Reisetagebuch Griechenland (10): Enipeas

Reisetagebuch Griechenland (10): Enipeas

Tagebuch einer Motorradtour durch Griechenland. Tag 14 mit einem schlafenden Fluss, einer magnetischen Straße und zwei Schwestern in Bayern.

Samstag, 02. Oktober 2021, Vourvourou
Etwas missmutig packe ich meine Sachen zusammen. Heute heißt es Abschied nehmen von dem kleinen, etwas verranzten Häuschen am Strand. Nicht, dass ich von dem viel gehabt hätte.

Die letzten fünf Tage hat es ständig gestürmt oder geregnet, und die Luft war richtig kühl. Die Einheimischen feiern das, denn in den Wochen und Monaten zuvor hat es in Griechenland kaum geregnet, eine Hitzeglocke lag über dem Land und überall tobten Waldbrände.

Von der Hitze hätte ich mir nur ein kleines Bisschen gewünscht und vielleicht ein, zwei richtig sonnige Tage, um mal am hauseigenen Strand zu baden. Allein, es hat nicht sollen sein. Nunja. Auf dieser Reise habe ich noch zwei Mal die Chance auf ein Bad im Meer. Das klappt schon noch. Genauso wie Gyros essen. Das hat bislang nämlich auch nicht sollen sein.

Immerhin bin ich durch das erzwungene Nichtstun ausgeruht und entspannt. Das waren die ersten richtig ruhigen Tage seit Herbst letzten Jahres. Mir geht´s körperlich besser, ich träume nicht mehr von der Arbeit, und mein Magen hat sich auch eingekriegt – das allerdings schon kurz nach der Abfahrt von zu Hause, der monatelange Dünnpfiff war von jetzt auf gleich verschwunden.
Ja, mal rauszukommen ist gesund.

Ich trage die Koffer zur V-Strom. Die Maschine ist mit einem Salzschleier überzogen. Kein Wunder, das Motorrad stand auf der Sandwiese vor dem Haus, die ist nur rund 100 Meter vom Meer entfernt.

Mehrfach checke ich die Räume des Appartements und gucke überall nach, ob ich auch ja nichts vergessen habe. Dabei finde ich in der Ritze zwischen Sofa und Wand den Riegel der Moskitotür wieder, der bei der doofen Aktion am ersten Tag abgerissen und in hohem Bogen weggeflogen ist. Hatte mich schon gefragt wo der hin ist.

Schließlich stecke ich den Schlüssel von Innen an die Tür und texte meinem unbekannten Gastwirt “Leaving. Everything ok, key is in door. Had a relaxed time here, thank you.”

Relaxed stimmt auch, aber anders als gedacht. Fünf Tage im Bett und auf der Couch rumliegen, dafür fährt man eigentlich nicht nach Griechenland. Ich hatte zwischendurch sogar überlegt zu arbeiten. Arbeiten am Netbook, im Strandhaus, mit Blick auf´s Meer! Ich konnte mich dann gerade noch beherrschen, aber die Idee mal als Digitalnomade von Sonstwo auf der Welt zu arbeiten, das ist schon verlockend. Gut, geht in meinem Job nicht wirklich gut, aber wenn es ginge, würde ich es probieren.

Die DL650 springt auch nach den fünf Tagen in Salz und Regen sofort an. Ich steuere sie auf die Straße hinaus und gen Norden, runter von der ChaldiKidi…. Chalkididi.. Chalkidiki-Halbinsel und Richtung Thessaloniki. Statt von vornherein die mehrspurige Schnellstraße zur Stadt zu nehmen, steuere ich die Barocca erst einmal in die Berge östlich und nördlich von Thessaloniki.

Hier geht es auf einer Landstraße durch Weinberge und kleine Orte, das ist viel schöner zu fahre, wenn auch nicht spektakulär. Was es aber ist: Kalt. 13 Grad an der Küste, sagt Anna, und die Berge gehen teils auf 600 Meter hoch – mehr als sieben oder acht Grad dürften das hier oben nicht sein. Mir wird kalt in den Sommerhandschuhen, und starker Wind reißt an der Maschine herum.

Schließlich trifft die Landstraße doch wieder auf die Schnellstraße. Dieses Mal begehe ich nicht den Fehler und versuche mich durch Thessaloniki zu kämpfen, sondern nehme gleich die „Ring Road“, die Schnellstraße um die Stadt herum und über sie hinweg. Allerdings ist heute selbst die Ring Road fürchterlich. Der Samstag wird anscheinend genutzt um Wartungsarbeiten und Reparaturen an der Asphaltdecke sowie Baumschnitt durchzuführen, und das alles gleichzeitig. Mehrfach stehe ich im Stau und freue mich, als ich endlich aus der Stadt raus bin und die Landstraße erreiche, die wieder rechts und links voller weißer Flocken liegt und über die Traktoren mit frisch geernteter Baumwolle zockeln.


Es geht tatsächlich die Strecke wieder zurück, die ich vor fünf Tagen hergekommen bin. Das ist teils nett, aber in einem Dorf leider eine haklige Angelegenheit. Hier hat man die Woche über die gesamte Asphaltdecke weggefräst, und nun sind im Boden Rillen, so tief wie Straßenbahngleise. In diesen Riefen habe ich echte Probleme das Motorrad auf Spur zu halten. Die V-Strom hoppelt und wackelt so dermaßen in den tiefen Spuren der Fräse herum, dass ich mehr als einmal laut fluche und froh bin, als der Quatsch vorbei ist.

Dann kommt wieder der Olymp in Sicht. Den Sitz der Götter hatte ich mir echt größer vorgestellt. Die Spitze des Bergmassivs ist von Wolken verhüllt, was wohl der Normalzustand ist, und auch an der Westflanke der Berge stauen sich Wolken.

Die Straße wird kurviger und führt über die ersten Ausläufer der Bergex. Der Fahrspaß wird etwas getrübt von deutschen Autos. Vor mir gurkt ein Mercedes Cabrio mit Münchner Kennzeichen herum, immer ganz knapp zu schnell zum Überholen, aber zu langsam um flüssig hinter dem zu fahren. Gleichzeitig drängelt von hinten ein Ducato und fährt teils bis auf´s auf wenige Meter auf.

Dazu kommt irgendwann noch eine italienische GS. Das Motorrad ist völlig überladen, sie transportiert zwei Personen und einen gesamten Hausstand. Taschen sind auf Taschen befestigt an denen Taschen hängen, und auf Höhe des Kennzeichens baumelt sogar eine Kaffeemaschine. Die Kiste eiert mit eingeschalteter Warnblinkanlage über den Asphalt und lässt sich wegen erratischer Fahrweise und Gegenverkehrs ewig nicht überholen. Ich bin halt ein Magnet für Doofe.

Völlig überladen. Man beachte die Kaffeemaschine.

Als die Straße nach Thessalien führt, gibt es tolle Ausblicke von einem Pass auf die weite Ebene.

Als ich auf der von der Hauptstraße abfahren kann bin ich ganz froh – endlich ist das Münchner Gesocks fort. Die Freude hält so ca. drei Minuten, dann merke ich, dass ich hier mit hier ein eine erbärmliche Schlaglochstrecke ausgesucht habe, auf der sogar der Bauer in seinem Toyota-Pickup vor mir Schlangenlinien fährt, um den schlimmsten Kratern auszuweichen.

Schnell lösche ich ich zwei der exotischeren Wegpunkte aus Annas Streckenplan. Die hatte ich nach Google-Maps ausgesucht, aber zum einen macht das Fahren hier nur bedingt Freude, zum anderen liegen die noch weiter oben am Berg, wo gerade die Regenwolken hängen und es garantiert noch kälter ist als ohnehin schon.

So fahre ich nur einmal über die Ausläufer des Olymp und dann vom Landesinneren aus über einen Pass des Bergmassivs in Richtung Küste. Dort ist das Wetter besser, und yay, DAS ist ein Pass! Die Kurven und Kehren sind eine reine Freude, und die V-Strom wischt in flüssigen Bewegungen über den Asphalt hinab zum Meer.

An einer Stelle fliegt die Barocca an einem Schild vorbei, das ich bewusst gar nicht wahrnehme. „Olympus Geological History Museum Leptokaria“ steht darauf, und auf der Straße ist etwas auf Griechisch aufgesprüht. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Diese Straße hier ist ein Phänomen.

Trotz des Gefälles rollt ein Auto auf diesem Streckenabschnitt nicht weg wenn es her anhält, auch wenn kein Gang eingelegt und die Handbremse nicht angezogen ist. Noch skurriler: Ein Mensch kann dieses Auto, selbst wenn es groß und schwer ist, hier mit einer Hand bergauf schieben. Manche Autos rollen sogar von ganz allein bergauf.

Auch Metallkugeln rollen den Berg nicht hinab sondern kleben auf dem Asphalt. „Die Gravitation setzt hier aus“ behaupten Einheimische gerne, wenn Sie Besuchern diesen Trick vorführen. Die Wahrheit ist natürlich eine andere: Das Gestein des Bergs ist einfach stark magnetisch.

Magnetisch bei 40.03497986354701, 22.516910634788495

Was ich ebenfalls nicht weiß: Die Straße ringelt sich um die Ruinen der alten Stadt Leivithra. Würde mich nicht wundern, wenn aus diesem Namen und dem Magnetphänomen das lateinische „levitare“, das Wort für „schweben“ entstanden wäre. Die Stadt Leivithra ist Gegenstand mehrerer griechischer Sagen, nach denen Orpheus hier, am Fuß des Olymps, von den Musen beigesetzt worden sein soll. Faszinierend!

Aber, wie gesagt, davon weiß ich gerade nichts. Ich freue mich einfach an dem makellosen Asphalt der Straße, der tollen Aussicht und wie die V-Strom durch die Kurven fegt.

Als die Passstraße ins Tal einmündet, bin ich praktisch schon an der Küste. An der entlang umrunde ich den Olymp zur Hälfte und nehme dann wieder Kurs auf die Berge. Die verbergen sich auch hier in Wolken. Die Straße führt aber gar nicht bis über die Wolkengrenze, sondern auf 300 Meter in einen Einschnitt in die Berge hinein. An dessen Rand liegt der Ort Litochoro.

Litochoro ist ein beliebtes Ausflugsziel, und das ist deutlich zu merken. Der Verkehr ist recht dicht, und überall sitzen Menschen in Cafés.

Ich hatte mir im Vorfeld den Ort sehr genau auf Streetview unter die Lupe genommen und kenne die engen Gassen hier schon. In einer davon hatte ich mir einen Platz für das Motorrad ausgeguckt, aber da steht leider ein SUV quer über drei Parkplätze.

Grummelnd parke ich die V-Strom recht weit weg vom Hotel und quer am Berg, nehme schon mal einen Koffer ab und trage den in Richtung Unterkunft.
Ah, da ist es, direkt am zentralen Platz von Litochoro.

Oh, Moment mal… Als ich das Hotel betrete, das sich ein Gebäude mit einem Juwelier teilt – oder vielleicht gehört der auch dazu – denke ich schon “Huch, das ist hier aber nobel. Das kann nicht richtig sein“ – einfach, weil ich sowas wie das hier nie buchen würde.

Als ein Page auf mich zueilt frage ich deshalb vorsichtig “Ist das hier das Epineas?” Er verzieht das Gesicht, was man sogar unter der Maske sieht. “Nein“, sagt er, „das ENIPEAS” ist eine Etage tiefer”.

Ach Gott, jetzt fällt es mir wieder ein. Mein Hotel ist das kleine Schnuckelhotel UNTER dieser Teuerbude. Ich trage meinen Koffer eine Treppe tiefer.

Hier steht ein kleines Holzhotel. Ja, das sieht schon eher nach mir aus. Eine junge Frau feudelt gerade den Eingang des „Enipeas“ durch. Sie wischt sich die Hände an einer Schürze ab und winkt freundlich, wie man das in Pandemiezeiten halt so macht, dann gibt sie mir einen Schlüssel und beäugt mein Gepäck. „Das ist aber ein seltsamer Koffer,“ sagt sie in einfachem englisch.
„Motorrad“, sage ich.
„Ah! Das kannst Du da vorne abstellen, dann hast Du es im Auge“, sagt sie und wedelt mit der Hand in Richtung eines großen gepflasterten Platzes, in dessen Mitte ein großer Baum wächst, dahinter ist ein Parkplatz.

Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich habe das kleine Hotel hier auch deswegen gebucht, weil keine hundert Meter von hier ein öffentlicher Parkplatz ist. Gut gemacht, Vergangenheits-Ich, so braucht die Barocca nicht in einer dunklen und schmalen Gasse am Berg zu stehen. Ich hole die Maschine auf den Parkplatz, stelle sie vor dem Durchgang zu dem Platz mit dem Baum ab und sichere sie mit einem Bremsscheibenschloss. Man weiß ja nie.

Am Liebsten würde ich das Motorrad direkt vor das Hotel fahren, aber da stehen Stühle und Tische. Die junge Frau, die jetzt mit Durchwischen fertig ist, steht nun neben den Sitzgelegenheiten hinter einer kleinen Holzbar. „Ich bin Ioanna!“, sagt sie. „Bist Du das erste Mal in Litochoro?“. Ich nicke. „Cool! Dann bin ich Deine Fremdenführerin. Komm, ich zeige Dir die Sehenswürdigkeiten hier!“, ruft sie und läuft ins Hotel. Aha. Was kommt denn jetzt? Neugierig gehe ich ihr hinterher.

Ioanna steht in dem schmalen Gang, der die wenigen Zimmer des Hotels miteinander verbindet. Sie zeigt auf ein Triptychon im Eingangsbereich. Es zeigt Häuser und ein sehr altes Auto.

„Das ist Litochoro, und das hier ist das allererste Taxi, das hier je gefahren ist. Das Bild hat mein Großvater gemalt. Das auf dem Foto dort, das ist er, in den 50er Jahren! Er war ein ganz bekannter Kletterer. Er malt auch gerne Sagen.”

“Und das dort“, sie deutet auf ein Gemälde, das eine Berglandschaft und einen Fluß zeigt, „das ist ein Bild von den Bergen hier und der Sage über den Fluß Enipeas…“
„So heißt Euer Hotel!“, rufe ich.
„Jaja“, sagt Ioanna, „Der Fluß entspringt weiter oben im Tal. Und es gibt einen Wasserfall, von dem man aber sagt, er schlafe 6 Monate im Jahr, weil die Götter es so wollen. Ich als Deine Fremdenführerin schlage vor, dass Du da jetzt mal hingehst“. „Ich wollte eigentlich nicht auf den Olymp wandern“, sage ich. „Ist nicht weit“, lacht Ioanna. „Das schafft Du noch vor Sonnenuntergang.“

Ach, na gut. Ich werfe mich in Jeans und Trekkingschuhe und laufe in die Richtung, die Ioanna mir gewiesen hat. Immer an der Schlucht entlang, die direkt neben dem Hotel beginnt, die Straßen hinauf und an einem Friedhof vorbei. Die Ausblicke in die verwilderte Schlucht sind jetzt schon toll. Sie schneidet tief in die Berge hinein.

Kein Wunder, dass Litochoro als der ideale Ausgangspunkt für Wanderungen auf den Olymp gilt – die Schlucht ist ein bequemer Weg in die Berge. Der Olymp, das ist übrigens nicht nur ein Berg. So wird das ganze Gebirgsmassiv hier genannt, mit mehreren Gipfeln. Der Höchste ist der Stefani, mit 2.900 Metern. Da hockt der Zeus drauf. Der Olymp ist das höchste Gebirge in Griechenland.

Nach einiger Zeit komme ich an einen Parkplatz und ein Restaurant mit angeschlossenem „Enipeas-Museum“. Davor steht ein junger Mann und bietet Souvenirs an. Ok, dann muss das hier ein beliebtes Reiseziel sein. Gut, dass ich gerade allein bin. Ich mustere den Souvenirstand.

Gipsrepliken von griechischen Statuen finden sich genauso wie unvermeidlichen Miniaturausgaben von Spartanerhelmen, aber es gibt auch handverpackte Gewürzpäckchen. „Where are you from?“, fragt der junge Mann. „Germany“, sage ich. „Ach Deutschland?“, ruft der Mann auf Deutsch.

„Cool! Ich habe eine Zeit lang in München gearbeitet, und ich habe eine Schwester in Nürnberg!“
„Echt?“, sage ich. „Ich habe schon mal in Nürnberg gearbeitet und eine Schwester in München!“.
Und dann müssen wir laut lachen, weil wir so etwas Seltsames gemein haben oder auch nicht und der Mann schenkt mir einen Kühlschrankmagneten mit dem Fluß Enipeas drauf.

Hinter dem Souvenirstand führt ein schmaler Weg in die Schlucht hinein. Zunächst ist der noch befestigt, bald ist er aber nur noch ein Pfad der an der Felswand entlang und über schmale Brücken immer weiter in die Schlucht hineinführt.

Die Schlucht wird enger. Büsche, Dickicht und Bäume wachsen hier, und aus dem Grün erheben sich schroffe Felswände. Ich laufe den Pfad eine halbe Stunde, bis zu einer Stelle die aussieht, als würde sechs Monate im Jahr ein Wasserfall sprudeln. Aber jetzt gerade schläft der wohl.

Ich laufe zurück zum Ort. Auf dem Rückweg fallen mir im verwilderten Grün versteckte Lost Places auf, und ein Traktor, der hier wohl schon länger steht.

Zurück im Ort gucke ich noch kurz in die Kirche, aber die wird gerade renoviert. Außer den Fenstern im Vorraum ist hier nichts zu sehen.

Am zentralen Platz suche ich mir ein Restaurant.

Die Chefin ist mürrisch, Gyros gibt es nicht und der griechische Salat ist nicht besonders, aber das griechische Kebap ist interessant.

Hätte nicht gedacht, das Kebap in Griechenland so etwas hier ist: Gehacktesrollen.

Es wird schnell dunkel, und damit auch kühl. Ich ziehe mich in mein Zimmer zurück. Ausrüstungspflege ist heute nicht nötig, alles ist OK und sogar das Helmvisier ist sauber. Und DAS ist wirklich beunruhigend.

Es ist mir in den vergangen Jahren schon öfter aufgefallen, aber auf dieser Tour ganz besonders: Die Insekten sind sehr viel weniger geworden. Noch vor 10 Jahren hatte ich nach einem Tag Fahrt eine solche Menge an mediterraner Fauna vor dem Helmvisier kleben, dass der Proteingehalt für ein ordentliches Frühstück gereicht hätte. nach zwei Tagen konnte man durch das Visier nicht mehr durchgucken. Aber heute: So gut wie nichts. Klar, ab und an klebt mal eine Fliege am Visier oder ein paar Mücken, aber das ist praktisch nichts. Artensterben, beobachtet am eigenen Helm und in einem Umfang, der mich stark beunruhigt und über den man viel zu wenig liest und hört.

Weil ich todmüde bin, gehe ich einfach heute einfach früh schlafen.

Schnell bin ich eingepennt und ratze tief vor mich hin.

Ein lautes Geräusch lässt mich hochschrecken, und für einen Moment bin ich völlig ohne Orientierung, weiß nicht wo ich bin oder wie lange ich geschlafen habe. Direkt vor meinem Bett tappt jemand durch das Zimmer, stellt sich dann in eine Ecke und pinkelt. Nach einem Augenblick begreife ich, dass das zum Glück im Badezimmer im Nebenraum ist. Anscheinend sind die Hotelzimmer hier nicht gut schallgedämmt. Ich blicke auf die Uhr. Es ist erst kurz nach halb Zwölf, und jetzt bin ich wieder hellwach. Mist.

Da ist noch etwas anderes. Draußen wummert jetzt der Bass von Technomusik, und Stimmen streiten. Samstag Abend, eben. Es ist schwer zu schätzen, aber mindestens zehn, vielleicht doppelt so viele Personen schreien sich aus vollem Hals an. Auch wenn ich die Worte nicht verstehe: Hier droht eine Gruppe einer anderen Schläge an. Zwischen den drohenden Männerstimmen sind immer wieder Frauen zu hören, die beruhigen wollen, aber das gelingt anscheinend nicht so ganz. Dann ist deutlich zu hören, wie sich Leute zwischen der Rumbrüllerei auf´s Maul hauen.

Das Doofe ist: Die Affenbande hat ausgerechnet den Durchgang zum Parkplatz für ihren Streit auserkoren. Also genau da, wo die Barocca steht. Das fehlt mir noch, dass die da rumrandalieren.

Die Schreierei und Streiterei dauert ewig, erst um kurz vor ein Uhr kracht etwas laut, dann werden die Stimmen langsam leiser, nur gelegentlich brüllt und scheppert noch etwas.

Ich finde keine Ruhe. Ob wohl mit der Barocca alles Okay ist? Ich kleide mich wieder an, dann greife mir die starke Taschenlampe, als es draußen wieder kracht und jemand wütend in die Nacht schreit.

Ich zögere einen Moment, dann greife ich noch einmal ins Topcase und ziehe hinter einer Abdeckung ein kleines Tierabwehrgerät hervor. Das ähnelt einer Spielzeugpistole aus Plastik, aber der harmlose Eindruck täuscht. Das ist eine echte Pistole, geladen mit einem Chilligel. Das Zeug ist so stark, dass es jegliche Art von Schleimhäuten unkontrollierbar zum Tränen bringt, wenn es nur in die Nähe kommt. Wer oder was auch immer davon irgendwo am Körper getroffen wird, verwandelt sich unmittelbar in ein schleimendes, sabberndes Etwas und ist die nächste Stunde nur damit beschäftigt, seine Körperflüssigkeiten bei sich zu behalten. Habe ich tatsächlich auf Reisen fast immer dabei, ich habe nämlich große Angst vor Quokkas.

Ich stecke das Ding in die Jackentasche und schlüpfe durch die Verandatür des Hotelzimmers hinaus in die Nacht.

Die Fenix-Taschenlampe ist stark wie ein Handscheinwerfer. Die kleine Pistole ist mit zwei Schüssen eines Chiligels geladen und dient einzig der Abwehr von Tieren.

Vorsichtig nähere ich mich im Halbdunkel den Mülltonnen am Rand des öffentlichen Parkplatzes. Von den Streithälsen ist nichts mehr zu sehen oder zu hören, und die V-Strom steht unangetastet an ihrem Platz. Puh.

Wo ich schon mal hier bin, mache ich einen kleinen Spaziergang. Ich mag Orte bei Nacht, und Litochoro ist ein wirklich schönes Dorf.

Gegen zwei Uhr kehre ich zurück ins Hotelzimmer, und jetzt kann ich auch wieder einschlafen.

Tour des Tages: Von Vourvourou auf der Chalkidiki über Thessaloniki nach Westen, dann ein Mal um den Olymp herum nach Litochoro, rund 350 Kilometer.

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0 Gedanken zu „Reisetagebuch Griechenland (10): Enipeas

  1. Also, was die monatelangen stressbedingten Verdauungsprobleme angeht, da solltest du dringend an deiner work life balance arbeiten. Das klingt nicht gut und was helfen da schöne Urlaubsreisen zur „Reparatur“?! Ganz im Ernst! ?

    Tipp gegen Spurrillenangst: unbedingt mal Offroadtraining für Einsteiger mitmachen. Empfehlung wäre da die Driving Area bei Celle, die haben auch Mietmotorräder. Erfahrungsbericht gibts auf unserer Website.
    Die Maschine sucht sich ihren Weg, man muss sie nur lassen ?
    Ich mache seit Jahren zu Jahresbeginn ein Einsteiger-Offriadtraining im Hoope Park mit, das schärft auch für die Straße. Bei Rollsplitt verkrampfen auch viele ?
    ADAC Lüneburg hat auch ein Training im Programm.

    VG, Marcus

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