Bergkette aus Vulkangestein, das nur spärlich von Gras bewachsen wird, dann liegt vor uns ausgebreitet das platte Land der Region Apulien, so weit das Auge reicht. Übrigens: Modnerd fährt zwar, weiß aber nie wohin. Ich stelle vor der Abfahrt das Navi ein, und er folgt nur dessen Anweisungen.

In der Ebene geht es über kleine Straßen. Hier wechseln sich Felder und Parzellen mit Olivenhainen ab. Nach rund einer Stunde ist schon von Weitem eine einzelne Erhebung zu sehen, von der herab ein weißes Gebäude leuchtet.

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Das ist Monte Castello, die legendäre Krone Apuliens. Es handelt sich um eine Burg der Staufer, genauer: Friedrichs des Zweiten. Schon 2011 waren Modnerd und ich kurz hier, sind aber nur vorbeigefahren. Seitdem war das unfinished Business für mich, ich wollte immer hier her zurückkehren und das merkwürdige bauwerk genauer sehen. Heute soll dieser lose Faden vertüddelt werden. Ich checke mein Telefon. Keine Nachricht von Rosa. Gut.

Normalerweise muss man unten am Berg, in rund 2 Kilometern Entfernung, parken und sich zur Burg hochshuttlen lassen. „Normalerweise“ ist glücklicherweise nur bis zum 30. September, dann ist die Saison vorbei und die wenigen Besucher dürfen mit dem eigenen Fahrzeug den Berg hinauf fahren.

Oben angelangt werden die Autos von einem sonnengegerbten Opa in orangefarbener Warnweste auf einen Parkplatz gelotst und professionell in eine Lücke eingewiesen. Als Modnerd und ich aussteigen, fragt der alte Mann nach unserer Nationalität. Dann zieht er ein kleines und sehr altes Oktavheft aus der Tasche und blättert darin herum, schlägt sorgfältig eine bestimmte Seite auf und hält sie uns hin. In ordentlicher Handschrift ist dort notiert: „Dieser Parkplatz ist kostenfrei. Ein kleiner Betrag für meine Dienste ist aber willkommen.“ Ich muss lachen und drücke ihm zwei Euro für den Einparkservice in die Hand. Dann wandern wir hinauf zur Burg.

Der Anblick des Castel del Monte ist schwer zu beschreiben. Scheinbar fensterlos liegt die Burg da. Sie ist absolut symetrisch, acht achteckige Türme erheben sich um einen achteckigen Hof. Wenn man davor steht, wirkt die Burg breit und pompös und schlank und schlicht und wuchtig und filigran, und das alles gleichzeitig.

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Ein Wiesel ist auch gleichzeitig grazil und bombastisch.

Ein Wiesel ist auch gleichzeitig grazil und bombastisch.


Im Inneren sind auf zwei Ebenen 16 trapezförmige Hallen angelegt. Wofür sie dienten, lässt sich nicht mal mehr erahnen. Teilweise enthalten sie Säulen aus Marmor, manche Türdurchgänge sind aus roten Kieseln. Ein seltsames Gebäude.

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Nach einer Stunde kehren wir zum Auto zurück. Ich gucke auf mein Telefon. Keine Nachricht von Rosa. Gut.

Es geht im Mietwagen nach Süden, vorbei an der Hafenstadt Bari und über eine Autobahn. Eigentlich hätte es heute nach Taranto, an die ionische See, und dann nach Lecce, der schmucken Barockstadt ganz am Hacken des italienischen Stiefels, gehen sollen. Dort war eine Übernachtung geplant, um dann am nächsten Morgen durch das Otranto und an der Küste hoch in die Hafenstadt Brindisi zu fahren. In Brindisi, so der Plan, würden wir dann ein Schiff besteigen. So war der Plan. Doch dann… kam einen Tag vor der Abreise eine Nachricht von Rosa.

Rosa ist Mitarbeiterin bei Grimaldi, der Reederei, bei der ich die Passage für Morgen gebucht hatte. Rosa sorgte für das stärkste Herzklopfen meines Lebens, als sie mich kurz und knapp davon in Kenntnis setzte, dass die Seeleute streiken würden. Nur für einen Tag, aber eben ausgerechnet an dem, an dem ich ihre Dienste in Anspruch zu nehmen gedachte. Rosa buchte dann Passagen für Modnerd und mich für einen Tag früher, ich sagte das Appartment in Lecce ab und bucht ein neues Hotel, bemühte mich um andere Mietwagen und war dauernd am Fluchen.

Diese Schiffspassage ist der kritischste Teil der Reise, einfach weil es keine Alternative gibt. Einen Streik hatte ich mir als Horrorszenario ausgemalt, denn dagegen gab es keinen Plan B. Aber dank Rosa hatte ich des in den Griff bekommen – dachte ich zumindest. Denn wenige Stunden später meldete sich der Mietwagenbroker und verkündete, dass sich der Streik ausweitet habe, und auch meine Umbuchung betroffen sei. Kann die Mietwagenfirma mehr wissen als die Reederei?

Nervös versuchte ich deren Zentrale in Neapel zu erreichen, was aber in Warteschleifen versackte. Schließlich rief ich die Port Authority in Brindisi an, die bestätigten, dass mein neu gebuchtes Schiff fahren würden. Und eine zeitgleich abgeschickte Mail beantwortete Rosa mit den Worten „Nein, 02.11. ist OK. Mach Dir keine Sorgen. Wenn sich was ändert, melde ich mich. Wenn Du nichts von mir hörst, ist alles gut. Buon Viaggio!“

Rosas Wort in Gottes Ohr. Nichtsdestotrotz heisst es für heute: Adieu, Lecce und Otranto, hallo Autobahn nach Brindisi. Und: Immer wieder gucken, ob Rosa sich nicht doch noch mit Änderungen meldet. Wenn Sie sich meldet, ist das schlecht.

Tour des Tages: Von Matera über das Castel del Monte nach Brindisi, rund 250 km.

Tour des Tages: Von Matera über das Castel del Monte nach Brindisi, rund 250 km.

Die Abgabe des Mietwagens von Firefly gestaltet sich unerwartet schwierig, denn die Abgabeadresse ist ein Grundstück, dass direkt an der Autobahn liegt und von der eine Zufahrt im rechten Winkel hat. Es gibt keinen Wegweiser, kein Firmenschild, gar nichts. Hohe Mauern umschließen einen Parkplatz. Die Durchfahrt wird von einem, vielleicht zwölfjährigen, Jungen mit Zahnspange bewacht, der beim Stichwort „Firefly“ aufspringt und uns den Weg über einen Parkplatz, durch eine Tordurchfahrt zu einem Parkplatz HINTER einem anderen Parkplatz weist.

Im rechten Winkel von der Autobahn ab und dann im Hinterhof eines anderen Grundstücks liegt Firefly. Mittlerweile zumindest korrekt auf Google Maps verzeichnet. Das wart im November noch anders.

Im rechten Winkel von der Autobahn ab und dann im Hinterhof eines anderen Grundstücks liegt Firefly. Mittlerweile zumindest korrekt auf Google Maps verzeichnet. Das wart im November noch anders.

Dort steht ein Dutzend Autos und ein Container mit einem Firefly-Schild. Der Container ist verschlossen, niemand ist hier. An der Tür flattert ein Zettel mit einer Telefonnummer. Ist das ein dummer Scherz oder was? Diese „Flughafenmietwagenstation“ ist 8 Kilometer vom Flughafen enfernt, mitten im Nirgendwo, nicht ausgeschildert, am Rand einer Autobahn, im Hinterhof eines Hinterhofs, und ist nicht mal besetzt?! Eine freundliche Dame am Telefon erklärt, dass man das Depot nur nach Verabredung besetze, warum wir nicht den Wagen direkt zum Flughafen bringen würden? ARGH! GENAU DAS WAR EIGENTLICH GEWOLLT!

Ciao, Cubo.

Ciao, Cubo.

Am Flughafen zeichnet eine gelangweilte Hertz-Angestellte alle Zettel ab ohne hizugucken, dann steigen wir in einen Bus nach Brindisi. Modnerd hat bestimmt schon erraten, was wir hier wollen. Was anderes sollte man in einer Hafenstadt wollen als ein Schiff besteigen? Und Brindisi ist bekannt dafür, dass von hier Fähren nach Griechenland fahren. Zeit, Modnerd mal ein wenig die Hammelbeine lang zu ziehen.

Modnerd: Kurzer Rückblick: Im Sommer kam ich spontan auf die Idee, noch schnell ein paar ansonsten verfallende Urlaubstage zu nutzen. Warum nicht Griechenland erschließen? Die ganze Überraschungsreise war scheinbar so abstrakt für mich, dass ich die Gefahr nicht erkannte.

Grundsätzlich war mir war schon klar, dass ich zunächst bei Herrn S. nachfragen musste, ob nicht dieses Ziel mit seinen Plänen kollidieren würde. Mir war auch klar, dass er keine konkreten Hinweise geben würde, aber ich war irgendwie überzeugt davon, schon heraus zu hören, ob er mich davon abhalten würde, oder nicht. Vermutlich war mein Interesse an Griechenland aber so stark geweckt, dass ich eigentlich keine wirkliche Antwort hören wollte bzw. mich gar nicht davon abbringen lassen wollte, diese Reise zu machen. Die ganze Griechenlandkrise im Sommer 2015 hatte mein Interesse geweckt, hier stand ein Abenteuer bevor!

Ich frage Herrn S. also per Skype, und war nach einem kurzen Chat sicher, dass es keine Kollisionen geben würde. Nunja, ich fühlte irgendwie, dass ich dicht dran war, aber tippte weiterhin auf die Türkei und evtl. eine Erweiterung der Reise nach Rumänien, nicht jedoch darauf, dass Griechenland tatsächlich Teil dieser Reise sein würde.

Vier Monate vorher: Der Originalchat.

[18.07.15, 10:06:37] Modnerd: Noch was: Wenn ich spontan einen Urlaub plane, in ein Land in dem ich nie zuvor war, sollte ich das wohl vorher noch mal besser mitteilen.
[18.07.15, 10:07:09] Modnerd: Oder?
[18.07.15, 10:07:11] Silencer: Hm? Was meinst Du?
[18.07.15, 10:07:30] Modnerd: Naja, es tauchte die Idee auf, im September nach Griechenlan dzu fliegen.
[18.07.15, 10:07:37] Modnerd: Nicht, dass sie da was überschneidet.
[18.07.15, 10:08:57] Silencer: Und wenn sich was überschneiden würde? Sollte ich das dann sagen? Das Konzept ist doch, dass Du vorher gar nichts weisst. Ist schwierig, oder? Lässt sich nur lösen, in dem Du auf wilde Experimente vor November verzichtest.
[18.07.15, 10:09:36] Modnerd: Ja, das Problem habe ich auch.
[18.07.15, 10:09:40] Modnerd: Also erkannt.
[18.07.15, 10:09:56] Modnerd: Ich will ja auch keine weiteren Infos. Eigentlich.
[18.07.15, 10:12:41] Silencer: Budapest soll um die Jahreszeit auch sehr schön sein
[18.07.15, 10:13:02] Modnerd: Das hatte ich jetzt schon ein paar Mal gehört 😉
[18.07.15, 10:13:53] Modnerd: Griechenland fand ich plötzlich wegen der Krise spannend. Und wichtig.
[18.07.15, 10:14:20] Silencer: Nein, im Ernst: Ich sage ja gar nicht, dass sich hier eine Länderüberschneidung ergibt. Ich sage auch nicht, dass sich keine ergibt. Ich sage gar nichts, mach was Du willst.
[18.07.15, 10:14:35] Silencer: Dein Risiko >:-/
[18.07.15, 10:15:48] Modnerd: Ich will ja, dass du genau das sagst!
[18.07.15, 10:15:48] Modnerd: Hah!
[18.07.15, 10:15:54] Modnerd: Das macht es nur spannender.
[18.07.15, 10:16:05] Modnerd: War quasi ein Test.
[18.07.15, 10:16:19] Silencer: Pffh

Silencer: Griechenland, das stand auf meinem Zettel bei der Reiseplanung als mögliches Ziel ganz oben. Es liegt im Süden und ist auch im November noch warm, und weder Modnerd noch ich sind da schon gewesen. Für eine Reise in unbekannte Gefilde Südeuropas ein fast schon zu offensichtliches Ziel. Sollte man meinen. Bis Modnerd vor einigen Wochen auf die Idee kam, mal dort hin zu reisen. Als er das kund tat, standen mir erstmal alle Haare zu Berge. Wie KANN ER NUR auf die Idee kommen, so kurz vor der Überraschungsreise noch selbst irgendwo hin zu reisen wo er noch nicht war, und sich damit möglicherweise selbst zu sabotieren? Abhalten konnte ich ihn aber nicht, denn Regel Nummer 1 war ja: Nicht im Vorfeld verraten wo es hingeht! Deshalb konnte ich nichts dazu sagen.

Ich war einigermaßen am Boden zerstört, als Modnerd dann tatsächlich in Gebiete fuhr, die ich schon für diese gemeinsame Reise ausgesucht hatte. Ich bezog meine Motivation für das Projekt „Überraschungsreise“ auch aus dem Geheimnis darum. Ich habe gerne Geheimnisse, das finde ich spannend. Und nun sägte Modnerd das Überraschungsmoment kaputt. Das war der Punkt, an dem ich so sauer war, dass ich fast alles abgesagt hätte. Wirklich, ich war dicht davor alles hin zu schmeißen und die Reise zu canceln. Das erzähle ich ihm jetzt.

Modnerd: Flash forward: Ich sitze mir Herrn S. im Bus und er berichtet von dem großen Fuckup. Jener, der mit unserem nächsten Reiseschritt zusammenhängt. Das könnte interessant sein, denke ich und lasse mir nichtsahnend davon berichten.

Um es kurz zu machen: Der Fuckup ist vor allem der geplante Streik griechischer Seeleute am heutigen und morgigen Tag. Achso, naja, was die Griechen da machen… denke ich und mir dämmert, das irgendwas mächtig doof gelaufen ist und das habe ich verbockt. Der griechische Streik ist natürlich ein doppeltes Problem, da die Fähre, die wir heute nehmen, nach Griechenland fährt. Natürlich ist der Streik ein reiselogistisches Problem, aber auch eins für mein emotionales Wohlbefinden: Mein Hirn hört erst nicht richtig hin, dann doch: Griechenland. Ich bin wieder hellwach, und in meinem Magen explodiert ein Klumpen Scham…

Danach erfahre ich, dass ich mit meinem Griechenland-Vorstoss fast die ganze Reise gekippt hätte und merke erst jetzt, dass ich meine eigene Idee der Überraschungsreise aufs Massivste sabotiert habe, in dem ich kurz vor der Reise in ein von uns beiden noch nicht besuchtes und sehr offensichtlich als Ziel in Frage kommendes Land geflogen bin.

Wie. Kann. Man. Nur. So. Dämlich. Sein.

Ein schwacher Erklärungsversuch wäre, dass ich sicher war, dass es dort nicht hingehen würde. Dabei ist es echt eine schöne Idee, eine gute, eine tolle. Die Herr S. seit über einem Jahr im Kopf und geplant hatte.

Die Busfahrt, die uns nach der Abgabe unseres Leihwagens am Flughagen in Brindisi in die Innenstadt transportieren wird, ist der perfekte Zeitpunkt, mich an den Punkt zu bringen, eine hübsche kleine Klappe im Bodenbereich des Busses zu suchen, sie zu öffnen und dann darin zu versinken. Leider gibt es da keine Klappe und ich muss aushalten, einfach komplett für den ganzen (emotionalen) Fuckup verantwortlich zu sein und nicht die griechischen Seeleute.

Silencer: Als ich ihm im Bus nach Brindisi erzähle, wie es mir mit seinem Spontanausflug nach Griechenland ging und wie wütend mich dieser Quatsch gemacht hat, wird Modnerd immer kleiner und kleiner und versinkt vor Scham fast im Boden. Ich hatte mich darauf gefreut, ihm die Leviten zu lesen, aber jetzt tut er mir Leid. Dabei bin ich schon lange nicht mehr wütend, das ist schon lange verflogen. Ich musste das nur mal loswerden. Und Modnerd wird damit leben müssen, dass er in den nächsten Tagen an Orte kommt, die ihn nicht mehr überraschen werden, weil er da vor sechs Wochen erst war. Aber das, habe ich beschlossen, ist SEIN Problem.

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Hier und jetzt sind wir aber in Brindisi. Die Hafenstadt präsentiert sich hübscher als erwartet.

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Die römische Säule von Brindisi. Eine zweite steht im 40 km entfernten Lecce.

Die römische Säule von Brindisi. Eine zweite steht im 40 km entfernten Lecce.

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Mit einem Stück Foccaccia auf der Hand schlendern Modnerd und ich am Wasser entlang, dann wandern wir Richtung Hafen. Einen richtigen Fußweg dahin gibt es nicht, und nach kurzer Zeit kommen wir aus den Mauern der historischen Innenstadt heraus und laufen an Zubringerstraßen entlang. Dicht an uns vorbei donnern LKW, die ebenfalls zum Hafen wollen. Etwas verloren kommen wir uns vor, wie wir so zwischen riesigen Industrieanlagen rumwandern, ich mit dem Rucksack auf dem Rücken und Modnerd, der sein Rollköfferchen hinter sich herzieht.

Weg durch Brindisi. Nicht immer schön.

Weg durch Brindisi. Nicht immer schön.

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Das Hafenterminal erweist sich ebenfalls als riesig, und alle Wege und Zugangsspuren scheinen nach Albanien zu führen. Für Fußgänger bzw. Touristen ist das hier jedenfalls definitiv nicht gedacht, nichts ist einladend gestaltet, als Fußgänger muss man sich auf einem winzigen Betonstreifen am Rande der LKW-Spur über unüberschaubare Parkplätze bis hin zu einem schlichten Gebäude vorarbeiten, in dem Plastikstühle rumstehen und dass das „Terminal Albanien“ sein soll.

Freudlos. Albanien-Terminal. Bild: Modnerd.

Freudlos. Albanien-Terminal. Bild: Modnerd.

Immerhin, wir haben unser Ziel gefunden! Leider kommen wir trotzdem nicht weiter. Das Internetticket, dass ich dabei habe, muss noch gegen Papiertickets umgetauscht werden, sagt ein Grenzschützer. Das stimmt zwar so nicht, werde ich später merken, aber Grundregel Nummer 1 lautet nun mal: Leg dich nicht mit Leuten mit Dienstwaffe an.

Also nochmal den ganzen Weg zurück in ein anderes Gebäude, dort Ticketcheck.

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Dann wieder zwischen den LKW durch und zurück zum Schiff.

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Hihi, Gebetsraum für katholische Kulte.

Hihi, Gebetsraum für katholische Kulte.

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Nach dem Zwangsumtausch des einen gegen ein anderes Ticket dürfen wir uns zwischen LKW hindurchschieben und an Bord begeben. Um uns herum sind überall albanische Großfamilien inklusive Kindern, Kindeskindern und den Großeltern. Die haben den Trip offensichtlich schon öfter gemacht als wir, denn sie sind professionell mit Flauschdecken ausgerüstet und hauen sich nach dem Boarding direkt auf die Sitzbänke des Schiffes, aber auch unter Treppenaufgänge, in Nischen oder einfach platt in einen Korridor. Das ist die einfache Deckspassage, die billigste Form des Reisens. Man bekommt nur die Überfahrt, muss aber sehen, wo man bleibt.

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Modnerd und ich haben zur Passage auch ein Bett gebucht. Zunächst müssen wir an die Rezeption, was für sich schon verwirrend genug ist – wir haben das die „Euroferry Olympia“ über eine Gangway betreten, die in einen Maschinenbereich führte. Dort stank es nach Öl, überall liefen Rohre entlang. Als wir aus dem Aufzug treten, stehen wir plötzlich in einer Hotellobby.

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Vor der Rezeption steht ein albanischer Trucker, der sich die blutende Lippe hält, während er andere Trucker (die vermutlich die Ursache der geplatzen Lippe sind) anbrüllt. Ich ignoriere den Brüllaffen und hoffe, dass der nicht unbedingt jetzt gerade eine erweiterte Schlägerei vom Zaun brechen will.

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Wir bekommen eine Kabine zugewiesen, die sich als erstaunlich geräumig erweist. Sie ist für vier Personen gedacht, aber zum Glück haben Modnerd und ich die für uns allein. Sie ist geräumiger als viele Hotelzimmer. Nur die verschraubten Möbel und der Geruch nach Diesel verrät, dass wir uns auf einem Schiff befinden. Wenn man aus dem Fenster schaut, blickt man auf eine Reihe LKW, die auf dem Vorderdeck stehen.

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Nebenan feiern Trucker eine lautstarke Diskussion ab, aber das bewegt sich im erträglichen Rahmen. Das Schiff ist 20 Jahre alt und verkehrte zuvor in der Ostsee – von seiner Herkunft zeugen noch die deutschen Beschriftungen auf Maschinen und Rohren.

Der alte Routenplan in der Ostsee hängt noch aus.

Der alte Routenplan in der Ostsee hängt noch aus.

Verklebt-: In bester MacGyver-Manier den Umstand behoben, dass aus dieser Deckenöffnung kalte Frischluft in einem starken Strom herausschwallte.

Verklebt-: In bester MacGyver-Manier den Umstand behoben, dass aus dieser Deckenöffnung kalte Frischluft in einem starken Strom herausschwallte.

Lediglich 140 Personen transportiert die Fähre, dafür aber viel Ladung und Lastwagen. Um 20 Uhr röhren die Motoren auf, und das Schiff sticht in See. Wir sind unterwegs nach Griechenland!

Kategorien: Reisen, Wiesel | 4 Kommentare

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4 Gedanken zu „Reisetagebuch (3): Keine Nachricht von Rosa

  1. Ich folge gespannt!
    Das Castel sieht aus als sollte es in Game of Thrones mitspielen 🙂
    Ähnliche Erfahrungen mit einer Fährüberfahrt nach Griechenland (von Triest) habe ich auch gemacht, mit Menschen auf dem Boden, überall.

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  2. Gaffatape auf die Urlaubsliste setzen *denk*

    Argh, Überraschungen verderben geht GAR NICHT! Ich liebe Überraschungen, deswegen sollen Leuten vor Geburtstagen bitte auch mindestens einen Monat auf Spontankäufe verzichten. Ich gucke in Deine Richtung, beste Schwester der Welt!!

    Ich schwöre, sollte jemand jemals so eine Reise für mich planen, ein halbes Jahr auf jegliche spontane Bewegung zu verzichten :-D!

    Daas Wiesel ist bombaszinös grazil ❤ !

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  3. zimtapfel

    Oh ja, Gaffatape, hervorragend! Wenn ich bedenke, das mich bei 50% aller bisherigen Schiffsreisen diese fiese Klimaanlage im Anschluss für mehrere Tage außer Gefecht gesetzt hat. Auf so MacGyver-Ideen muss man ja auch erstmal kommen.

    Gefällt 1 Person

  4. Das ist nicht mal richtiges Klebenband. Das ist ist Kinesio-Tape, sowas wie ein Klebeverband. Das habe ich in der Reiseapotheke, für den Fall, dass das Knie wieder kaputt geht.

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