Einen Monat ohne (1): Lappenlos

Das neue Jahr ist da, und ich mache jetzt mal ernst mit einem Monat Enthaltsamkeit. Ich werde einen Monat lang statt des Autos oder eines Motorrads nur Füße, Fahrrad, Busse und Bahn nutzen.

Kann man ja mal machen. Für den Klimaschutz?

Äh, ja…. ganz genau. Ich möchte mehr für den, äh, Klimaschutz machen. Sicher. Diese Erkenntnis kam quasi blitzartig über mich.
Blitzartig, kurz vor Halle in Westfalen.

Ich war auf der Landstraße unterwegs und gerade aus einem Ort rausgefahren. Etwas in Gedanken hatte ich nicht darauf geachtet, wie schnell man da eigentlich fahren durfte, und über einen längeren Abschnitt kam dann auch kein Geschwindigkeitsschild mehr. „100“, zeigte das Navi des Mietwagens an. Na dann.

Aber irgendwas fühlte sich komisch an, und deshalb fuhr ich langsamer. Deutlich langsamer zuerst. Ich hatte ja Zeit, Arbeitstag war vorbei. Im Laufe der Strecke – breit, gut ausgebaut, übersichtlich – ließ ich den Audi wieder schneller rollen.

BLITZ.

Ok, das war jetzt doof. Da war ein Blitzanhänger hinter einem Baum auf der linken Fahrbahnseite. Aber wie schnell durfte man denn jetzt hier eigentlich fahren?

Das erfuhr ich zwei Wochen später, als ich ein Schreiben vom Landkreis Gütersloh im Briefkasten hatte. Weil weiter vorne eine Baustelle war, hatte man offensichtlich auf der Strecke temporär ein Limit von 50 km/h eingerichtet. Ich lag exakt 41 km/h drüber. Das ist ziemlich unglücklich, denn bis 40 Stundenkilometern drüber gibt es nur eine Geldstrafe, ab dem 41. Kilometer ist aber der Lappen einen Monat weg.

Ob ich zum Sachverhalt eine Aussage machen wollte, fragte Frau Webermann vom Landkreis Gütersloh. Ich schrieb ihr einen netten Brief, in dem ich ihr darlegte, dass ich das wohl war, aber nur unglücklich vor mich hin geträumt hatte. Hätte ich rasen wollen, wäre ich schneller gewesen. Ob wohl dieser nicht vorhandene Vorsatz ein Grund wäre, vielleicht noch mal einen Stundenkilometer abzuziehen und auf 40 km/h drüber zu kommen?

Der Brief sorgte offensichtlich für Erheiterung bei Frau Webermann. Sie bedankte sich für die „längliche Darstellung des Sachverhalts“ und wies darauf hin, das, sollte ich ein Härtefall sein und den Führerschein un-un-unbedingt brauchen, das ja darlegen könne. Dann könnte sie vielleicht das Fahrverbot in eine höhere Geldstrafe umwandeln. Ich bräuchte dafür aber ein Schreiben meines Arbeitgebers, dass ich ohne Lappen quasi meinen Job los wäre.

Ansonsten könnte ich mir aber in einem Viermonatsfenster aussuchen, wann ich zu Fuß gehen wollte, und ich sollte ich doch zusehen, dass ich die führerscheinlose Zeit doch vielleicht in den Urlaub legen sollte. Haha. Ausgerechnet. Wo mein Urlaubskonzept doch gerade von Individualbmobilität geprägt ist. Klar, 3 Wochen Japan, das hätte schon gepasst. Leider wollte ich da auch gerne Auto fahren, wenn auch nur zwei, drei Mal, aber genau für den Zweck hatte ich schon eine Übersetzung meines Führerscheins ins Japanische anfertigen lassen, und war nicht bereit die einfach so abzuschreiben.

Bin ich ein Härtefall, der den Führerschein unbedingt braucht? Ich bin recht häufig auf Dienstreisen, aber meist mit der Bahn. Mietwagen sind da die Ausnahme. Also eher nicht.

Ich hätte natürlich so tun können und dann vor Frau Webermann rumflennen, dass ich armer Mensch ohne Führerschein praktisch nicht mehr lebensfähig bin, aber wer hier schon länger mitliest weiß, dass ich die Einstellung vertrete, dass man nicht lang jammern soll, wenn man Mist gebaut hat, sondern die Strafe gefälligst ertragen soll. Aus einem Vergehen rauswieseln, das ist nicht mein Ding.

So kommt es, dass ich jetzt zum ersten Mal seit meinem 16. Lebensjahr einen Monat ohne motorisiertes Fahrzeug unterwegs sein werde und hier begleitend aufschreibe, wie das so ist.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich schreibe das hier nicht um rumzujammern, sondern weil ich selbst gespannt bin, wie das wird. Vermutlich unspektakulär, aber man weiß ja nie – ich wohne auf dem Dorf. Nicht weit auf dem Land, aber immerhin. Mobilität war als Ressource für mich die letzten 28 Jahre, mit einer kurzen Ausnahme, praktisch rund um die Uhr verfügbar und selbstverständlich, da wird es vielleicht schon spannend mal zu gucken, wie das ist, wenn etwas selbstverständliches einfach weg ist.

Kategorien: Gnadenloses Leben, kleines gelbes Auto, Motorrad | 24 Kommentare

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24 Gedanken zu „Einen Monat ohne (1): Lappenlos

  1. „Blitzartig“ – das gefällt mir 😉
    Bin gespannt auf Deine Erfahrungen (sic!).

    Beste Grüsse,
    Jürgen

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  2. Lupo

    Mann, Alter, kann es sein, dass wir verwandt sind? Ich darf auch in Kürze vier Wochen zu Fuß gehen. An der roten Ampel stehend bin ich beim Grünwerden für die Linksabbieger in Gedanken mit losgefahren – c’est la vie oder einfach gepennt….

    In diesem Sinne: Frohes neues!

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  3. JvS: Ich teile gerne alles, was ich erahre 🙂

    Lupo: Bruder im Geiste 🙂 Mein Beileid – manchmal erwischt es einen eben, weil man träumt, während SUV-fahrende Drängler und Raser gefühlt nie erwischt werden. Die Welt ist ungerecht.

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  4. Kommt in jedem guten Haushalt einmal vor – bei mir vor 25 Jahren das Letzte mal…so lange es nur die eigene Dummheit bzw. Unaufmerksamkeit war ist ja niemand ernsthaft zu Schaden gekommen…manchmal passieren die Dinge im Leben halt – trotzdem noch ein gesundes Neues – auf´s Klima !

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  5. Meikel, so ist es! – Hauptsache niemand ist zu schaden gekommen! Alles andere ist egal.

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  6. Wie in meinem Beitrag zur Geschwindigkeitsregelung nach Ortschildern in Österreich: »Never trust your navigation system!«. 😦

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  7. Hast Du vollkommen recht. Ich will auch gar nicht die Schuld auf das dumme Gerät abwälzen – für die Sache bin ich ganz allein verantwortlich 😉

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  8. Mein aufrichtiges Beileid, weil wirklich saublöd gelaufen !! Herr Silencer: ich könnte Ihnen meinen Elektroroller (Moped, führerscheinfrei legal zu fahren über 16) leihen für die Zeit, die Ihr Führerschein in Lappland verbringt – sie müßten ihn nur selbst abholen bitte ! (und auch wiederbringen, wenn möglich)

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  9. Ali

    Freut mich sehr, daß du eine eigene Unangenehmheit veröffentlichst, welche Viele (aus Scham?) totschweigen.
    5x bin ich ’19 auf dem Möpp geblitzt worden ohne Konsequenz, dafür hatte ich in früheren Jahren mit dem Auto mehr Ärger verursacht und mußte 3x mehr als ein Jahr verzichten.

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  10. dermeikel

    @Olpo Ich denke DAFÜR hätte er den Führerschein „richtig“ abgeben müssen..er hätte ihm also entzogen sein müssen um mit einer Prüfbescheinigung unterwegs sein zu dürfen..ein Fahrverbot ist ein Verbot, welches sich auf das Führen von Kraftfahrzeugen bezieht…somit dürfte auch ein E-Roller nicht zu fahren sein – so versteh ich das hier:

    https://www.anwalt.de/rechtstipps/fahrverbot-oder-fuehrerschein-entzogen-darf-ich-mofa-fahren_141960.html

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  11. Olpo: Danke, aber wie meikel schon sagt:Würde so nicht funktionieren, selbst wenn ich wollte 🙂

    Ali: Jo, Du hältst damit auch wirklich alle Rekorde.

    Meikel: Stimmt. Und ich bin nicht vor 1965 geboren, schon deswegen fällt das aus.

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  12. @dermeikel: HAHAHA ! Das ist Deutschland, wie es leibt und regelt … doch sogar da gibt es Ausnahmen: Mofa-Prüfbescheinigung (was für ein großartiges Wort für ein Spielzeug ;)). Da sehe ich keine Schwierigkeiten für Herrn Silencer: 9 Stunden Theorieunterricht während der Arbeitszeit, Mopedfahren lernen und schon hat er nur mehr 381 Überstunden auf dem Konto – aber das hätte er sich natürlich früher überlegen müssen, um in den Genuß meines ERollers kommen zu können… nichtmal den Segway dürfte ich ihm leihen, das ist hart – denn dann darf er auch die ETritons nicht verwenden, die neuerdings überall zur freien Entnahme herumstehen.
    Ich weiß nicht, wie die Regelung in Ösiland aussieht, aber ich denk mal, nicht ganz so preußisch 😉 … danke jedenfalls für die Info, sie hat mich sehr erheitert.

    @Silencer: der Dorfpolizist weiß sicher nix von der Temporärregelung und bei ev. Kontrollen muß man ja keinen Lappen vorweisen, nur eine Zulassung … Aber gut: Du wirst es nicht machen, ich weiß … 😉

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  13. Olpo: Ich werde IMMER erwischt. Die letzten 10 Jahre bin ich nicht angehalten worden, aber wenn ich auch nur einen Meter ohne Lappen fahren würde, hätt eich eine rote Kelle vor der Nase, da bin ich ganz sicher.

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  14. Ja, eine bekannte Situaition. 😉 So ähnlich hier auch anno 2006. Hups, auch schon wieder 13 Jährchen her. Jedenfalls sah ich niemals wieder so oft wie in der lappenlosen Zeit, Streifenwagen durch unsere Anliegerstrasse fahren… 😉

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  15. @Silencer: Ich würde es vermutlich in letzter Konsequenz auch nicht machen, wegen der möglichen Konsequenzen. Aber man muß sich den Grund für eine Strafanzeige, Gerichtsverhandlung, Vorbestraftsein, hohe Geldstraße oder Gefängnis wegen eines ‚Vergehens‘ vor Augen halten, welches keines wäre, hätte man nie einen Führerschein erworben oder wäre dieser wegen Trunkenheit am Steuer entzogen worden… So verstehe ich den zitierten Gesetzestext; natürlich könnte es bezugnehmende Regelungen geben, die daraus nicht ableitbar sind.
    Falls dem nicht so ist, krankt dieses System. Pädagogische Maßnahmen wie im Kindergarten sind lächerlich. Wie eben im Anlaßfall darf vermutet werden, daß niemand aus Jux riskiert, im Winter bloß mit einem Fahrrad mobil sein zu dürfen… Poser, denen Sanktionen egal sind, fahren andere Kübel als uralte VW-Ableger… (auch wenn’s ein Leihwagen war, war es vermutlich kein Ferrari)

    Mir ist übrigens eine Idee für die Ausnahme gekommen. Ich weiß nicht, welche Regelung in D gilt – doch in Ösien fahren all jene, welchen der Lappen wegen Trunksucht zeitweilig oder für immer entzogen wurde, mit einem im Volksmund ‚Trankler-Manta‘ genannten „Mopedauto“ (führerscheinfrei) spazieren. Vermute, daß der Absatz dieser Verkehrsbremsen leiden würde (kosten bis 20.000 €), welche in A in der Dieselausführung schonmal 70 anstatt 45 erlaubten Kmh laufen, gäbe es den Umweg über diese ominöse „Mofa-Prüfbescheinigung“ nicht. Ein ‚Mopedführerschein‘ ist in A für Volljährige nicht vorgeschrieben, lediglich 15jährige benötigen ihn, wenn sie nicht ein Jahr zuwarten wollen, um ohne fahren zu dürfen; dann aber nur 50ccm, keine 125er mit Drosselung. Wobei der Begriff „Mofa-Prüfbescheinigung“ in D falsch gewählt ist, wenn mann ein Moped, also kein Motorfahrrad betreibt, das in D nur 25 Kmh schnell sein darf, soweit mir bekannt ist – möglicherweise ist er beim Betrieb eines Mopeds nicht anwendbar und das ist eine geheime Kommandosacheninfo, zu der nur ein penibel ausgewählter Personenkreis Zugang hat, falls man nicht selbst drauf kommt, weil man kein Preuße ist … 😉

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  16. Ali

    Trankler-Manta, da fehlt noch der obligatorische Fuchsschwanz.
    Bei uns heißt das Gefährt Säufer-Harley.
    Selbst im allerschlimmsten Fall würde ich mit dem Stigmading nicht herumfahren.
    Habe hier aber noch eine Saxonette, zur Abmilderung der Bevölkerungsansicht.

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  17. Jessas … ja, Fuchsschwanz ist auch hierzulande beinahe opportun bei Ersatzgebrauch, sogar bei Mopeds an der 2 Meter-Funkantenne *wackelwackel* 😉

    Aber die Saxonette dürftest Du ja nicht fahren bei Fahrverbot; ich will gar nicht wissen, ob Du Dich daran hieltest im Anlaßfall 😉 … außer eben bei Entzug des FS… verrückt.

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  18. Herrje! Ich hätte ja gnadenlos die Nummer mit dem „ich brauch das zum Geld-verdienen“ machen müssen. Und blitzartige Überraschungen gab es bei mir 2019 einige, besonders gern in Mecklenburg- Vorpommern, die Gemeinden brauchen halt das Geld… (grrrr). Und den 1km/h drüber bringe ich auch gern, so geschehen Anfang des Jahres, da gab es einen Punkt. Und das war richtig dämlich; Dauerbaustelle (A19/ Michendorf). Immer Stau. Immer. Nur 1x nicht und ich fahre eben….weil man ist ja froh, mal keine Stehparty mitmachen zu müssen. Pech nur: erlaubt 30. Also nicht mal gerast und trotzdem Punkt.(Zugegeben; Glück gehabt, dass ich nicht „richtig“ gefahren bin. Dann hätte ich dein Lied hier mitsingen können.
    Ich bin gespannt auf deine Immobil- Berichte und wünsche die trotzdem ein tolles Jahr 2020! Viele Grüße Miki (die gespannt ist, ob sie auch in diesem Jahr erst wieder in den Keller gesperrt wird, Kekse sind nicht nötig, es sind grad genug Reserven dran 😉 )

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  19. …Michendorf ist natürlich A10… und noch was gutes: zum Jahresende war die Baustelle fast weg, beim ersten Mal „danach“ war ich völlig verwirrt, fette 3 Spuren, keine Lotterie, pass ich durch oder nicht und 100 …oder so…erlaubt. 🙂

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  20. Meine Herren, bitte nicht vergessen: Ich bin nicht Baujahr 1965 oder früher. Nur Personen ab dieser Grenze dürfen Mini-Autos oder Moffas einfach so bewegen – weshalb auch die Trankler-Harleys früher oder später nicht mehr zum Bild des Dorflebens gehören werden, mit dem sie früher so untrennbar verbunden waren.

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  21. @Ali – Nachtrag: jetzt hab‘ ich glatt übersehen, daß Du vermutlich schon so alt bist wie ich, also vor 1965 geboren wurdest. Das denk‘ ich mir, seit Du ‚was von/über Albanien geschrieben hast – die Jungen müssen erst lernen, daß es dort viel schöner zum Moppetfahren ist, als auf glatten Straßen 😉

    Dann darfst Du natürlich die Saxonette fahren, wie ich meine Aprilia. Aber ich trink sowieso nix Alkoholisches, wenn ich zweirädrig unterwegs bin, egal womit.

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  22. @Silencer: Spitzenkommentar 😉 Habe 1965er Problem eben berichtigt, betrifft selbstverständlich nur die ‚alten‘ Moppettreiber *kicher*

    Die Krux an meinem Angebot war: Ich hätte es dennoch lustig gefunden, wärest Du mit dem ERoller von Wien nach G gedüst – ist übrigens ein Schnellader dabei: voll in dreieinhalb Stunden für weitere 50 Kilometer (in der Ebene) … 😉

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  23. Miki: Du bist ja auch wirklich viel mit dem Auto unterwegs, da ist es dann nur noch eine Frage der Statistik wann und wie es Dich erwischt – sowohl was Verstöße als auch Unfälle angeht. Gut, dass es bislang glimpflich abgelaufen ist! Möge das noch lange so bleiben!

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  24. Ali

    @Olpo
    vor ’65? Aber ja, stehe kurz vor dem 70. und mM nach gab es in den Jugendjahren erst Fahrverbote bei „richtigen“ Vergehen.
    Für meine Verbesserungshälfte war es oft nicht langweilig, mich wieder in die Spur zu biegen.
    Junior durfte auch letztes Jahr seine Pappe in den 4-wöchrigen Urlaub schicken.
    Bei langer „Abwesenheit“ der Pappe darf man bei Wiedererteilung nicht vergessen, daß dann auch die neuen Gesetze greifen ( Anhänger/LKW 7,9t).

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