Motorradreise 2016 (6): Von der Bildfläche verschwunden
Die Sommerreise mit der Renaissance.
Dienstag, 14. Juni 2016, San Vincenzo
Es stürmt, und zwar so richtig. Die Bäume im Vorgarten von “I Papaveri” biegen sich, und die Jasminhecke wird ordentlich durchgeschüttelt. Gelegentlich gibt es sogar Regenschauer, und das aus blauem Himmel, bei strahlendem Sonnenschein. Sehr seltsame Kombination. An Strand ist bei dem Sturm nicht zu denken, da wird man sandgestrahlt.
Ich schwinge mich auf das Motorrad und fahre von San Vincenzo aus nach Norden, am Küstenort Cecina vorbei und durch hügelige, sonnengelbe Felder. In der Ferne schimmern blaue Berge, und nach einer Stunde bin ich in Pisa. Im Vorort Pontedetra liegt das Werksmuseum von Piaggio. Es ist nicht groß, bietet aber einige Kuriositäten. Die sind nicht aufwendig erklärt, die stehen da einfach nur etwas lieblos rum. Dafür kostet das Museum keinen Eintritt.
Seit 1884 gibt es die Piaggio Werke. Die meisten Ausstellungsstücke sind aus den letzten 70 Jahren. Zu sehen sind merkwürdige Sondereditonen von Piaggos größtem Hit, der Vespa, aber auch Apes (gesprochen Ah-Pe, das heisst “Biene”) oder Porters, die besonders in Indien gerne als “Tuk-Tuks” eingesetzt werden. Daneben gibt es Schienenbusse, Flugzeuge und das Firmenarchiv mit tausenden von Akten zu sehen. Alles keine tagesfüllende Beschäftigung, aber für Vespa-Fans das Mekka.
In einem Nebenraum gibt es eine kleine Ausstellung einer lokalen Künstlerin. Hier werden Albträume war:
Meine Urlaube sind meist mit Action vollgepackt und nicht von der entspannenden Sorte. Wenn ich wegfahre, will ich Action und Anstrengung. Nicht bis Mittags im Bett liegen und danach nichts machen, sondern morgens früh los und die Welt sehen und auf Berge klettern und Dinge lernen und Leute treffen, das ist genau mein Ding.
Die Ausnahme ist diese eine Woche in San Vincenzo. Hier habe ich keine Tagesplanung, hier lebe ich einfach in den Tag hinein. Bis Mittags schlafen, dann vielleicht an den Strand, vielleicht aber auch einfach auf die Veranda setzen und lesen, abends nett was kochen oder am Hafen dem Sonnenuntergang zusehen. Ich mache nur, wonach mir gerade ist. Eine Woche lang echter Leerlauf. Eine Woche, in der, mit Ausnahme von Modnernd, noch nicht mal jemand weiß, wo ich genau bin. Eine Woche keine Kommunikation mit der Außenwelt, ich bin einfach von der Bildfläche verschwunden.
Ein wenig schade ist, dass in dieser Woche kaum die Möglichkeit zum Baden besteht. Der Wind nimmt auch in den folgenden Tagen nicht ab, die Wellen schlagen mit Wucht an den Strand und die Strömung ist selbst in Ufernähe so stark, dass ich selbst mit vollem Einsatz nicht dagegen ankomme. Schade ist das, aber ich lasse es mir nicht nehmen, unter dem schönen, grünen Schirm, den ich gekauft habe, am Strand zu liegen und zu lesen und zu schlafen.
Alleine und mit einem Motorrad zu reisen ist immer etwas schwieriger, was die Logistik angeht. Den Schirm muss ich beispielsweise auf den Rücken schnallen, um ihn zu transportieren. Baden gehen ist auch nur möglich, weil ich keine Wertsachen dabei habe und die wichtigen Dinge in einem der Seitenkoffer des Motorrads eingeschlossen sind. Aber an diesem Strand habe ich ohnehin keine Sorge, das etwas wegkommt. Hier sind viele Familien, vor allem Italiener und Schweizer, und die achten auf ihr Zeug und das der Nachbarn.
Wenn mir danach ist, schwinge ich mich auf die ZZR und folge einfach der Straße und gucke mal, wohin die mich führt. Bei diesen kurzen Ausflügen in die Umgebung entdecke ich interessante Dinge, wie das abgefahren geformte Weingut Petra, das wie eine Alien-Burg in den Weinhängen steht.
Oder den Golf von Baratti, mit dem Strand der Violinen. Der wird so genannt, weil der Sand angeblich wie Geigen quietscht, wenn man darüber geht. Als ich darüber laufe tut er das nicht, aber er glitzert auf ganz ungewöhnliche Weise.
In San Vincenzo gibt es überall so Betondinger, die als Bgrenzung überall in der Gegend rumstehen. Die Bewohner haben begonnen die in Street Art umzubauen. Bei Spaziergängen durch die Umgebung entdecke ich immer wieder neue.
Am Ende habe ich eine Woche in San Vincenzo verbracht. Ohne Programm, ohne Ziele und nahezu ohne Kommunikation mit anderen. Meine einzige Begleiterin ist das Motorrad, dass seit Fabios Reparatur läuft wie eine eins. Die Woche auf “I Papaveri” war entspannend und entschleunigend, aber nun sind meine Akkus wieder voll, und es treibt mich weiter. Es ist an der Zeit die Koffer zu packen und wieder auf Tour zu gehen!
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2 Gedanken zu „Motorradreise 2016 (6): Von der Bildfläche verschwunden“
Klingt nicht wie Geigen, aber quietschen tut er definitiv, der Sand -> https://youtu.be/i7RFXnky96w
Uh, ja, quietscht… aber nicht, wenn man Schuhe an hat.