Kein Matratzenkasper

Matratzen sind seltsame Dinger, das wusste schon Douglas Adams. Neben Globbern ist die bemerkenswerteste Eigenschaft von Matratzen ihre enorme Gewinnmarge. Die Dinger sind in der Herstellung meist supergünstig, im Geschäft aber sauteuer. Wer sich schon mal gefragt hat wie sich die verranzten „Concord“-Läden an jeder Ecke halten können: Das ist das Geheimnis.

Niedrige Herstellungskosten, hoher Verkaufspreis, damit ist das Matratzengeschäft wie gemacht für Start-Ups, die auf Disruption gebürstet sind. Eine amerikanische Firma geht dabei besonders aggressiv zu Werke. Der Name der Firma klingt für deutsche Ohren nach Puppentheater, dabei meinen die es bitter ernst. Anders ist es nicht zu erklären, das man der Werbung praktisch nicht entkommen kann. Jeder Influencer, von Podcastmachern bis zum Youtuber, durfte schon mal über die vermeintliche Revolution in der Matratzentechnologie berichten, und wenn das Review nicht so ausfiel wie gewünscht, gab es Gegenmaßnahmen – aber das ist eine andere Geschichte.

Beim Produkt des Start-Ups handelt es sich um eine Matratze aus unterschiedlichen Schaumlagen, der Werbung nach nicht zu kalt und nicht zu warm, nicht zu weich und nicht zu hart und dabei total günstig ist. Der disruptive Dienst: Man bestellt die Matratze per Internet, bekommt die sehr schnell per Paketbote, kann sie dann bis zu hundert Tagen ausprobieren und bei Nichtgefallen wird das Ding wieder abgeholt. Risikofreier, bequemer Kauf ohne einen verranzten Laden betreten zu müssen. Klar, dass das Erfolg hat.

Neu ist dabei allerdings wirklich nur die Bestellung übers Netz und der 100-Tage-Rückgabeservice. Ansonsten ist das Produkt der Amerikaner keineswegs revolutionär, denn Kaltschaummatratzen gibt es schon lange. Im Gegensatz zu den früher üblichen Federkernmatrazen sind sie leiser, haltbarer und stützen den Rücken besser. Auch meine letzte Matratze war eine Schaummatratze, für nen Hunni bei Aldi gekauft und gut drauf geschlafen. Jetzt, nach fast 10 Jahren, hat sie aber eine merkliche Kuhle und war deshalb reif für den Austausch.

Ich hatte auch schon mit der Internetmatratze geliebäugelt, denn um ehrlich zu sein: Ich finde das Konzept einer geringen Auswahl recht reizvoll. Eine Matratze fits all, keine Gedanken verschwenden ob man jetzt doch besser die Boxspring oder die 7-Zonen-Klima-Komfort-Latexkernversion nimmt. Allerdings war mir das Geschäftsgebahren der Amerikaner zuwider. Aber mittlerweile gibt es viele Nachahmer, die mit ähnlichem Service locken. Einer davon, stellte ich überrascht fest, sitzt hier bei mir um die Ecke. „Matrazzo“ ist in Duderstadt angesiedelt und unterhält dort ein Ladengeschäft, bietet aber ansonsten auch Bestellung übers Internet, 100 Tage Testen und kostenfreie Abholung bei Nichtgefallen.

Ein Besuch bei Matrazzo war der Hauptgrund, warum ich letzten Samstag in Dudeltown war.

Ladengeschäft in Duderstadt. Bild: Matrazzo.de

Der nett gemachte Laden bietet Testflächen, auf denen man die Matrazzo-Matratze probeliegen kann. Es gibt nämlich nur eine Bauform, die aber in hart, mittel und weich und jeweils in zwei Höhen, 18 und 22 cm. Die Matratze besteht aus zwei Schaumlagen, einem Stützschaum und einem Komfortschaum. In letzteren sinkt der Körper ein wenig ein, so werden Rücken und Hüften gestützt. Der Höhenunterschied in den Versionen 18 und 22 cm liegt in der Dicke der obersten Schaumschicht, in die hohe Variante sinkt man etwas tiefer. Die amerikanische Matratze wirbt mit vier Schaumschichten, aber das, so die Matrazzo-Leute, sei Schaumschlägerei. Je weniger Schichten, desto besser, denn dadurch wird weniger Kleber benötigt und die Matratze besser belüftet.

Bei Matrazzo muss man davon ausgehen dass sie wissen, wovon die sprechen, denn das Unternehmen ist eine hundertprozentige Tochterfirma der Otto-Bock-Kunststoff GmbH. Die machen seit über 60 Jahren erstklassige Matratzen aus Kaltschaum, haben die aber in der Vergangenheit nur als Zulieferer für Firmen wie Dunlopillo produziert. Halb Duderstadt schläft auf Otto-Bock-Matratzen, weil man bis vor Kurzem jemanden kennen musste der bei Otto Bock arbeitet, um eine kaufen zu können. Der Erfolg der Amerikaner hat den Konzern jetzt bewogen ebenfalls die Zwischenhändler auszuschalten und seine Matratzen direkt übers Netz zu verticken. Und guck an, auch ein Traditionskonzern kann eine ordentliche Website mit frischem Start-Up-Gefühl. Auf der Seite findet sich u.a. auch ein Härtegradrechner und launige Erklärvideos.

Aber welche Matratze ist nun die richtige für mich?

Generell, so erklärte mir das wirklich freundliche Fachpersonal, schlafen die Deutschen eigentlich auf zu harten Matratzen. Das ist mir in der Tat auch schon aufgefallen, und mit weicheren Matratzen im Ausland hatte ich auch schon gute Erfahrungen gemacht. Die benötigte Härte lässt sich zum Teil anhand des BMI berechnen, aber natürlich spielen auch Vorlieben und Alter eine Rolle. Ich lag in der Ausstellung intensiv Probe, und war beeindruckt: Bezugqualität, aber auch die Stützkraft der Matratze und der Liegekomfort sind in allen Varianten sehr gut. Am Ende wählte ich die die mittelharte Version, aber mit der hohen Komfortschaumvariante. In der normalen Höhe merkt man schneller die feste Stützschicht, und gerade wenn man Seitenschläfer ist kann es angenehmer sein, wenn Schulter und Becken etwas tiefer einsinken.

Mitnahme, genau wie Versand, ist denkbar einfach. Die Matratze kommt vakuumverpackt in einem handlichen Paket, das so hoch ist wie die Matratze breit. Passt selbst in der größten Variante, 140×200, bequem in den Kofferraum eines PKW. Schneidet man das vakuumierte Dings auf, saugt die Matratze schlagartig die Luft aus dem Schlafzimmer und rollt sich aus.

Kauft man im Ladengeschäft, zahlt man übrigens 10 Euro weniger und bekommt als frischgebackener Matrazzobesitzer wahlweise eine Flasche Sekt oder eine Tafel Schokolade dazu. An der Kasse stellt sich dann übrigens auch raus, dass die amerikanische Konkurrenz, anders als sie vehement behaupten, NICHT besonders günstig ist. Matrazzo unterbietet die Preise um rund ein Drittel.

Letztlich habe ich es mir jetzt also einfach gemacht und sehr schnell eine Matratze gekauft. Weil sich das Ding gut anfühlte, und weil ich die Kombination aus geringer Auswahl und einem vertrauenswürdigen Unternehmen, das sagt: „Wir haben 60 Jahre Erfahrung, dass ist unser bestes Produkt“ unwiderstehlich fand.

Auf der Matrazzo schlafe ich jetzt die fünfte Nacht, und es ist… seltsam. Zunächst: Sie ist saubequem. Der Komfortschaum umschmiegt die Körperkonturen, die Stützschicht gibt nur wenig nach. Egal in welcher Lage: Ich schlafe supergut ein. Doof nur: Beim Aufwachen habe ich diffuse Rückenschmerzen. Also, eigentlich nicht richtig Schmerzen, aber mein Rücken fühlt sich anders an.

Das ist mir noch nie passiert. Ich kann normalerweise auf jeder x-beliebigen Hotelmatratze gut und ohne Nebeneffekte schlafen. Nun heißt es in der Matratzenliteratur, man müsse sich vielleicht erst dran gewöhnen, so zwei Wochen könne das schon dauern. Ich bin nun ein wenig ratlos, denn meine Rückenschmerzen können zwei Ursachen haben: Entweder, die Matratze ist nicht die richtige für mich, ich sinke zu weit ein und habe im Schlaf ein Hohlkreuz. Oder: Mein Rücken (der ohnehin wegen meiner ungesunden Körperhaltung belastet ist) wird zum allerersten Mal ordentlich gestützt und muss sich erst dran gewöhnen, weil er sowas Gesundes gar nicht kennt. Das halte ich nicht für unwahrscheinlich, denn ich habe wirklich das Gefühl mich tagsüber gerader zu halten, und mein Rücken fühlt sich etwas kräftiger an.

Man merkt mir vielleicht meine momentane Irritation an. Einerseits ist die Matratze super, andererseits schlafe ich darauf anders, und ich kann noch nicht sagen ob das gut ist. Wie auch immer es weitergeht: Es ist beruhigend zu wissen, dass in den nächsten 95 Tagen eine Mail reicht, und schon wird die Matrazzo wieder abgeholt und ich bekomme mein Geld wieder. Was ich auf jeden Fall behalte ist das zugehörige Kissen, denn das ist wirklich uneingeschränkt und ohne Gewöhnung super.

Ich werde weiter berichten.

Kategorien: Ganz Kurz, Service | 2 Kommentare

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2 Gedanken zu „Kein Matratzenkasper

  1. Ich habe mir eine Matratze herausgesucht, welche gewichtsabgestimmt ist und zudem in der Variante hart. Auf der, von meinem Weibchen versinke ich zu sehr und ich spüre sofort unangenehm die Wirbelsäule. Bis jetzt sehr zufrieden mit. Kuhle: Kaum zu spüren, die Matratze wird ca. alle 8 Tage gedreht. Eine Rolle dürfte auch der Rost spielen, darüber dann einen Matratzenschoner. Auf Reisen treffe ich auch sehr weiche Matratzen an. Im ersten Moment sehr angenehm, da kuschelig weich. Auf Dauer wäre das, zumindest für meine geschädigte Bandscheibe, nichts.m

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  2. Dass die 100 Tage Probezeit geben ist schlau. Ich hab auch grad ein Matratzen“Problem“. Ich konnte sie mir nicht aussuchen, weil vorhanden und unbenutzt. Nun versuche ich seit dem 16.09. mich mit ihr anzufreunden. Sind „gute“ (sagt der Mann). Er hat sie mal gekauft nach viel Fachsimpelei und dann hat es nicht zum Bett gepasst (…) war in seinem vorigen Leben. Nun sind sie auferstanden und ich komme nur temporär zurecht. Und bin ratlos…
    Viele Grüße und gute Nächte!

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