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Kategorie: Reisen

Otoplastik Gehörschutz

Otoplastik Gehörschutz

“Und dann brauche ich noch die Datenschutzeinverständniserklärung unterschrieben. Weil, das hier sind ja personenbezogene Daten”, sagt der Hörakustiker und zeigt auf die beiden seltsamen Teile in der Mitte des Tisches zwischen uns. Die sehen aus wie sehr kleine, sehr pinke Hundehaufen. Mit Toupet.

Tatsächlich sind es aber Abformungen meiner Innenohren und damit, klar, biometrische Informationen. Dreidimensional und verdächtig nach Barbiekacke aussehend, aber halt Daten von mir.

Die Abdrücke zu erstellen ging erstaunlich schnell. Der Hörakustiker hat zunächst Wattestückchen zusammengenuddelt und mit einer Nylonschnur umwickelt und mir einer Pinzette bis direkt vor das Trommelfell geschoben, dann hat er meine Ohren mit rosa Zweikomponentenpaste aus einer dicken Spritze vollgepumpt. Wie Zweikomponentenkleber sah das aus, war aber zum Glück keiner.

Als das Zeug nach wenigen Minuten fest war, hat es es vorsichtig mit dem Nylonfaden aus meinen Ohren gelöst.

Aber warum der ganze Aufwand überhaupt? Nun, ich fahre seit Jahren mit Gehörschutz Motorrad, zumindest wenn ich längere Zeit schneller als mit Tempo 80 unterwegs bin. Dafür habe ich zig Generationen von Alpine-MotoSafe Pro-Stöpsel verschlissen. Das ist die Sorte von Silikonpilzen mit einem Filter in der Mitte, der das Ohr atmen lässt und nur die Frequenzen der Windgeräusche dämpft. Kosten 30 Euro pro Paar, lohnen sich aber: Man hört den Verkehr, den eigenen Motor und auch Naviansagen ohne Probleme, aber die lauten und Gehörschädigenden Geräusche vom Fahrtwind am Helm werden weggefiltert.

Leider werden Ohren im Lauf der Jahre größer. Ich hatte schon immer weite Gehörgänge und in letzter Zeit passierte es immer häufiger, dass die Standard-Stöpsel von der Stange entweder aus meinen Ohren rausfielen oder so tief darin verschwanden, dass sie kaum noch rauszubekommen waren. Deshalb die Barbiekacke, den ich wollte mir einen Gehörschutz gönnen, der hundertprozentig sitzt.

Nach einigem Rumfragen und dem Angucken von Internetseiten bin ich bei der Akustikerkette Geers gelandet, die aktuell die ganzen kleinen, Inhabergeführten Hörakustikergeschäfte aufkauft. Die Ohrstöpsel von Geers kosten rund 160 Euro und sind damit die günstigsten Maßanfertigungen, die ich gefunden habe. Gleichzeitig bieten sie austauschbare Filter für rund 20 Euro, etwas, das die Konkurrenz entweder gar nicht kann, weil die Filter fest vergossen sind, oder Mondpreise von 70 Euro für ein Paar möchte. Das war letztlich ausschlaggebend, denn Filter verschleißen bei häufiger Benutzung nach 2 bis 3 Jahren und können sich auch komplett mit Cerumen (Ohrschmalz) zusetzen.

Die rosa Kackehäufchen wurden dann in ein Labor geschickt, und drei Wochen und 160 Euro später lagen zwei Silikonstöpsel in Form meiner Innenohren, Fachbegriff: Otoplastik, zu Abholung bereit.

Ein gelber und ein orangefarbener, beide verbunden durch eine Silikonschnur und überreicht in einem Kunstledertäschchen. Ich hatte mir zwei verschiedene Farben gewünscht, damit auf einen Blick klar ist, welcher der Stöpsel in welches Ohr gehört. Die Silikonschnur ist dafür gedacht damit man die Stöpsel nicht so schnell verliert. Leider ist sie unbenutzbar, denn durch deren Festigkeit hat man permanent einen Stethoskopeffekt, wenn die irgendwo an der Kleidung scheuert. Als Entnahmehilfe braucht man sie nicht, also ab damit.

In das Silikon der Stöpsel eingelassen sind Filtereinsätze, die nur bestimmte Frequenzen dämpfen.

Der Hörtest im Labor ergab eine Dämpfung um 21 Dezibel, was sehr ordentlich ist. In der Praxis funktioniert der Gehörschutz ebenfalls ganz wunderbar. Anfangs ist das einsetzen etwas fummelig. Man muss das sehr präzise machen, was ein wenig Übung erfordert, ansonsten hört man doch alles am Silikonpropf vorbei. Sitzt er richtig, dann sind lange Autobahnetappen problemlos machbar ohne taub zu werden.

Ich muss sagen: Die Dinger bereiten mir große Freude, die sind eine wirklich gute Investition in die eigene Gesundheit. Gehörschutz sollten ohnehin alle Motorradfahrer tragen, dieser hier ist sehr gut für alle mit etwas speziellen Ohren (sehr große oder besonders kleine Gehörgänge) oder für Leute, die schon alles haben und ihre Ausrüstung optimieren möchten.

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Nachtrag: Ja, ich achte sehr auf meine Ohren, schon immer. Umso schlimmer: Zwei Wochen nachdem ich den Gehörschutz abgeholt habe, wurde mein rechtes Ohr ruiniert. Aber nicht durchs Motorradfahren.

In der Göttinger Fußgängerzone kam mir eine Frau entgegen, die sich die Hände auf die Ohren presste. Ich dachte noch so “Was hat DIE denn für ein Problem” und lief weiter, direkt in eine Gasse, in der die Fassade eines Hauses mit Hochdruck gereinigt wurde. Durch die dicht zusammenstehenden Häuser wurde der Schall davon so laut reflektiert, dass ich plötzlich stechende Ohrensschmerzen bekam und auch die Hände auf die Ohren presste und schnell vorbeilief, nur um das zu ertragen. Aber da war es schon zu spät – auch heute, noch Wochen später, höre ich auf dem rechten Ohr schlecht.

Oh, diese Ironie.

7.851

7.851

So, ich bin auch wieder im Lande. Den Juni habe ich bis heute genutzt um eine kleine Runde mit dem Motorrad zu drehen. Wobei… so klein war sie am Ende gar nicht, diese Runde.

7.851 Kilometer sind zusammengekommen. Damit ist das knapp die zweitlängste Tour, die ich bislang gefahren bin. Die längste war 2019 nach Süditalien, und im Kern war das hier eine Neuauflage. Ich habe dieses Mal Orte etwas länger besucht, die ich damals nur im Durchflug erlebt habe. Das war schön, zumindest im Rahmen der Möglichkeiten. Die wurden durch die teils extremen Temperaturen begrenzt.

Ich halte trockene Hitze gut aus, aber bei 38 Grad ist es dann irgendwann auch bei mir vorbei mit der Lust auf Berge zu klettern oder Städte zu erkunden.

Viele Städte lagen allerdings eh nicht auf der Strecke. Ich hatte mir absichtlich die menschenleersten Regionen Italiens ausgesucht. Zum Beispiel die Berge der Abruzzen, wo sich Bären und Wölfe tummeln…

… oder die abgelegenen Orte Kalabriens, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint…

…die Wüstenlandschaft der Basilikata, wo man manchmal eine Stunde fahren kann, ohne einen Menschen zu sehen…

…oder das Molise, was in Italien so eine Art Bielefeld ist. “Das Molise existiert nicht. Ich kenne niemanden, der schon mal dort war”, heißt es an den abendlichen Stammtischen. Nun, ICH war dort, und es existiert nicht nur, es ist auch hybsch.

Drei Wochen abgelegene Orte und jeden Tage hunderte Kilometer mit sich allein im Motorradhelm, das ist eine gute Gelegenheit den Kopf frei zu bekommen.

Das war auch bitter nötig, denn wenn die Gedanken zersplittert und im ganzen Kopf verstreut sind, dann passieren dumme Dinge. So habe ich es zum Beispiel geschafft, das Motorrad mit Diesel zu betanken und bin mit einem Bremsscheibenschloß im Vorderrad losgefahren. Das Dieselabenteuer hat die Morrigan ohne Probleme überstanden, war zum Glück nur ganz wenig. Durch die Scheibenschloßnummer hat sie nun auch ihren ersten Umfaller hinter sich und die ersten Kampfspuren davongetragen.

Seltendämlich, sowas. Zumal die Suzuki und ich vorher Ausflüge in einen Olivenhain, eine Sanddüne und über ein Geröllfeld überstanden hatten OHNE uns langzulegen. Aber nun.

Der entspannte Teil fand dann auf einer gewissen Fischfarm statt. Der so ziemlich beste Ort der Welt, in der Region die nun wirklich niemand kennt.

Wobei auch hier mittlerweile Fotografen an den Pässen hocken und Bilder von einem machen.

So lange es nur Fotografen sind, die einen blitzen… Könnte übrigens auch sein, dass diese Tour im Nachgang noch sehr teuer wird. Italien hatte anscheinend Verkehrswochen, und ich wurde das ein oder andere Mal wohl gefilmt und gelasert… mal gucken, ob da noch was kommt.

Neue Freunde habe ich auch gefunden:

Ich war übrigens nicht NUR an menschenleeren Orten. Nach den ganzen Videos von umfallenden Motorradfahrern am Stelvio musste ich mich mal selbst davon überzeugen, wie schwierig dieser Pass eigentlich zu fahren ist.

Ich sag mal so. Schwierig sind nicht die Kurven. Schwierig ist der verdammte Zirkusrummel, den die Leute da veranstalten. Boomer in Supersportwagen, alte Männer auf dicken Moppeds, junge Männer auf Traktoren, dazwischen Hunderte von Radfahreren die sich immer irgendwie noch durchwurschteln müssen, obwohl man sich DENKEN könnte, dass in einer Steilkurve zwischen einem Bus, einem aufsetzenden Sportwagen und einem rudernden Motorradfahrer kein Platz mehr ist… DAS sind die Situationen, die die Stürze verursachen. Die Disneyieserung der Welt, die Alpen als Abenteuerspielplatz für Männer mit zu viel Geld, das ist das Problem.

Das Schöne: Um sechs Uhr Morgens pennen die Clowns noch, und der Stelvio ist magisch. Und zwar nicht ganz easy, aber gut zu fahren.

Ich hatte natürlich völlig nicht auf dem Schirm, dass ein katholischer Feiertag war. Solchen Kram kenne ich als Südniedersachse ja gar nicht. Wir haben hier nur zwei Feiertage pro Jahr, nämlich Weihnachten und Ostern, und die Landesregierung legt die aus purer Boshaftigkeit meist auf ein Wochenende.

Trotz Feier- und Brückentag fand die Tour dank Susemoto dennoch einen grandiosen Abschluss im Schwarzwald.

Die V-Strom 800 hat alles klaglos mitgemacht. Tolles Motorrad, zuverlässig und belastbar.

Dafür hat sie sich nun ein wenig Liebe verdient, es gibt ein neues Kettenkit und neue Reifen. Wobei die Touring Next II nach 13.500 Kilometer, davon sicherlich zwei Drittel auf Schnellstraßen und IMMER mit Gepäck, noch bemerkenswert gut in Schuß sind. Hinten sind noch 5 mm drauf, vorne 3mm und die Autobahnkanten sind kaum zu merken.

Ich habe übrigens deswegen so große Koffer, um viel Zeugs mitbringen zu können. Das habe ich dieses Mal auch reichlich getan.

Ob natürlich die Zwiebeln so gut werden wie in Tropea, werden wir sehen.

So. Jetzt erstmal wieder ankommen. Wäsche waschen. Motorrad putzen. Und versuchen, den klaren Kopf und das Urlaubsgefühl noch etwas in den Alltag hinüberzuretten.

2023: 6.142
2023: 5.853
2022: 5.679
2022: 6.338
2021: 7.306
2020: 5.575
2019: 8.124
2018: 6.737
2017: 5.908
2016: 6.605
2015: 5.479
2014: 7.187
2013: 6.853
2012: 4.557

Reisetagebuch London (4): Southwark

Reisetagebuch London (4): Southwark

Dienstag, 11. Februar 2025
Ein kleines Frühstück aus dem Tescos im Bahnhof wäre doch nett. Dort gibt es jetzt auch einen Backshop, der unter anderem Rosinenschnecken hat. Und eigentlich könnte ich auch einen kleinen Wrap mitnehmen – denke ich noch so bei mir, und falle im nächsten Moment vom Glauben ab.

Ich habe einen Burrito-Wrap aus der Kühltheke in der Hand, ca. 15 Zentimeter lang, Durchmesser vielleicht fünf Zentimeter. Kein Monsterviech also, sondern halt ein Fertigsnack, den man mal so als Zwischenmahlzeit isst oder wenn es schnell gehen muss. Der Grund für mein Entsetzen: Diese kleine Ding enthält 1.900 Kilokalorien! Ich gucke nochmal drauf. Nein, ich habe mich nicht verguckt, das sind keine Kilojoule, das sind KCAL. Und auch nicht pro Kilogramm, sondern in diesem Stück. EINTAUSENDNEUNHUNDERT KALORIEN? Das ist mehr Energie, als mein ganzer Körper am Tag braucht. Wurde dieses Ding als Notration konzipiert? WIE GEHT DAS? So viel Fett und Zucker bekommt man doch gar nicht in so eine kleine Form!

Angewidert lege ich das Ding zurück. Meine Fresse, wenn DAS die Auswirkungen der Deregulierung der Gesundheitsgesetze nach dem Brexit sind und das Schule macht, dann sehen die Briten in 10 Jahren aus wie die Amerikaner.

Ich bewege mich ein Bißchen und stromere wieder durch London. Vom Picadilly Circus nach Osten liegt der Leicester Square. Mittlerweile für Autos gesperrt und neu begrünt – ein Wunder, wie es nur Mary Poppins vollbringen kann!

Das “Prince Charles Cinema” konnte sich wohl immer noch nicht überwinden, sich in “King Charles Cinema” umzubenennen.

Nördlich des Leicester Squares liegt ein ganzes Viertel, über dessen Straßen Ketten roter Lampions gespannt sind. Chinatown.


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Reisetagebuch London (3): Camden

Reisetagebuch London (3): Camden

Montag, 10. Februar 2025
Es ist kalt.
Und nass.

Draußen regnet es, und im alten und ziemlich gammeligen Schiebefenster meines Zimmer steht das Kondenswasser. Ich schiebe es hoch und gucke auf das Edna House, ein ziemlich hässliches Gebäude im Norfolk Square.

Am Schreibtisch sitzend schreibe ich eine kleine Notiz.

“Lieber Zimmerservice, gestern habt ihr einen Duschkopf aus dem Bad entfernt. Das war der, der zu diesem Zimmer gehört, weil ich meinen eigenen mitgebracht habe. Bitte legt den wieder zurück, der nächste Gast wird ihn brauchen. Danke!”

So. Gucken wir mal, was passiert – ich möchte unter allen Umständen vermeiden, dass nach meiner Abreise, wenn ich MEINEN Duschkopf wieder mitnehme, der Eindruck entsteht, ich hätte den vom Zimmer mitgehen lassen.

Ich mache mich fertig und hoppele die 112 Stufen der Teppichversumpften Stiege hinab auf die Straße.

In der Straße war früher alles gesäumt von kleinen und billigen Hotels wie dem Belvedere. Das Belvedere ist immer noch klein, aber nicht mehr billig – die Preise haben sich in den letzten Jahren glatt verdoppelt. Aber immerhin gibt es das noch. Viel der anderen Hotels haben dicht machen müssen – vermutlich nicht zuletzt, weil die Arbeitskräfte, von den Hausmeistern über die Köchinnen bis zu den Zimmerdamen, früher aus Osteuropa kamen. Seit dem Brexit ist das vorbei, und ohne die Arbeitskräfte sterben die Häuser. Auch das “Cardiff”, ein großes und stolzes Haus, in dem ich bei meinem ersten Londonbesuch vor 10 Jahren übernachtete, gibt es nicht mehr. Das Gebäude ist verrammelt.

Einmal durch Paddington Station hindurch und dann an der Ostseite raus und vorbei am Paddington Hospital (KEINE Bärenklinik)…

…und man ist in Little Venice. Am Anfang sieht man zu Restaurants umgebaute Frachtschiffe wie die “Cheese Barge”…

…aber bald werden die Kanäle kleiner, und jetzt liegen hier schmale Kanalboote, auf denen Leute leben.

Auf einer Insel wachsen… Palmen?!


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Reisetagebuch London (2): Battersea

Reisetagebuch London (2): Battersea

Sonntag, 09. Februar 2025
Der Bewegungsdrang von gestern ist noch da, ein Ziel nicht, und so laufe ich schon früh am Morgen wieder kreuz und quer durch die Straßen Londons.

Ich mag es, mich wieder zu bewegen – jeden Tag 10, 15 Kilometer laufen, das hat mir im Herbst in Japan SO gut getan. Solche Strecken lassen sich aber nicht in den Alltag einbauen.

Der erste Versuch, mit der Kreditkarte im Tescos um die Ecke ein kleines Frühstück zu kaufen, scheitert – der Self-Checkout akzeptiert die Karte nicht. Zum Glück habe ich noch von den letzten Reisen einige Pfund Bargeld dabei und kann so die Rosinenschnecke bezahlen.

Aber warum hat die Kreditkarte nicht… Ach, ich Blödmann. Weil die bei meiner Bank für Auslandseinsätze gesperrt ist. Schnell öffne ich die App auf dem Mobiltelefon und aktivere “Vereinigtes Königreich” in der Liste der erlaubten Länder. Ab jetzt wird die Karte hier funktionieren.

Vom Bahnhof Paddington aus wandere ich gen Süden und durch den Hyde Park.

Es regnet, aber das ist mir egal – der kleine Taschenschirm, den ich aus Japan mitgebracht habe, hält mich trocken. Ich laufe etwas ziellos herum und sammele Eindrücke.


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Reisetagebuch London 2025 (1): Paddington

Reisetagebuch London 2025 (1): Paddington

Samstag, 08. Februar 2025, Mumpfelhausen
Ein eisiger Februarwind pfeift die Dorfstraße herunter und reißt an den Ästen der die winterkahlen Bäume. Es ist kurz vor sechs. Die Welt ist noch ganz still, alles schläft. Nur der kleine Bach, der in einem engen Kanal mitten durch Dorf fließt, gluckert im Dunkeln munter vor sich hin.

Der Bus hat wenige Minuten Verspätung. Ich bin der einzige Passagier. Klar, es ist Samstag und mitten in der Nacht, wer will jetzt schon irgendwohin, wenn er nicht arbeiten muss.

Auch die Stadt ist noch still. So still, dass man die Vögel singen hört. Das ist selten und hat ein wenig was von Frühling, aber die Kälte straft dieses Empfinden Lügen.

Selbst die mehrspurigen Hauptstraßen Göthams sind leer.

Auch der Bahnhof liegt noch leblos im Dunkeln.

Im Bahnhof hat noch nicht einmal das Café geöffnet. Das macht um 06:30 auf, und ich bin gleich der erste Gast. Denn: Jedes große Abenteuer sollte mit einem kleinen Kaffee beginnen.

Auch, wenn das heute gar kein großes Abenteuer wird. Es geht ja “nur” nach London, ein Trip den ich bis 2019 schon vier mal gemacht habe. Dementsprechend unspannend fühlt sich das an, auch wenn es nun die erste Fahrt nach dem Brexit und nach der Pandemie ist. Dennoch: Das abenteuerlichste wird die Fahrt mit der Bahn sein.

Einen Espresso später trabe ich zum Gleis. “CHRRRRGT…110 Minuten Verspätung. Grund dafür ist eine Störung an einer Weiche”, höre ich noch. Ist zum Glück nicht mein Zug.

Mein Zug fährt zwar pünktlich, wird aber im Laufe der Fahrt 45 Minuten Verspätung einsammeln. Grund dafür? “Störung an einer Weiche”. Umleitung über Aschaffenburg. Niemand wollte jemals nach Aschaffenburg, nicht freiwillig.

Ist schon interessant zu sehen, wie die Bahn verkackt. Also, nicht OB sie verkackt, sondern nur, was dieses Mal schief geht. Eine reibungslose Fahrt ist mit der Deutschen Bahn nicht zu erwarten. In den vergangenen drei Jahren ist bei denen einfach alles den Bach runtergegangen.

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Reisetagebuch Japan (23): Mucha in Fuchu

Reisetagebuch Japan (23): Mucha in Fuchu

Das Reisetagebuch. Heute neigt sich der Japan-Trip dem Ende zu, ich verfluche das Schnabeltier, bestaune die Katze und lobe den Pinguin, leide Schmerzen und stelle fest, dass man Jugendstil einfach überall mag. Am Ende steht die Frage: Was hat das eigentlich gekostet, und: War es das wert?

31. Oktober 2024, Tokyo
Nach einem kleinen Frühstück im “Sakura” checke ich aus und verlasse das Backpacker-Hotel. Durch die engen, aber irgendwie wohnlichen Gassen des Viertels laufe ich bis zur nächsten U-Bahn-Station und fahre nach Shinjuku. Dort schließe ich den Cabin Max ein.

Eigentlich würde ich jetzt gerne den Keio-Express nehmen, aber den finde ich nicht. Der Bahnhof in Shinjuku ist GIGANTISCH, außerdem hat er mehrere Außenstellen, die wegen Baustellen aber gerade nur oberirdisch zu erreichen sind. Mehrmals verlaufe ich mich in den Straßen des Geschäftsviertels, dann nehme ich einfach einen Zug der normalen Keio-Linie. Die hält ausnahmslos an jeder Milchkanne, dementsprechend dauert die Fahrt über eine Stunde.

Aber warum auch nicht, ich habe doch Zeit heute.

Fünfundzwanzig Kilometer rumpelt die Bahn von Shinjuku nach Westen, dann endet sie in Fuchu. Eigentlich ist Fuchu ein kleiner Ort am Fluß Tama, aber natürlich ist er schon lange von der wuchernden Metropole Tokyo einverleibt worden.

Ich muss mir immer wieder klar machen, dass sich Tokyo in manche Richtungen über 100 Kilometer hinzieht. EINHUNDERT Kilometer nur Stadt! Bis zum Horizont! Und dahinter: Noch mehr Stadt! Komme ich immer noch nicht drüber weg.

Fuchu wirkt noch wie eine Kleinstadt, auch mitten in der großen Metropole. Am winzigen Bahnhof steht Kunst, aber die Wohnhäuser und Straßen könnten auch auf einem Dorf sein.

Fuchu ist grün – in einem Park sitzen auf jedem Hügel Schulklassen und haben Unterricht im Freien.

Fuchu ist bekannt für sein Kunstmuseum, und dahin zieht es mich – ich habe ja gestern in der Bahn die Werbung für eine Ausstellung des Jugendstil-Künstlers Alfons Mucha gesehen, und da durch die Gestaltung der Jugendstil-Tagung im September mein persönliches durch ein professionelles Interesse ergänzt wurde, will ich mir die ansehen.

Das Museumsgebäude wirkt nicht ganz neu, aber die Architektur ist angenehm reduziert und edel.


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Reisetagebuch Japan (22): Zurück auf Anfang

Reisetagebuch Japan (22): Zurück auf Anfang

Das Reisetagebuch in Japan. Heute schließt sich ein Kreis, ich treffe einen alten Bekannten aus dem Nachbarort und in Kamurocho bereitet man sich auf Ausschreitungen zu Halloween vor. Ach ja, und: Eggslut!

Dienstag, 29. Oktober 2024, Yokohama
Ich schlafe relativ lange aus, bis kurz vor Acht, dann laufe ich zum lokalen Bahnhof am Baseball-Stadion von Yokohama.

Von dort nehme ich den Zug vom Stadion zum Fernbahnhof Shin-Yokohama und dann geht es in einem kurzen, nur 15 Minuten dauernden Schnellzug-Hüpfer weiter nach Tokyo. Ja, der Kreis schließt sich – als ich vor mitlerweile vier(!) Wochen in Japan ankam, habe ich in Tokyo die ersten vier Tage verbracht, und nun werde ich die Reise hier ausklingen lassen. Aber gaaaaaanz langsam, ein paar Tage habe ich noch.

In Shinjuku springe ich aus dem Zug und finde schnell einen Coinlocker für den Rucksack.

Der Bahnhof Shinjku ist GIGANTISCH, und ich versuche mir ganz genau einzuprägen, wo das Schließfach ist. Zur Sicherheit mache ich Fotos nach allen Seiten

Ich mache auch Bilder von dem, was man sieht, wenn man aus dem nächstgelegenen Ausgang tritt.


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Reisetagbuch Japan (21): Yokohamas Rotlichtviertel

Reisetagbuch Japan (21): Yokohamas Rotlichtviertel

Das Reisetagbuch. Heute ganz sportlich mit Baseball und Marathon sowie verschlemmert mit bunten Spießchen, Instant Nudeln und Apfelkuchen galore!

Sonntag, 27. Oktober 2024, Osaka
Die Nacht war unruhig, was auch daran lag, dass das chinesische Pärchen im Zimmer nebenan erst um 3:30 Uhr nach Hause gekommen ist und dann stundenlang Dinge ausdiskutieren musste. Durch die dünnen Wände und Ohrstöpsel hindurch durfte ich daran teilhaben. Ich verzichte darauf, als Gegenleistung lautstark zu packen und die an meiner Abreise teilhaben zu lassen. Ich will hier nur weg, das Hotel macht echt keinen Spaß. Frühstück gibt´s natürlich auch nicht, aber das finde ich nicht schlimm – komme ich hier halt schneller weg.

Noch leicht verpennt trete ich um kurz nach Sieben auf die Straße hinaus und laufe bis zur nächsten Metrostation. Die Luft ist frisch und sauber. Durch die Straßen rollen noch vereinzelte Taxis und laden Partyvolk vor Haustüren ab.

Die U-Bahn ist noch nicht so voll, und so komme ich gut mit meinem Gepäck bis zum Fernbahnhof Shin-Osaka.

Dort geht es in den mit dem Shinkansen nach Richtung Norden. Draußen rauscht die Landschaft unter einem blauen Himmel vorbei, und die Temperaturen klettern rasch auf über 20 Grad.

Der Zug ist noch fast leer, aber natürlich nehme ich meinen reservierten Platz ein. In einem Shinkansen ist meist nur ein Wagen für Leute ohne Reservierung. Wieder einmal frage ich mich, wie die das eigentlich kontrollieren wollen.

Das erlebe ich, als ich nach ungefähr einer Stunde von einem Kontrolleur erst gemustert und dann angesprochen werde. Er möchte mein Ticket sehen möchte. Ich zeige ihm den Japan Rail Pass, aber das reicht ihm nicht – er möchte auch die Reservierung sehen und beginnt nach einem Blick darauf zu gestikulieren. Tatsächlich – ich sitze auf dem verkehrten Platz, meiner ist zwei Reihen weiter vorn. Ach, peinlich – Reihe 27 Platz D ist die Reservierung von vorgestern gewesen! Der Kontrolleur bittet mich freundlich mich umzusetzen – das müsse aber nicht sofort sein, beim nächsten Halt des Zuges würde reichen.

Leicht beschämt ziehe ich sofort auf den richtigen Platz um.

Nach zweieinhalb Stunden hält der Shinkansen in Shin-Yokohama. Nach mehreren Umstiegen in eine Lokalbahn und eine Straßenbahn komme ich am Stadion von Yokohama an. Dort kann ich meinen Rucksack in einen Coinlocker einschließen.


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